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Ars Electronica 1984
Festival-Programm 1984
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Bildende Kunst aus dem Computer


'Herbert W. Franke Herbert W. Franke

VON DER PLOTTERZEICHNUNG ZUR INTERAKTIVEN GRAFIK
Der Ursprung künstlerischer Aktivitäten verliert sich im Dunkel der Vorgeschichte, und das gilt auch für die bildende Kunst. Weitaus bessere Chancen für einen historischen Überblick über die Entwicklung von Motivationen. Motivationen und Stilrichtungen bestehen bei jenen Kunstarten, zu deren Ausübung man technische Medien braucht, beispielsweise die verschiedenen Arten von Druckgrafik, weiter Fotografie und Film.

Im Fall der Computerkunst besteht die besondere Situation, daß wir sie auch heute noch in statu nascendi erleben. Ein naheliegender Grund dafür ist die Tatsache, daß der Computer selbst samt den dazugehörigen Systemen für grafische Ausgabe noch in der Entwicklung begriffen ist; in der kurzen Geschichte der Computerkunst – kaum älter als zwanzig Jahre – ist eine enge Wechselwirkung zwischen dem technischen Entwicklungsstand und den gestalterischen Möglichkeiten zu beobachten. Aber selbst dann, wenn diese Irritation durch ständig wechselnde – und verbesserte! – Hilfsmittel nicht bestünde, hätte die Zeit zur Ausbildung eines Kanons ästhetischer Regeln nicht gereicht, wie sie in anderen vergleichbaren Gebieten Hunderte, wenn nicht Tausende von Jahren erforderte. So findet man in Büchern und Ausstellungen über Computerkunst ein erstaunliches Sammelsurium von Macharten und Stilen, ein Angebot verschiedenster, teils widersprüchlicher Auffassungen, darunter vieles, was den althergebrachten Regeln der bildenden Kunst widerspricht, und davon wieder manches in der Tat banal, anderes aber von erstaunlicher ästhetischer Innovation. Jenem, der in der Kunst das Gefestigte, das Abgeschlossene bevorzugt, das festen Regeln und Kriterien unterworfen ist, muß der Tummelplatz Computerkunst höchst dubios vorkommen. Dagegen erscheint es jenem höchst bemerkenswert, der an Zusammenhängen zwischen den ästhetischen Ausdrucksmöglichkeiten und den modernen technischen Medien interessiert ist – das alles in Abhängigkeit von einer ständig im Umbruch befindlichen Gesellschaft. Darüber hinaus allerdings deuten sich in einigen Äußerungen der Computerkunst völlig neue künstlerische Wege an, denen nachzugehen durchaus lohnenswert erscheint.
DRUCK- UND STRICHGRAFIK
Die Zeichenautomaten, deren sich die Computerkünstler bedienen, wurden keineswegs für ästhetische Zwecke entworfen. Sie dienten vielmehr der Aufgabe, bisher in Form von langen Datenlisten ausgegebene Informationen in einer übersichtlichen, eben der grafischen Form auszudrücken. Die ersten Computergrafiken waren Kurvendiagramme und Blockbilder ohne jede künstlerische Ambition. Allerdings erwies sich der Computer mit zugeordnetem grafischen System als ein höchst effektvolles Spiel- und Zeicheninstrument, und viele jener als nüchtern verschrienen Mathematiker und Programmierer begannen spontan mit freien grafischen Experimenten. Als im Jahr 1963 die Redaktion der Zeitschrift "Computers and Automation" einen Wettbewerb für grafisch reizvolle computergrafische Arbeiten ausschrieb, wurden weitaus mehr Blätter eingesandt als erwartet, darunter einige, die sich auch heute noch sehen lassen können. Als Geburtsjahr der bildenden Computerkunst gilt 1965. In diesem Jahr traten drei Mathematiker und Programmierer unabhängig voneinander mit Ausstellungen an die Öffentlichkeit, die sie der "Computerkunst" zuordneten. Es waren die beiden Deutschen Frieder Nake und Georg Nees sowie der Amerikaner A. Michael Noll. Sie arbeiteten mit computergesteuerten mechanischen Zeichenautomaten, die für die Ausführung von Strichdarstellungen konzipiert waren. Wollte man eine Fläche belegen, so mußten möglichst dicke Striche – beispielsweise mit eingespannten Filzstiften – eng nebeneinandergesetzt werden. Einwandfreie Resultate beschränkten sich damals noch auf waagrechte und senkrechte Geraden, alles was schief gegenüber den Koordinatenachsen lag, wurde als Treppenlinie vergröbert dargestellt. Diese beschränkten Möglichkeiten bestimmten auch den Stil; das Prinzip "vertikal/horizontal" des Konstruktivismus beherrschte auch die ersten Computergrafiken – einander kreuzende Linien und Rechtecke. Als Besonderheit trat allerdings der raffinierte Einsatz von Zufallsgeneratoren hinzu. Zwar hatten auch einige Neokonstruktivisten, beispielsweise Herman de Vries, den Zufall in ihre Arbeiten einbezogen, doch mit Hilfe in die Programme eingebauter stochastischer Rechenprozesse kamen die Computergrafiker zu weitaus komplizierteren und damit auch interessanteren Lösungen.

