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Ars Electronica 1984
Festival-Programm 1984
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Festival 1979-2007
 

 

Großer Preis der Ars Electronica




Donnerstag, 13. September 1984, 20 Uhr
Brucknerhaus, Mittlerer Saal

TEILNEHMER:
Martin Hurni (Schweiz)
Walter Schröder-Limmer (BRD)
Hans-Werner Schwarz (BRD)
Manfred Seifert (BRD)
Dorothy Stone (USA)

JURY:
Dr. Robert Moog (USA), Vorsitzender
Tom Darter (USA)
Dr. Klaus Buhlert (BRD)
Mike Beecher (GB)
Dr. Heinz Josef Herbort (BRD)
Leo Küpper (Belgien)

MODERATOR: Walter Zimmermann (BRD)

GROSSER PREIS DER ARS ELECTRONICA
Von einer internationalen Fachjury wird zum vierten Mal der "Große Preis der Ars Electronica " für die originellste und zukunftsweisendste Neuentwicklung im Bereich der elektronischen Klangerzeugung vergeben. Die Teilnehmer am "Großen Preis" haben vom frühen Nachmittag an die Möglichkeit, ihre Klanginstrumente dem Publikum zu präsentieren. Die Vergabe des Preises erfolgt während der öffentlichen Abendveranstaltung.

Bisherige Preisträger des Großen Preises der Ars Electronica sind Bruno Spoerri mit dem "Lyricon", Nyle Steiner mit der "Elektronischen Trompete" und Ivan Tcherepnin (USA).

Die Ausschreibungsbedingungen wurden von Dr. Robert Moog erarbeitet. Auszug:
Der Große Preis der Ars Electronica will neue Entwicklungen im Bereich der elektronischen Klangerzeugung fördern. Der Große Preis der Ars Electronica ist ein Forum für Künstler, die mit elektronischen Geräten arbeiten und deren Musik Originalität im Konzept, Beherrschung der technischen Ausrüstung und einen hohen Standard an Musikalität beinhaltet. Die folgenden Regeln basieren auf der Ansicht, daß ein neues künstlerisches Medium nur insoweit wertvoll ist, als es Künstlern ermöglicht, ansprechende Kunstwerke zu schaffen, die in eine interessante und aufregende Zukunft weisen.

Wer ist zugelassen:
Jeder Künstler oder jede Gruppe von Künstlern darf am "Großen Preis" teilnehmen.

Zugelassene Instrumente und Ausrüstung:
Folgende Bewerbungen sind zugelassen:
  • Musiker, die elektronische klangerzeugende oder modifizierende Ausrüstung verwenden, die sie selbst gebaut haben,


  • Erfinder, die auf ihren eigenen elektronischen Musikinstrumenten spielen,


  • Musiker, die eine Ausrüstung verwenden, die in Zusammenarbeit mit einem Erfinder besonders angefertigt wurde.
Akustische Klangquellen dürfen verwendet werden, vorausgesetzt, daß der Großteil des Klangmaterials elektronisch erzeugt oder verarbeitet wird.

Kriterien für die Beurteilung;
Da der Bewerb dazu dient, Künstler und/oder Erfinder anzuerkennen, die über musikalische Kreativität, Beherrschung des elektronischen Instrumentes und ausgezeichnete Musikalität verfügen, werden von der Jury folgende Kriterien vorausgesetzt:
  • Kreativität im Konzept:
    Darbietungen, die auf musikalisch gültigen Originalkompositionen oder Neuinterpretationen basieren, werden höher bewertet als konventionell ausgerichtete Darbietungen.


  • Beherrschung der technischen Ausrüstung:
    Eignung der Ausrüstung und Qualität und Originalität der Vorführtechnik werden berücksichtigt.


  • Musikalität:
    Es wird ebenfalls beurteilt, in welchem Ausmaß die Darbietung die technische Ausrüstung in eine künstlerische Aussage überträgt.
DIE TROPHÄE Der Große Preis der Ars Electronica ist ein Denkmal für den besten von der Jury ausgewählten Teilnehmer. Es steht eine zirka acht Zentimeter große Figur aus Gold und Silber in freudentanzender Pose auf einer Siegessäule.

