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Ars Electronica 1984
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Live-Konzerte


'Stephen Ferguson Stephen Ferguson

„MUSIC FOR 25 SYNTHESIZERS“ (Uraufführung)
Stephen Ferguson: Synthesizer
Sokal: Saxophon

MUSIC FOR 25 SYNTHESIZERS
Das Werk "Music for 25 Synthesizers" ist eine Uraufführung und wurde speziell für Linz komponiert.

Es handelt sich um eine polyphone Musik im Sinne der kanonischen Musik des Mittelalters, bei der eine "Stimme" 25mal in verschiedenen Tempi aufgenommen wird. Ich verwende auf diese Art die Unabhängigkeit der Mehrspuraufnahme, um komplexe rhythmisch polyphone Klangrelationen zu schaffen.

Ich versuche auch die soziologischen Implikationen der derzeitigen Musikelektronik durch die Anwendung von 24 von Laien gespielten Casio-Minisynthesizern zu illustrieren.

Abgesehen von Vorgängen und Zuständen, die allgemein in meiner Musik enthalten sind (Kontrast zwischen dichter Polyphonie und Solo-"Zeitlupen"-Teilen, klangfarbliche Homogenität, "Scale-block"-Harmonie und harmonische "Fenster", Verwendung von Teilklängen etc.), verwende ich im Werk "Music for 25 Synthesizers" einen Dialog bzw. Triolog zwischen akustischen Klängen, reiner Elektronik und akustischen Klängen, die elektronisch verwandelt werden. Naturklänge sind Becken, Klavier, Nachklänge.

Saxophon und Querflöte, Sopran-Sax und Klavier wurden mit Harmonizer, Stereo-Hall und 2 Digital Delay behandelt.

Das Werk wurde im 24-Spur-Studio RP2 beim Österreichischen Rundfunk, Wien, aufgenommen und digital gemastert mit einem Sony F1 digital processor. Die Instrumente waren PMM Wave Synthesizer, Bösendorfer Flügel, Reeds, Flutes und Percussion. Wichtigste Mitarbeiter waren Harry Sokal, saxes, flutes und technische Beratung. Joris Dudli hat Percussion gespielt und der Komponist die Keyboards.
Thomas West:
STEPHEN FERGUSONS „MEHRSPUR-POLYPHONIE“
Der in Wien lebende britische Komponist Stephen Ferguson, dessen Musik als eine der originellsten Stimmen seines Landes seit Hamilton oder Dalby gilt, kann als Leitfigur der jungen schottischen Avantgarde betrachtet werden. Seine Komposition, bei der sowohl instrumentales als auch elektronisches Material verwendet wird, kann man als "Mehrspur-Polyphonie" bezeichnen. Ihre Haupteigenschaft ist die Anwendung von Mehrspurtonbandgeräten, insbesondere 24- und 48-Spur-Technik, um eine dichte polyphone Musik zu schaffen – oft nur mit der Klangfarbe eines einzigen Instrumentes.

Fergusons Werke werden vorwiegend in Form von Kanons komponiert, wobei die Partitur aus einer einzelnen Hauptstimme besteht. Das kanonische Material wird beispielsweise 24mal aufgenommen, jeweils aber mittels eines Quarz-Metronoms über Kopfhörer in zueinander fein unterschiedlichem Tempo gespielt. Die kanonischen Einsätze werden zeitlich determiniert und separat notiert. Sind alle Stimmen von 24 auf zwei Spuren gemischt, so kommt eine Struktur zustande, die hochkomplex ist, obwohl die einzelnen Stimmen durch geringe Unterschiede in Dynamik und Phrasierung zwischen den Realisationen ihre Identität bewahren. Die Gesamtform der Dynamik wird von einer separaten "Dynamik-Partitur" gelesen und beim Spielen mit Hilfe einer Stoppuhr dem Kanon hinzugefügt. Gelegentlich wird ein Teil einer Stimme oder eine Gruppe von einzelnen Tönen akzentuiert, um sekundäre oder tertiäre Motive zu bilden. Obwohl Geräte wie Digital Delay, Harmonizer, Stereo Chorus etc. verwendet werden, bleibt die Klangfarbe der Instrumente in der Hauptsache erhalten und unbeeinträchtigt – die Neuheit des Ferguson'schen Klanges liegt in der dichten Präsentation von Klängen, die normalerweise nur solistisch gespielt werden, und in den noch wichtigeren rhythmisch-polyphonischen Relationen, die aus der Kombination der einzelnen Linien resultieren.

Harmonisch verwendet Ferguson sogenannte "Scale-Block"-(Tonleiterblock-) Harmonien, ein Terminus, der einen von Cluster-Technik ausgehenden Vorgang beschreibt.