Diese noch sehr dem mathematischen Denken verhafteten Darstellungen führten zum Trugschluß, die künstlerische Computergrafik beschränke sich auf nüchterne, geometrische Figurationen. Obwohl inzwischen anhand von Beispielen erwiesen ist, daß der Gestaltung mit dem Computer jede stilistische Richtung offensteht, hält sich dieses Vorurteil auch heute, im Zeitalter der Bildschirmgrafik, so hartnäckig wie je zuvor. Im übrigen hat der mechanische Zeichenautomat auch jetzt noch seine Daseinsberechtigung, beispielsweise für die Darstellung von Architekturplänen und Schaltdiagrammen. Die neueren Modelle arbeiten so präzise und fein, daß sich jede beliebige Kurve hinreichend genau darstellen läßt, und damit sind auch wesentliche Begrenzungen im künstlerischen Gebrauch weggefallen. Manche Künstler bevorzugen heute nach wie vor die Strichdarstellung mit dem Plotter.

In den sechziger Jahren gab es nur wenige computergesteuerte Zeichenanlagen, das gebräuchliche Mittel der Ausgabe von Computerdaten war der Schnelldrucker. Zwar kann er keineswegs als günstiges Mittel zur Anfertigung von Zeichnungen gelten, nichtsdestoweniger wurde er – zumindest als Notbehelf – immer wieder dazu herangezogen. Ein frühes Beispiel dafür ist Katherine Nash, andere Künstler bedienten sich des Druckgeräts hauptsächlich für Entwurfszwecke. Ein Beispiel ist der Spanier Manuel Barbadillo, der sich mit der Permutation einfacher grafischer Elemente auf der Zeichenebene beschäftigte.
GEGENSTÄNDLICHE BILDER
Eine naheliegende Aufgabe, die sich wohl jeder Künstler einmal stellt, ist die Wiedergabe von Realobjekten. Beispiele dafür gab es schon früh im Bereich technisch und wissenschaftlich orientierter Computergrafik. Bekannt geworden ist beispielsweise William A. Fetter, der verschiedene Stellungen eines Menschen im Cockpit eines Flugzeugs zeichnen ließ – zum Zweck ergonomischer Problemlösung, und zwar der günstigsten Gestaltung einer Flugzeugkanzel. Obwohl seine Gebilde ursprünglich nichts mit Kunst zu tun hatten, war ihre ästhetische Note von Anfang an unverkennbar; sie gelten heute noch als beachtliche Beispiele figürlicher Computergrafik.

Mit der Darstellung von Menschen und Gegenständen reihten sich auch professionelle Künstler in die Reihen der Computergrafiker ein. Bekannt wurde beispielsweise das Team Charles Csuri und James Shaffer, ein Künstler und ein Programmierer, die mit einem Porträtbild "Sine Curve Man" den ersten Preis 1967 des zur ständigen Einrichtung gewordenen Preisausschreibens der Zeitschrift "Computers and Automation" gewannen. Erwähnenswert sind weiter die Arbeiten des Kanadiers Leslie Mezei. Wie Charles Csuri stützte er sich auf Handzeichnungen, die dem Computer eingegeben und dort verarbeitet wurden. Dadurch entstanden reizvolle Abwandlungen; Charles Csuri und James Shaffer überlagerten beispielsweise verschiedene Altersphasen eines Frauengesichts, und Leslie Mezei verzerrte die Kontur eines Bibers in einem Rasterfeld.