In dieser durchsichtigen Stele Sind Oszillatoren eingebaut, die mittels Klatschschalter funktionieren. Wenn also das Publikum bei der Überreichung dem Künstler Beifall klatscht, so leuchtet es in der Trophäe blitzend auf. Der gefeierte Sieger steht sozusagen im "lebendigen Rampenlicht" des verdienten Applauses.
Altmüller–Bogner
MARTIN HURNI

"Nach längerer Erfahrung mit elektronischen Musikinstrumenten ist mir bewußt geworden, daß deren Beschränkungen heute weniger im Bereich der Klangerzeugung liegen, als in der spielerischen Verbindung zwischen Musiker und Instrument. Aus dieser Einsicht entstand mein Plan, die Spieltechnik des Saxophons auf elektronische Instrumente anzuwenden. Daraus resultierte mein selbstgebautes SYNTHOPHON. Die klangliche Identität des SYNTHOPHONS ist völlig variabel, da es fast jedes beliebige elektronische Instrument dreidimensional ansteuern kann: Griffmuster, Lippendruck und Blasdynamik werden als frei einsetzbare Parameter verwendet, was dem Musiker einerseits bekannte, andererseits aber auch ganz neue Spielformen eröffnet. Aufgrund der identischen Erscheinungsform zum Saxophon kann der Instrumentalist auf den bereits erlernten Spieltechniken aufbauen und sich primär auf den musikalischen Ausdruck konzentrieren. In Verbindung mit Computermusikinstrumenten lassen sich beispielsweise umfangreiche Musikprogramme im Studio vorbereiten, welche dann live gespielt und mit dem SYNTHOPHON improvisatorisch ergänzt werden können."

Martin Hurni
Zur Komposition: „IKAROS UND DÄDALOS“ "Ikaros und Dädalos" ist eine SUITE für SYNTHOPHON & COMPUTERBEGLEITUNG mit den Sätzen:
  • Meister Dädalos

  • Begegnung mit König Minos

  • Im Labyrinth

  • Höhenflug

  • Trauer um Ikaros
Die Instrumente der griechischen Antike waren die LYRA und KITHARA, beides Saiteninstrumente, sowie der AULOS, eine Art Doppel-Oboe. In der Suite "Ikaros und Dädalos" stellt das SYNTHOPHON eine Art AULOS des 20. Jahrhunderts dar, währenddem die COMPUTERBEGLEITUNG die Funktion der KITHARA übernimmt.

Natürlich wird nicht versucht, antike Instrumente zu imitieren, sondern neue, dem Instrumentarium entsprechende Klangvorstellungen zu realisieren. Besondere Beachtung erhalten die unterschiedlichen Raumdimensionen der einzelnen Sätze, die mit einem programmierbaren Digitalhallgerät simuliert und während der Aufführung mehrfach verändert werden.

Die COMPUTERBEGLEITUNG ist kompositorisch festgelegt, die musikalischen Themen des SYNTHOPHONS jedoch sind nur motivisch vorbestimmt und werden live improvisatorisch weiterentwickelt.
Obwohl das Synthophon vielseitig eingesetzt wird, ist es nicht möglich, das Instrument in einer einzigen Komposition umfänglich vorzustellen!

Instrumentarium für "IKAROS UND DÄDALOS":

1. Synthophon
Saxophon-ähnliches Instrument, das für Griffmuster, Lippendruck und Blasdynamik je ein Steuersignal liefert und frei verwendet werden kann: konventionell ist 1 Volt/Oktave für Tonhöhe, Klangfarbe und Vibrato, jedoch kann jeder der drei Steuerausgänge auch ungewöhnlich eingesetzt werden (z.B. Griffmuster steuert Klangfarbe, Blasdynamik steuert die Tonhöhe … etc.).

