Tobias Zapfel
'Thomas Pernes
Thomas Pernes
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' Tanztheater Wien
Tanztheater Wien
Mittwoch, 12. September 1984, 20 Uhr Brucknerhaus, Großer Saal Uraufführung
CHOREOGRAPHIE: Liz King MUSIK: Thomas Pernes DIRIGENT: Thomas Pernes INSTIGATOR: Manfred Biskup RAUMGESTALTUNG: Adi Frühauf, Liz King KOSTÜMDESIGN: Esther Linley LICHT: Manfred Biskup
TÄNZER: Harmen Tromp, Coco Auriau, Christian Camus, Esther Linley, Katalin Lörinc, Roderich Madl
AUSFÜHRENDE MUSIKER: Septett Thomas Pernes: Klavier, Synthesizer, Computer Tapes Wolfgang Reisinger: Schlagwerk, Percussion, Gongs Herbert Joos: Baßflügelhorn, Flügelhorn, Trompete, kleine Trompete Jürgen Wuchner: Kontrabaß Christian Radovan: Posaune Wolfgang Puschnig: Saxophone, Flöte, Piccolo Karl Fian: Trompete Erich Dorfinger: Tonregie Wolfgang Musil: Tontechnik Tonanlage Electro-voice
Realisation des Tonbandes im ORF und im Studio der Musikhochschule in Wien.
Wir danken der MOBIL OIL AUSTRIA AG für ihr Interesse und ihre Unterstützung dieses Projektes.
Thomas Pernes schreibt über seine Musik zu "Tobias Zapfel":
„In dieser Musik gibt es unter anderem: - möglicherweise ein Computerprogramm
- eine Bandzuspielung
- eine exakte Partitur
- aleatorischen Gestus
- Improvisationsräume
Es gibt auch: Kulminationen geballten Klang Zartes…
Und dies alles soll zu einer Musik führen, die ohne großen programmatischen Hintergrund – der meist in die Nähe einer Verlegenheitslösung kommt – bestehen kann, aussagen kann und wirkt.“
Thomas Pernes, Juni 1984
1. ZUR REALISATION DER MUSIK Die Ausgangssituation für die Produktion des Tonbandes, das dann als Zuspielband und als Basis für die Aufführung im Brucknerhaus dienen sollte, war spannend und schwierig:
In anfänglich nervöser Studioatmosphäre sollte, ausgehend von nicht exakter Notation, von proportionalem Notenbild über verbale Charakterfixierungen bis zum graphisch betonten Gestus, sollte, ausgehend von dieser von mir ganz bewußt eingesetzten Form der Notation, welche Freiräume offen läßt und Platz läßt für spontan Eingebrachtes, Musik entstehen, tragfähig genug, um den Zeitraum von über einer Stunde zu spannen, zu überbrücken. – Musik, die trotz der geforderten ursprünglich spontanen Verwirklichung Gültigkeit vermittelt. Um nun diesen schwierigen Anfang zu einem richtigen Ende zu bringen, waren notwendig, und ich muß betonen – auch vorhanden: der unbedingte Einsatz der Ausführenden, ihr Mut und ihre uneingeschränkte Freude, diese Aufgabe mit mir zu lösen – die Freude von Musikern, die – jeder einzelne Meister seines Faches – es erst ermöglichen, Musik zu realisieren, welche die Fähigkeit hat auszubrechen – auszubrechen um frei zu sein für die Verwirklichung ganz persönlicher, intimer und gerade dadurch starker Ideen, Träume und Hoffnungen.
2. WERKBESCHREIBUNG ZU TOBIAS ZAPFEL Klassisch geschultes Denken Entwicklungsdenken über große Zeiträume. Denken in großen Bögen.
Es wird hohe Konzentration, Denkarbeit in Kauf genommen, um zu dem Punkt zu kommen, von dem aus rückwirkend alles bisher Geschehene als völlig logisch erklärbar wird, wo man plötzlich alles versteht und von dem aus man getragen wird.