Mit dieser Arbeitsweise ergibt sich bereits ein Übergang zum sogenannten "picture processing". Ziel dieses Verfahrens war ursprünglich die Verbesserung von Foto- oder Videoaufnahmen, später entwickelte es sich zu einem eigenständigen wissenschaftlich-technischen Arbeitsbereich, der digitalen Bildanalyse. Dieselben Verfahren, denen sich die Wissenschaftler bedienen, um Bilder zu verbessern, werden von Künstlern – in umgekehrter Richtung – zu Zwecken der Verfremdung eingesetzt. Einer der Pioniere dieses Verfahrens ist der damals in den USA lebende Deutsche Manfred R. Schroeder, der seine ersten Versuche mit einem vielfach abgewandelten Foto eines Mädchens machte. Erwähnenswert sind aber auch die frühen Arbeiten von Kenneth C. Knowlton, H. Philip Peterson, beides Amerikaner, und des Brasilianers Waldemar Cordeiro.

Bildtransformationen mit Hilfe des picture processing waren damals noch recht umständlich. Wie auch bei den mit Hilfe von Programmen generierten Plotterkonfigurationen wurde die Bildinformation zunächst auf Lochkarten oder Lochbänder gestanzt, so daß der Arbeitsablauf in mehreren Schritten vor sich ging. Heute arbeitet man meist in interaktivem Betrieb, das bedeutet, daß man das Bild ohne Zeitverzögerung so lange verändern kann, bis man mit dem Ergebnis zufrieden ist.
COMPUTERGRAFIK AUF DEM MONITOR
Erst mit dem Echtzeit-Verfahren, mit dem interaktiven Betrieb, überwand die Computerkunst ihre Abhängigkeit von technischen Verfahren und Arbeitsabläufen. Technisch gesehen waren die neuen Mittel sicher noch anspruchsvoller, dafür aber erlaubten sie es dem Benutzer, sich nahezu uneingeschränkt auf die gestalterische Aufgabe zu konzentrieren. Der entscheidende Schritt war der Einsatz des Bildschirmgeräts zur Bildausgabe.

Anstelle des träge bewegten Farbstifts tritt der praktisch verzögerungsfrei ablenkbare Elektronenstrahl. Während es beim mechanischen Plotter vorkommen konnte, daß ein innerhalb weniger Sekunden berechnetes Bild eine Stunde zur Ausführung brauchte, fällt nun der Bildaufbau überhaupt nicht mehr ins Gewicht. Sobald das Programm abgearbeitet ist, erscheint das Bild schon auf der Mattscheibe. Zweckmäßigerweise arbeitet man mit Programmen, die jederzeit grafische Eingriffe zulassen; während die erste Bildversion noch gespeichert ist, kann man sich schon mit wünschenswerten Veränderungen beschäftigen, die ebenso schnell auf dem Bildschirm zu sehen sind. Die Zwischenresultate lassen sich abspeichern und immer wieder aufrufen, wenn man will, kann man sie auch in verkleinerter Form nebeneinander auf die Bildfläche bringen.

Hand in Hand mit der Verbesserung der Hardware macht sich auch der Fortschritt der Software wohltuend bemerkbar. War früher das Programmieren noch ein Akt, der Kenntnisse über Mathematik, Logik und Datenorganisation erforderte, so gibt es nun problemorientierte Sprachen, deren Gebrauch sich in wenigen Stunden lernen und in wenigen Tagen einüben läßt.

