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Computerkunst als Lebensart – Jane Veeder


'Gene Youngblood Gene Youngblood

Jane Veeder kann, gemeinsam mit Ed Emshwiller und Larry Cuba, zu den begabtesten Computerkünstlern, die derzeit in Amerika arbeiten, gezählt werden.

Bis vor kurzem noch relativ unbekannt, beginnt sie nun die Anerkennung zu finden, die sie verdient. Ihr 1982 entstandener Trickfilm MONTANA ist die einzige Computergrafik in der Videosammlung des Museum of Modern Art und ihr interaktives paint program/arcade game WARPITOUT war die Sensation bei der SIGGRAPH '82 Art Show in Boston.

Jane Veeder arbeitet mit Zgrass, einer Sprache, die Tom DeFanti speziell für interaktive Real-time-Bewegungsgrafik entwickelt hat. Zgrass besteht aus Elementen von Pascal, Smalltalk, Lisp und Basic und ist die derzeit beste Grafiksprache. Unter anderem kann der Benützer sie sich selbst aneignen und auch erweitern; er kann seine eigenen Befehle entwickeln und in die Computersprache integrieren, um zu einem eigenen Stil von Computerbildern zu finden.

Zgrass wird ausschließlich am Datamax UV-1 verwendet und beinhaltet drei eigens für Bally Arcade Spiele – wie "Wizards of War" und "Gorf" – entwickelte Chips. Einen, um die Anweisungen auszuführen, einen zur Kontrolle des Displays und einen für den Ton. Dadurch kann man mit Zgrass schneller arbeiten als mit anderen Systemen in dieser Preislage (etwa 10.000 Dollar) und Geschwindigkeit ist wichtig für die Echtzeit-Animation. Der Datamax UV-1 hat einen Speicher für 16 Bildschirmseiten, wodurch 16 verschiedene Bildschirminhalte in einem Real-time-Animation-Arbeitsgang abgerufen werden können. Die Ausgabe erfolgt auf einem NTSC-Standard-Video-Schirm.

Jane Veeder arbeitet auf einem einzigen Sony 5850-Videorecorder und gestaltet die Ausführungsbefehle zu ihrem Grafikprogramm. Jedes Band kann eine Neuentwicklung darstellen", erklärt sie. "Es ist genauso leicht, einen Computer zu bedienen und einen neuen Film herzustellen, wie einen bestehenden zu 'synchronisieren'. Mit dem 16-Seiten-Speicher kann ich die einzelnen Bildschirminhalte erarbeiten und sie dann aufeinanderfolgend programmieren, dadurch entsteht die Animation. Der UV-1 bietet weniger Rasterung und weniger Farben als größere, teurere Geräte – nur 320´202´2 bits pro pixel (256 Farben in Vierfarb-System) –, bietet jedoch den Vorteil einer Real-time-Operation zu einem erschwinglichen Preis, außerdem braucht man für die Bewegung von Bildern ohnehin weniger Rasterung." Obwohl "Hi-Res" zu einer Scheinreligion in der Welt der kommerziellen Grafik erhoben wurde, ist für viele Künstler die Real-time-Interaktion bedeutend wichtiger.

"Fotografischer Realismus ist nicht mein Fall", erklärt Veeder. "Ich sehe keinen Sinn darin und halte ihn auch nicht für eine besondere Großtat. Ich habe kein Verlangen danach, eine besonders feine Bildauflösung zu benutzen, da ich auf keinem feinen Raster zeichne. Ich gehe nur bis hierher und nicht weiter, so daß es die Integration und Manipulation sind, die ich daran mag – die Bewegungen und Gesten."

Tatsächlich ist die Animation an sich nicht der primäre Beweggrund für Veeders Beschäftigung mit Zgrass. "Ich interessiere mich nur für Echtzeitgrafik-Interaktionen, aus denen ein dynamisches, sichtbares Geschehen resultiert", sagt sie. "Ich will meine Augen, meine Hände und meinen Kopf mit den Fähigkeiten des Computers vereinigen, um komplexe Beziehungen sehr rasch darstellen zu können. Ich gebe zu, daß ich hingerissen bin von der schnellen Persönlichkeitsentwicklung und der Schulung der Wahrnehmungsgabe, die einem durch die fortwährende Zusammenarbeit mit einer intelligenten, interaktiven Real-time-Maschine zuteil wird." "Montana" und Veeders neueste Computeranimation "Floater" zählen zu den besten experimentellen Werken handgezeichneter Animation. Die seltsamen, traumähnlichen, zyklisch wiederkehrenden Begebenheiten bei "Montana" erinnern an Harry Smith's "Early Abstractions", wogegen "Floater" zu Vergleichen mit Robert Breer, Paul Glabicki und den Filmen von Pat O'Neill anregt. Beide Arbeiten sind hauptsächlich autobiographisch.

MONTANA
Fünf Jahre lang verbrachten Jane Veeder und Phil Morton ihren Sommer in den Bergen der Western Badlands (Montana, Wyoming und Utah), um zu campieren und Videofilme herzustellen. Diese Ausflüge waren Teil eines eigenartigen Lebensstiles, einer Annäherung an das Objekt Video, der Wunsch, mit und durch dieses Medium zu sprechen, Computergrafiken mit – in halb didaktischen Simulationen – erdachter und gewünschter Videorealität zu verbinden. Sie stellten ihr Leben mit den Mitteln der Elektronik dar, produzierten Videokommuniqués von jener Realität, die sie durch ihr Leben und dessen Verarbeitung schufen. Die visuelle Handschrift dieser Bänder ist absolut einzigartig durch Janes scharfe, für sie charakteristische Computergrafik, die Phils glanzvolle Bildproduktionen ergänzt. All dies überlagert sich und wird zu einem stilvollen Schwarzweißband, das vom Tierleben und der geologischen Vielfalt der amerikanischen Wildnis erzählt. Die Bänder haben einen fröhlichen, geschwätzigen, gesprächigen Beigeschmack, der gegen das außerirdische "Fremder-in-einem-fremden-Land-Bewußtsein" räsoniert, das sie durchdringt. Es handelt sich um bahnbrechende Arbeiten, erzeugt von echten Vorkämpfern auf elektronischem Gebiet.

Nach und nach entwickelte Jane sich weg vom Medium Video und beschäftigt sich intensiver mit der Computergrafik. Sie arbeitet nicht mehr mit Morton zusammen, aber ihre Liebe zur Wildnis und viel graphisches Material, das sie für Videobänder entwickelt hatte, beeinflussen noch jetzt ihre Computersimulation. Diese Bilder – aufsteigende Falken, Bergspitzen, stampfende Büffel, Erosionsmuster am Boden – sind in "Montana" zusammengefaßt mit Abbildern der technischen Welt: Videokameras, der Sears Tower in Chicago, Space Shuttle. Veeder teilte das Material in 16 Bildsequenzen, die als Schleife, schnellerwerdend achtmal wiederkehren, wobei sich jedes Element mit einer anderen Geschwindigkeit bewegt. Das erzielt eine Konstellation von totemähnlichen Bildern, die auf einer traumähnlichen Bühne tanzen – daher die Ähnlichkeit mit den Arbeiten Harry Smiths. Bemerkenswert ist auch der Stereosoundtrack, der aus einem Audioband mit Vogelstimmen von der Audobon Society stammt und aus einer Sound-Synthese auf dem Sandin Image Processor besteht. Die Wirkung der Aufzählung und Benennung der Vogelstimmen in einem Feuerregen elektronischer Echos ergänzt das Bild perfekt und gibt dem Band einen scharfen, überirdischen Ausdruck.