2. Synthesizer
Der Selbstbau-Synthesizer PROTEUS 1 eignet sich zum Ansteuern mit dem Synthophon besonders, da er sowohl über ein Steckfeld verfügt als auch über die Möglichkeit, Einstellungen abzuspeichern.

3. Apple II mit Mountain Music System
Variable Orchestrierung und die Möglichkeit, Sequenzen im Computer abzuspeichern, ermöglichen es, umfangreiche Kompositionen einzuspielen und live abzurufen.

4. Ibanez Analog Delay
Klangverarbeitung für Synthesizer und Computersignale im Zeitbereich.

5. MXR 01 Reverb
Programmierbares Digitalhallgerät, das für die verschiedenartigen Raumsimulationen in der Komposition eingesetzt wird.

6. Bergbow Mischpult
Die Mischpultausgänge führen auf die beiden vorderen Lautsprecher. Sofern eine Anlage in quadro vorhanden ist, sollten zwei Kanäle vom Hallgerät direkt auf das hintere Lautsprecherpaar gegeben werden.
WALTER SCHRÖDER-LIMMER
Der Zyklus "Synthetic Landscape" (1977/79) simuliert eine akustisch-visuelle Landschaft. Es gibt Töne, Klänge und Geräusche, die realen akustischen Ereignissen ähneln, diese aber nicht imitieren wollen. Visuell entstehen digitalisierte Landschaften, die zusätzlich moduliert, strukturiert und abstrahiert werden. An bestimmten Punkten scheint die Landschaft wieder rekonstruiert zu sein, das erweist sich jedoch als Trugschluß, denn über die scheinbare reale Landschaft wölbt sich ein künstlicher Plastikregenbogen.

Computer und Synthi
  1. Das Signal wird in der digitalen Matrix in sieben Helligkeitswerte zerlegt. Jeder Helligkeitsstufe können dann Farben zugeordnet werden, gleichzeitig wird eine Backgroundfarbe festgelegt.


  2. Vom Signal erscheinen nur die Ränder (Edge), diese können schmal und dick, positiv oder negativ abgebildet werden.


  3. In der Einheit "Flip-Flop" gehen waagrechte Linien in Abhängigkeit von der Helligkeit vom externen Signal aus, das Ergebnis ist eine schemenhafte Abstraktion des Ausgangsbildes.


  4. Ein verzögertes Bild entsteht im Delay, in Kombination z.B. mit "Edge" ergeben sich dann optische Echo-Effekte.


  5. Im Überlagerungsgatter (Overlay Gate) können unterschiedliche Überlappungen und Offset-Eindrücke hergestellt werden.


  6. In der Einheit "Invert" werden alle Elemente entsprechend invertiert.


  7. Sendet man Signale der digitalen Matrix (DSM) zur analogen Matrix (ASM), so ergeben sich sogenannte "Halo"-Wirkungen, vergleichbar mit einem Kometenschweif oder komplizierten Helligkeitsverschiebungen.
Auch der Videosynthi hat einen analogen Eingang für NF-Signale. Dieser "Audio-Input" führt zur analogen Matrix und hier lassen sich die ankommenden Töne zur Steuerung der Pattern und shapes nutzen. Er ergibt sich so eine rhythmische Beeinflussung des Bildes bis hin zu Oszilloskop-artigen Modulationen.
HANS-WERNER SCHWARZ
Das Ballex-System
Kurzbeschreibung:

Das Ballex-System dient der Umwandlung, Übertragung und Aufbereitung von tänzerischen Bewegungen in Kontroll-Spannungen zur Steuerung von Musik-Synthesizern. Die Bewegungsabläufe führen dabei unmittelbar zu Klangveränderungen, die durch einen Lautsprecher hörbar gemacht, vom Tänzer oder der Tänzerin wieder aufgenommen und weiter beeinflußt werden können. Es entsteht somit ein Regelkreis in kybernetischem Sinne, der sich zur Gestaltung von elektronischer Musik eignet, insbesondere auch durch die optisch-akustischen Zusammenhänge.