Der letzte Entwicklungsschritt führte zu den sogenannten Paint-Systemen, die es dem gelernten Grafiker oder Maler erlauben, seine althergebrachten Methoden der Bilderzeugung einzusetzen. Mit einem sogenannten Lichtgriffel kann er direkt auf dem Bildschirm zeichnen, noch gebräuchlicher ist heute das sogenannte Tableau, das als Zeichenfläche dient – während das Bild auf dem Monitor erscheint. Manche Anlagen bieten dem Benutzer viele Millionen verschiedener Farbnuancen, dazu kommt ein gegenüber dem Fernsehempfänger weitaus erhöhtes Auflösungsvermögen, ein Raster von über tausend Zeilen und Kolonnen. Für Zwecke der Filmproduktion stehen aber auch noch feinere Bildschirme zur Verfügung, mit denen man heute Fotoqualität erreicht. Und damit fallen auch alle Beschränkungen fort, die dem Benutzer von Computer-Grafik-Systemen früher noch bestimmte Stilmittel aufgeprägt haben: Vielen wurde erst jetzt klar, daß der Begriff Computerkunst keine Stilrichtung kennzeichnet, sondern lediglich ein Instrumentarium, eine Methode.

Merkwürdigerweise bringt der Einsatz von Paint-Systemen nicht nur größere Freiheit auf der einen Seite, sondern neue Beschränkungen auf der andern mit sich. Die in zwanzig Jahren gesammelten Erfahrungen mit programmierter Grafik haben gezeigt, daß mathematische Funktionen und Prozesse ein neues gestalterisches Mittel, einen neuen Zugang zur bildenden Kunst bedeuten. Während man beim üblichen Malen und Zeichnen nur punktuell in das Bild eingreift, also stets nur jene Stelle verändert, die der Pinsel oder der Stift berührt, steht in der mathematischen Methode ein Instrument zur Verfügung, das den "integralen" Eingriff ermöglicht. Ein einfaches Beispiel ist etwa der Wechsel der Farbe über das ganze Bild hinweg, der dem Computergrafiker stets zur Verfügung steht. Es gibt aber auch noch viele andere Möglichkeiten, beispielsweise die Prozesse der Transformationen, der Gradientenbildung, der Matrizenrechnung usw. – alles Begriffe aus dem Fachbereich der Mathematik, die jedoch zu grafisch höchst reizvollen Bildabwandlungen führen. Die aus dem Bereich der Wissenschaft und Technik stammenden Programmierer haben diese Art der grafischen Bildproduktion zu einem hohen Standard entwickelt – es ist schade, daß manches davon durch die allzu eng auf manuelle Fertigkeit abgestimmten Paint-Systeme wieder verlorengeht.
3D UND ECHT-SIMULATION
Auch der Übergang zum Monitorbild wurde nicht von künstlerischen Zielsetzungen initiiert, sondern entsprang den nüchternen Notwendigkeiten der technischen Anwendungen. Diese hatten sich gehörig erweitert, Konstruktionsentwürfe, Moleküldarstellungen, Wetterkarten, Radiogalaxien … alles das stellt man mit den Mitteln der Computergrafik dar. In den letzten Jahren hat sich bemerkenswerterweise auch eine Erweiterung in Richtung auf angewandte Kunst und Design ergeben, in denen die Vorarbeiten der Computerkünstler plötzlich kommerziell interessant werden. Die wichtigsten dieser Gebiete liegen im Bereich der Werbespots und des Trickfilms. Weitere aktuelle Nutzungsmöglichkeiten ergeben sich heute im Geschäftsbereich, und zwar in Form der sogenannten Business- oder Managergrafik. Dem Betrachter fällt auf, daß viele der computergenerierten Bilder erstaunlich realistisch, in echter Farbgebung und räumlicher Perspektive, wiedergegeben sind.

Auch diesen neueröffneten Möglichkeiten liegen handfeste Aufgaben unserer technischen Welt zugrunde. Mit dem Problem der räumlich perspektivischen Darstellung beschäftigte man sich schon vom Anfang computergrafischer Aktivitäten an – beispielsweise zum Zweck technischer Konstruktion – und die prinzipiellen Lösungen sind auch längst nicht mehr neu. Doch jetzt erst stehen leistungsfähige Systeme zur Verfügung, die die zur räumlichen Darstellung benötigte riesige Zahl von Rechnungen in akzeptabler Zeit durchführen. Dabei hat sich beispielsweise das Problem der "Hinterschneidung" als besonders wichtig erwiesen – die Frage, welche der dargestellten Oberflächen weiter vorne liegen und deshalb die übrigen verdecken.