Plötzlich ist alles ganz leicht. - Und das sind Punkte, die man nur so erreicht:
nur durch diese geforderte, notwendige Konzentration, die sowohl der Komponist als auch dann der Zuhörer braucht.
- Das sind die Punkte oder auch "Räume", in denen man tiefer dringt, zu Erlebnissen (subtilsten Emotionsdarstellungen) dringen kann, weil man (und das der Komponist und der Hörer AKTIV) ein Podest geschaffen hat, das dann jeden Ton, jede Motivik, jeden Klang, jede Rhythmik anders klingen läßt (und nur so geht es, denn man kann ja im Prinzip immer nur mit einem begrenzten Material arbeiten – wenn auch in den verschiedensten Kombinationen, die allein aber am Material selbst nichts ändern können).
Das heißt, man muß eigentlich mit den musikalischen Elementen zaubern.
So wie Marcel Duchamp den Flaschenständer verzaubert, indem er ihn quasi auf ein Podest (ins Museum) stellt, auf ein Podest, gebaut aus einer Fülle von Gedanken.
Diese Punkte in der Musik können sich in jedem einzelnen Stück an verschiedenen Stellen befinden.
Wenn man z.B. in "Le Marteau sans Maître" von Boulez zu dem wunderschönen Schluß gelangt ist, der klanglich hauptsächlich aus weichem, nachklingendem Schlagwerk besteht, so ist man hier ganz zum Schluß an jenem Punkt angelangt.
In meiner Linz-Musik gibt es ein Beispiel, das man wahrscheinlich leicht verfolgen kann, da hier ein und dasselbe Material zweimal gebracht wird – und das zweite Mal nach einer Entwicklung.
Es gibt hier den Ton "Fis", der zuerst vorkommt als zentralorientiert. Das heißt, das "Fis" wird als Tonzentrum verwendet, von dem man ausgehen kann, aber zu dem man gleichsam als Auflösung wieder zurückkehrt.
(So wie in der funktionsharmonisch orientierten Musik – der "tonalen Musik" – in der Kadenz das gesamte Grundprinzip von: Ausgangspunkt – Wegführen – und im Zurückkehren: Auflösen enthalten ist.)
Das erste "Fis" (das in vier direkt aufeinander folgenden Klangkomplexen vorkommt) ist Tonzentrum.
Und dieses erste "Fis" wird verwandelt und wird beim 2. Male, gegen Ende des Stückes, umgewandelt in den Grundton "Fis". – Den Grundton für einen Klang, der aus einem Schweben zwischen Fis-Dur und fis-Moll besteht.
Es wird hier ein Grad an Auflösung erreicht, der viel stärker ist und weiter geht als der des ersten "Fis"-Komplexes, der trotzdem nicht "tonal" ist, weil dieses Fis-Dur-Moll ohne funktionsharmonischen Zusammenhang frei im Raum steht, der aber – wenn diese Musik gelungen ist – das darstellt, was ich vorhin mit "plötzlich ist alles ganz leicht" angedeutet habe.
Andrea Amort: ANMERKUNGEN ZU ÖSTERREICHS NICHT-KLASSISCHER TANZSZENE Ein Niemandsland, eine verödete Tanzlandschaft, in der Reste einer ehemals reichen Tradition einfach verschüttet dalagen. Das war Österreichs nicht-klassische Tanzszene noch vor wenigen Jahren. Erst in letzter Zeit entwickelte sich eine recht bunte Szene in Wien, die vor allem mit vielen Schulneugründungen zu tun hat. Darin verwickelt sind aber auch Wiens Stadtväter, die ein verstärktes Bestreben zeigen, große Tanzfestivals zu organisieren, zuletzt "Tanz '84". Die tänzerische und choreographische Saat, die jetzt aufgeht, ist somit eine frisch gesäte. Die neue Wiener Tanzszene, vorwiegend von hier seßhaft gewordenen ausländischen Tänzern geführt, schließt an keine Wiener Tradition an und setzt auch keine fort.