Die im Mehrspurverfahren kombinierten Stimmen bilden Gruppen von Intervallstrukturen bzw. skalisches Material, wobei die Töne beispielsweise jenen der F-Dur-Tonleiter gleichen (Ferguson verwendet jedoch zusätzlich zur westeuropäischen Tonalität auch außereuropäische und Mikrointervall-Tonleitern). Dieses Gefüge kann für wenige Sekunden oder für längere Zeitabschnitte gehalten werden, charakteristisch sind jedoch kürzere Tonleiterblöcke. Die Intervallstruktur (bzw. das skalische Material) aller Kanon-Stimmen verändert sich dadurch: ein Prozeß, der simultan oder verzögert stattfinden kann. Aus dem verzögerten Skalenwechsel entstehen Gegensätze zwischen Konsonanz und Dissonanz, wobei zwei sich überschneidende Tonleiterblöcke "verschwommene", dissonante Harmonien ergeben – verglichen mit der eher einheitlichen Intervallstruktur eines einzelnen Tonleiterblockes. Die Gesamtwirkung ist die einer harmonischen Bewegung innerhalb Cluster-artiger Klangmassen. Zusätzlich zu der "Scale-Block"-Technik verwendet der Komponist sogenannte harmonische "Fenster", jene Stellen in der Musik, wo alle Stimmen allmählich auf zwei bestimmten Tönen zusammenkommen, so daß ein klar erkennbares Intervall entsteht. Die rhythmische Struktur der Kanon-Stimme besteht hauptsächlich aus regelmäßigen, kurzen Tönen (Sechzehnteln), da differenziertere Rhythmenmuster und längere Töne im Mehrspurkanon untergehen würden. Richtiger wäre es vielleicht, von "Rate of Events" (Ereignishäufigkeit), als von Rhythmus im herkömmlichen Sinn des Wortes zu sprechen. Die "Rate of Events" – die Anzahl der Töne pro Sekunde – nimmt wegen des breiten Spektrums der Metronomwerte ab oder zu, je nach dem Einsetzen oder Ausklingen der Stimmen. Klingen die schnellen Stimmen aus, so wird die rhythmische Intensität reduziert, wogegen das Ausklingen der langsameren Stimmen nur eine Reduzierung der Dichte bewirkt, dies durch das Phänomen der rhythmischen Perzeption, bei der wir schnellere Ereignisse innerhalb komplexer akustischer Stimuli "selektieren". Die motivische Struktur der einzelnen Stimmen ist vorwiegend einfach, es werden kleinere Intervalle verwendet, um die Identität der Stimmen zu wahren. (So werden skalische Motive im Kanon leichter identifiziert als jene mit großen Intervallen.)

Große Intervalle in der Melodik werden eingesetzt, um tiefe und hohe Töne aus der Klangmasse zu projizieren; ein Vorgang, den der Komponist als "Note Throwing" bezeichnet.

Trotz der rhythmischen Regelmäßigkeit vermeidet Ferguson die vom Minimalismus beeinflußte "Tendenz zu einfachen Patterns", wie sie Ligeti bei früheren Werken sowie "Scales" für acht Klaviere kritisierte. Den Gegensatz zu dichten Mehrspurkanons bilden Solostellen von großer Zartheit, bei denen nur eine Stimme verwendet wird. Hier kommen sehr gedehnte und unregelmäßige Zeitspannen – manchmal zwanzig bis vierzig Sekunden – vor.

Eine häufig vorkommende Technik ist die Anwendung von Klängen, deren Einsätze durch "punch-in" Aufnahme weggelassen wird, besonders Klavieranschläge werden oft unterdrückt.

Um technische Schwierigkeiten bei der Aufzeichnung dieser extrem leisen "Nachklänge" zu umgehen, hat Ferguson die Digital-Aufnahme eingesetzt. Häufig wird für die Solopassagen Material aus dem Kanon oder auch aus den Hauptmotiven abgeleitet. Der Komponist hat seine Absicht bei diesem Kontrastieren von sehr komplexen kanonischen Teilen und Solostellen, die äußerst wenig Information enthalten, folgendermaßen dargelegt:
"Mein Hauptanliegen ist es, musikalische Ideen zu präsentieren, die einerseits unser – von der Sprachwahrnehmung determiniertes – musikalisches Wahrnehmungsvermögen übersteuern und andererseits weniger klangliche Stimuli als das einfachste monophonische Lied enthalten, also Musik, die zwischen den Grenzen der akustischen Wahrnehmung hin- und herspringt, statt stur auf der Ebene der Komplexität zu bleiben."

Bei Live-Konzerten verwendet Ferguson zwei Methoden, um seine Werke vorzutragen:
Die erste ist die Anwendung des Playback-Verfahrens mit gleichzeitig live gespielter Musik, wobei der Hauptteil des Materials auf Band aufgezeichnet ist und die Kanons und vor allem die Soloteile mit Live-Instrumenten ergänzt werden.

Die zweite Möglichkeit ist das "Live-Multitrack" – ohne Bandaufzeichnung – dabei sind alle im Werk vorkommenden Instrumente anwesend und die Interpreten bekommen die Metronomschläge über "Walkman"-Cassettenrecorder überspielt (wie das Werk "Katabiosis" anläßlich der ISCM Weltmusiktage 1982).

Trotz der Nachteile des Playbackverfahrens im Live-Konzert machen die Auftritte Fergusons einen sehr extrovertierten Eindruck, der von dem Wiener Kritiker Fritz Walden als "musikalischer Rausch, der auf dem bürgerlichen Konzertpodium bisher jedem Bolero von Ravel oder Poème de l'Extase von Skrjabin versagt blieb", beschrieben wurde.

Der Komponist bemerkte in diesem Zusammenhang:
"Musiker in der Sparte 'neue E-Musik' sollten meiner Meinung nach mit ebensoviel Enthusiasmus und Überzeugung spielen wie ihre Kollegen beim Rock oder Jazz, befreit von unpassenden Vortragsweisen des 19. Jahrhunderts."

Gegenwärtig sind Fergusons Hauptprojekte die Komposition einer Kammersymphonie (live Multitrack) im Auftrag des ORF und die Produktion seiner neuen Schallplatte "Polyphony" (Blackplastic 07203), die noch vor Ende des Jahres erscheinen wird.