Üblicherweise geht man von sogenannten Drahtmodellen aus: Die Gegenstände sind lediglich als Skelette ihrer Kanten dargestellt; doch selbst diese stark abstrahierte Darstellungsweise weist interessante ästhetische Aspekte auf und wird beispielsweise in Werbespots von Autos immer wieder gern gezeigt. Bis zur "Realdarstellung" sind mehrere weitere Näherungsschritte nötig. Nach der Berechnung der verdeckten Objektteile werden die von den Kanten eingeschlossenen Flächen mit Farbe belegt; die Helligkeit berechnet sich aus dem Stand fiktiver Lichtquellen. Als nächstes werden die Kanten und Flächen abgerundet, wobei die harten Kontraste weichen Übergängen Platz machen. Schließlich kann man noch die Art der Oberfläche bestimmen – matt oder metallisch glänzend, reliefartig gemustert oder glasig durchsichtig. Auf diese Weise ist es Firmen möglich, neue Produkte, die erst in Planung stehen, fotogetreu wiederzugeben.
KÜNSTLER/TECHNIKER
In gewissem Sinn wiederholt sich nun die Situation, die am Anfang der Computergrafik bestand: Die modernen Systeme sind so teuer, daß man ihren künstlerischen Gebrauch kaum vertreten kann. Die wenigen professionellen Maler und Grafiker, die sich an hochwertigen Paint-Systemen eingearbeitet haben, werden vor allem mit kommerziellen Aufgaben betraut, und nur hin und wieder erscheint in einer Ausstellung oder in einem Buch ein frei gestaltetes Werk. Eine Fundgrube dafür sind die in den USA jährlich stattfindenden SIGGRAPH-Konferenzen, bei denen sich die wichtigsten Vertreter der Computergrafik versammeln. Bemerkenswerterweise kommt dabei die Kunst nicht zu kurz – zu den beliebtesten Präsentationen gehören die Vorführungen computergenerierter Filme und Videobänder.

Damit tritt eine neue Generation von Computerkünstlern auf den Plan. Viele von ihnen sind an der technischen Entwicklung beteiligt, verwenden ihr Medium aber auch zur freien Gestaltung. Mit Recht sehen sie sich deshalb sowohl als Techniker wie auch als Künstler an. Dazu gehören beispielsweise Larry Cuba, der mit dem Altmeister des Computerfilms John Whitney sen. zusammen an den Trickfilmsequenzen von Kubricks "2001 – Odyssee im Weltraum" arbeitete, James Blinn, der nicht nur die Saturn- und Jupiteraufnahmen der NASA bearbeitet hat, sondern auch mit eigenen Bildgestaltungen hervorgetreten ist, sowie Alvy Ray Smith, der heute zum Computerteam der George-Lucas-Productions gehört. Inzwischen hat sich in den USA aber auch schon ein permanenter Unterricht in Computergrafik etabliert – hervorzuheben sind hier beispielsweise die Initiativen von Thomas DeFanti und Dan Sandin an der University of Chicago Circle.
DYNAMISCHE COMPUTERGRAFIK
Der Kreis von Mitarbeitern und Studenten um die beiden Künstler/Techniker Thomas DeFanti und Dan Sandin beschäftigt sich bevorzugt mit bewegter Grafik. Schon die klassische Plotterzeichnung erwies sich als hervorragendes Mittel zur Produktion von Filmen: Ein großer Teil der bisher auf manuellem Weg erfolgten Zeichenarbeit an den Phasenbildern läßt sich an den Computer übertragen. Auf diesem Weg erhielt man Einzelbilder, die dann, entsprechend hintereinandergereiht, den filmischen Ablauf ergeben.

Der rasche Bildaufbau am Monitor legt den Wunsch nahe, bewegte Bildsequenzen in Echtzeit hervorzubringen. Begnügt man sich mit relativ einfachen Konfigurationen, beispielsweise solchen aus Punkten und Strichelementen, dann erfolgt die Bildberechnung selbst mit kleinen Heimcomputern so schnell, daß dynamische Bildabläufe entstehen. Zum ersten Mal in der Geschichte wird damit der alte Wunsch nach einer Art "grafischer Musik" erfüllbar, das freie Operieren mit Farben und Formen, das sich bisher in bunt beleuchteten Wasserfontänen, Feuerwerken und Kaleidoskopen nur andeutungsweise realisieren ließ. Nun steht für eine solche Art der Gestaltung die gesamte Palette computergenerierter Bilder zur Verfügung. Damit stößt der Bildgestalter in eine völlig neue Dimension vor, und manche Kenner der Szene sind der Ansicht, daß darin die eigentliche Bedeutung der Computergrafik läge: in einer Art der Gestaltung, die mit keinem anderen Medium möglich ist.