Zu lange ist es wohl schon her, daß Wien ein eigenständiges, dem modernen Tanz verhaftetes Tanzleben vorweisen konnte. Ein solches hatte nach den spektakulären Gastspielen der amerikanischen Pioniere des Modern Dance, Loie Fuller, Isadora Duncan, Maud Allan und Ruth St. Denis, 1907 mit dem ersten Auftritt von Grete Wiesenthal und ihren Schwestern, spätestens aber 1924 mit der Verlegung der Bildungsanstalt für Musik und Rhythmus Hellerau bei Dresden nach Laxenburg bei Wien begonnen. Zu ihren berühmtesten Absolventen zählt die in Wien lebende Tänzerin, Choreographin und Pädagogin Rosalia Chladek. In den dreißiger Jahren bestimmten u.a. die Tanzgruppen von Gertrud Bodenwieser und Gertrud Kraus sowie Ellinor Tordis und Hanna Berger die blühende Wiener Tanzszene. Der Zweite Weltkrieg vernichtete viel von diesem schöpferischen Potential. Zwar unterrichteten Chladek und Wiesenthal (gest. 1970) auch weiterhin ihre spezielle Tanzweise und traten mit eigenen Ensembles auf. Beide konnten sich aber gegen die Wiener Vorherrschaft des klassischen Balletts und — in späteren Jahren — gegen die zunehmende Verbreitung der amerikanischen Modern-Dance-Techniken nicht behaupten. Ihre einmalige historische Leistung steht jedoch außer Frage.
Wenn Wien nun seit 1982 das Tanztheater Wien sein eigen nennt, so ist das mehr als ein purer Zufall. Denn daß die Choreographin Liz King in Österreich zu arbeiten begann, hatte vorerst einmal rein private Gründe. Mittlerweile ist um die gebürtige Engländerin Österreichs einziges, vollprofessionelles Modern-Dance-Ensemble entstanden, das auch Wiener Tänzer zu seiner Gruppe zählt.
Jedes der drei tanzenden Gründungsmitglieder hatte sichere Engagements aufgegeben, um endlich auf seine Weise zu tanzen.
Die traditionelle Ballettwelt war für sie nicht mehr länger interessant.
Was Liz King und Manfred Biskup (Organisator, Dramaturg), Esther Linley und Harmen Tromp vorhaben, ist, eine eigenständige Form des Tanztheaters zu finden. Als Abbild und Spiegel unserer Gegenwart, als Gradmesser des vielzitierten Zeitgeistes.
Im Herbst 1982 gegründet, gelangen dem Tanztheater Wien in der ersten Saison über 40 Auftritte. Das Ensemble gastierte in Linz und Salzburg, Frankfurt ("Festival-Bestanzaufnahme"), Holland (u.a. Den Haag HOT-Festival) und Ungarn. Seit kurzem verfügt das unabhängige Tanztheater über ein eigenes Studio. Drei zusätzlich engagierte Tänzer haben feste Verträge, zwei Eleven werden ausgebildet.
Die Choreographien des Tanztheaters Wien vermitteln überaus konfliktreiche Geschichten. Ihr Stil entsteht aus einer Mischung aus klassischem Ballett, Modern Dance, Contact-Improvisation und Kings eigentümlich fragendem, zutiefst menschlich wirkendem Bewegungsvokabular. In den letzten Arbeiten ging es Liz King nicht so sehr um die rein tänzerische Umsetzung von Musik, als um vertanzte Botschaften.
Anfangs waren die Choreographien stark mit formalistischen und räumlichen Problemen befaßt. King versuchte die Bewegungen zu minimalisieren, gleichzeitig aber ein unerhörtes Ausmaß an physischer Leistung zu erzwingen. In "Westwärts" (1983) hatten die Tänzer mit aller Kraft so lange zu springen und hart auf dem Boden aufzuklatschen, daß es an Selbstzerstörung grenzte. Schon "On Land" (1983) zeigte eine stilistische Beruhigung, die der emotionalen Ausdruckskraft aber keinen Abbruch getan hat. In "Afrika Afrika" läßt King ihr Ensemble im besten Sinn wieder tanzen.
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