Im einzelnen besteht das Ballex-System aus bewegungsaufnehmenden Sensoren, der Übertragungseinrichtung, einer Anordnung zur Aufbereitung und Anpassung der Signale und einem Synthesizer mit Verstärker und Lautsprecher.

Die Sensoren wandeln die Bewegungen z.B. von Armen und/oder Beinen in proportionale Spannungswerte um. Sie sind ebenso wie die Übertragungseinrichtung so angeordnet, daß sie den Bewegungsablauf nicht behindern. Im Anschluß an die Empfangsseite der Übertragungseinrichtung folgt eine Anpassungsstufe, die die Signale so aufbereitet, wie sie zur Steuerung eines Synthesizers benötigt werden. Die bewegungsabhängigen Signale können so zur Steuerung von Modulen wie z.B. VCO, VCA, VU usw. dienen. Man kann sie mit anderen Kontrollspannungen summieren oder modulieren oder auch Trigger- und Gate-Funktionen davon ableiten.
MANFRED SEIFERT
Vertonte Zärtlichkeit Eine Frau sitzt auf einer Chaiselongue im Morgenmantel
Der Akteur tritt hinzu (Sprechgesang monoton: "Ich liebe dich")
Er übergibt eine Blume aus Neonröhren (Lichtimpuls schaltet den elektronischen Herzschlag)
Sie erwidert das "Ich liebe dich" (kurzes Duett)
Ein neben der Chaiselongue stehender Plattenspieler mit romantischer Musik wird eingeschaltet (leise Untermalung; harmonisch)
Die Frau legt sich längs. Der Akteur kniet nieder und beginnt mit langsamer Bewegung den Körper abzutasten (Die Frau trägt den mit elektronischen Kontakten versehenen fleischfarbenen Bodystretch)
Die Frau liegt regungslos (verstellt den Herzschlagrhythmus sich steigernd, schneller)
Die Bewegungsabläufe (Tonfolgen) des Akteurs werden ebenso schneller (disharmonisch, aktiv, unkontrolliert)
Die Frau erhebt sich und spielt ein Schlagzeug, das seitlich der Chaiselongue steht (rhythmisch, als Symbol des Beischlafs)
Der Akteur versucht dem Rhythmus gerecht zu werden und "spielt auf der schlagzeugspielenden Frau dazu". (Versuch der größtmöglichen Harmonie)
DOROTHY STONE
Beschreibung von "Ghost Electronics" ("Geister-Elektronik")
Die "ghost-box" ("Geisterkiste") ist eine einzigartige Methode, Elektronik und Live-Aufführung so zu vermischen, daß der Effekt der Elektronik nicht zu hören ist, soferne nicht der Aufführende ein Geräusch macht.
Der Part des Geistes besteht aus zwei Teilen: einem Tonband und einer kleinen Ladung Elektronik. Das Band enthält hochfrequente Audiosignale, die nicht verstärkt werden, sondern als Steuerung für die Elektronik dienen. Die Elektronikausrüstung besteht aus einem Stereolocator, einem Ringmodulator, Amplitudenkontrolle und einem Filter, außerdem benütze ich ein Lautstärken/Wah-Pedal und einen Oktaventrenner.

Die Idee zur Geisterkiste stammt von Morton Subotnick, entworfen wurde sie von Don Buchla und konstruiert von John Payne am California Institute of the Arts. Mich hat diese Idee gefangen, als ich Subotnicks "Parallel Lines" für Piccolo Solo mit Geisterelektronik gespielt habe. Ich hatte schon viele Jahre in Elektronikstudios gearbeitet, die Grundlagen der Elektronik bei John Payne studiert – und so zogen John und ich aus, ein System zu bauen, das – unter Verwendung der ursprünglichen Idee – speziell für meine Anforderungen in einer Live-Aufführungssituation geeignet wäre. Im Prinzip haben wir das ursprüngliche System dahingehend verändert, daß wir größere Flexibilität bei einer weiten Spanne von Anwendungen erzielt haben.

Dies ist das erste Stück, bei dem dieses System zur Anwendung gelangt, und ich freue mich schon auf weitere Experimente.