Die Beschäftigung mit dynamischer Computergrafik führt zu neuen Erfahrungen, beispielsweise über die Abstimmung hintereinander auftretender Bilder, auf Fragen des Taktes und des Rhythmus, der Gliederung etwa nach dem Vorbild musikalischer Werke. Da man mit Computerprogrammen nicht nur Bilder, sondern auch Musik erzeugen kann, ergibt sich nun der Idealfall, daß die Gestaltung eines bildnerisch-musikalischen Werks in einer Hand vereinigt liegt. Auf der anderen Seite ist natürlich auch ein Zusammenwirken dynamischer Grafik mit klassischen oder modernen Musikinstrumenten möglich. So bietet es sich beispielsweise an, mit demselben Programm, das Bildelemente auf den Bildschirm aufträgt, auch Signale auszugeben, die ein elektronisches Musikinstrument aufgreift und damit volle Synchronität erreicht. Man kann die Programme so vorbereiten, daß sich eine Art grafischer Improvisation ergibt – eine außerordentlich stimulierende Art freier künstlerischer Betätigung.

Dem heutigen Stand der Technik entsprechend beschränkt sich in Echtzeit ausgegebene dynamische Grafik noch auf einigermaßen einfache Bildstrukturen, doch deutet sich bereits der nächste Schritt an: die Ausgabe real simulierter Bildabläufe. Großes Interesse daran besteht bei der Filmindustrie, wo man hofft, auf kurz oder lang die teuren Kulissen durch computergenerierte Bilder ersetzen zu können. Beispiele dafür sind bereits bekannt, etwa im Film "Tron", dessen Hintergründe zu siebzig Prozent computergeneriert waren. Allerdings gelang das nicht in Echtzeit, man war auf Einzelbildschaltung angewiesen. Es besteht aber kein Zweifel, daß sich auch diese letzte Hürde noch nehmen lassen wird.

Die Pioniere der Computerkunst bekamen von ihren Kritikern immer wieder zu hören, daß das Instrumentarium nur wenigen zugänglich sei, Computerkunst daher keine Breitenwirkung erzielen könnte. Die rasche Entwicklung der Mikroelektronik hat die Ungültigkeit dieses Einwands gezeigt. Es gibt heute billige Heimcomputer, im Preis nicht höher als ein Fernsehgerät, mit denen man nicht nur statische, sondern auch bewegte Grafik erzeugen kann. Ähnliches gilt sicher auch für die anspruchsvollen Methoden, wie sie das fotorealistische Bild erfordert – in einigen Jahren wird es auch dem privaten Benutzer zugänglich sein.

Als in den sechziger Jahren erste Beispiele von Computerkunst an die Öffentlichkeit kamen, erwartete man allgemein, daß sich Künstler der neuen Medien mit Begeisterung bedienen würden, um ihre bisher nie gebotenen Möglichkeiten auszuloten. Die Praxis hat gezeigt, daß sich bisher nur wenige zu diesem Schritt bereit fanden und damit eigentlich auch schon den Rahmen ihrer Ausbildung und ihrer Tätigkeit sprengten. Ähnlich wie bei der Fotografie und wie beim Film scheint sich hier ein neuer Berufsstand heranzubilden, vielleicht tatsächlich so etwas wie ein Künstler/Techniker – wobei sich der Begriff "Technik" nur auf die Tatsache zu beziehen braucht, daß der Betreffende die Technik des Mediums beherrscht. Für dieses neue Tätigkeitsfeld ergeben sich heute schon die verschiedensten Nutzanwendungen im täglichen Leben, wobei neben den verschiedenen Formen angewandter Kunst auch die Visualisierung von Unterrichtsstoff im Vordergrund steht. Mehr und mehr aber werden auch frei gestaltete Werke Eingang in Ausstellungen und Museen finden, und sie werden sich dort ebenso zwanglos einfügen wie das bei den Plotterzeichnungen längst schon der Fall ist.