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Ars Electronica 1984
Festival-Programm 1984
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Festival 1979-2007
 

 

Theater der Töne


' Altmüller, Bogner Altmüller, Bogner / ' Egger, Mechtler, Schu Egger, Mechtler, Schu

TURBULENTE OPERETTE IN ELEKTROAKUSTISCHER MANIER (Uraufführung)

Dienstag, 11., und Donnerstag, 13. September 1984, 20 Uhr
Posthof, Großer Saal

VISUELLE GESTALTUNG: Altmüller-Bogner (Linz)

KOMPOSITION UND MUSIKDRAMATURGIE: Egger-Mechtler-Schu (Wien)

AKTEURE:
Moidi Kretschmann
Musikkapelle Gramastetten
Ulla Gruber
Ingrid Höller
Helga Holzmann
Brigitte Justl
Elisabeth Schick
Grete Szova
Peter Sommerfeld
Arthur Singer
Ulli Altmüller
Pepi Oberauer mit St. Florianer Streichquartett
Heinz Wustinger mit Theatergruppe
Hildegard Steiger

MUSIKTECHNIK: Wolfgang Musil

(In Zusammenarbeit mit dem alternativen Kulturzentrum Posthof)
Eine Ausstellung zum "Theater der Töne" ist täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet.

THEATER DER TÖNE
Jedem Ton seine eigene theatralische Form, jedem Ton sein "Theater". Theater in seiner ursprünglichsten Form – als Schauplatz, als Platz von tönenden Ausdrucksformen, die am Zuschauer vorübergleiten – als eine Art "Musiktheater".

Ein Akustikhimmel – ein System aus hundert kleinen Lautsprechern und einer Lautsprecheranlage – ermöglicht, abwechslungsweise Klangbilder, Klangfarben und Musikkompositionen zuzuspielen.

Geräusche werden zu Tönen, Töne zu Objekten, Objekte zu Bühnenbildern, Bühnenbilder zu Gewändern, Gewänder zu Geräuschen. Dieses Sich-Aufheben und Aneinanderreihen von Klang und Optik erlaubt den Charakteren, ihrem Stellenwert Schritt für Schritt gerecht zu werden, ihr typisches Eigenleben zu entfalten, einerseits ihrer Isolation zu entkommen, andererseits ihrem Außenseiterdasein entsprechenden Ausdruck zu verleihen.

Ablauf und Handlung des Stückes werden durch Verwendung verschiedener Tonerzeugungsmöglichkeiten komponiert – zum einen durch rauschende, quietschende Gewänder, rasselnde Musikobjekte und bunte, florierende, sich bewegende Bühnenbilder – zum anderen verändern elektronische Mittel die Töne, oder verstärken kleine Kontaktmikrophone natürlich entstehende Klänge von Schauspielern oder Objekten. Es entsteht vielleicht eine Art Entfremdungstechnik, die die Machtlosigkeit bzw. die Macht des Tones und Geräusches in Verbindung mit anderen künstlerischen Ausdrucksformen demonstriert.

Unter Berücksichtigung dieser Faktoren, dieser spielerischen, spaßhaften Abfolgen, realisiert sich wiederum das Zusammenwirken der drei Komponenten – Musik, Optik, Schauspiel.

Die Autoren:
"Wunderlich anmutende Billeteure bitten Platz zu nehmen. Schwül diffuse künstliche Lichter erzeugen eine weiß Gott nicht angenehme Stimmung, und erst durch die leichten, zarten Töne aus Hunderten Lautsprechern verlassen wir die Schwüle und gelangen langsam in eine frohlockende, heitere Atmosphäre.

Plötzlich pengt lichtblitzender Farbenschein herein, und zwitschernd springen übermütige Hupenhopser aus dem blendenden Grell. Unförmige, aus Pfeifenlöchern quietschende Dicke fallen, torkeln, rollen.
Dunkel, leis das Aufkommen von Süße, so leicht.

Beklemmend, lustsingend errötende Wallung! soviel mehr, bis der Ton sich zeigt. Ein Maikäferheldenleben.
So stärker werdend, bis endlich der Ängstlichkeit Süße entsteigend, Lachen entweicht.

Tassilo richtet sich lauschend auf:
'Das ist bei der Klause, wahrscheinlich ist es ein Tourist oder gar ein Rockländer, der sich im Hinterhof des Gasthof Post verlaufen hat.'

Er faßte die Ruder und begann mit aller Kraft zu ziehen. Noch ehe sich das Boot der Mündung des Baches näherte, konnte Tassilo schon die wartende Gestalt im Mondeslicht erkennen.
Der Fremde trat an den Kahn heran, und im klaren Mondschein erkannte Tassilo den jungen Künstler.
'Bruckner, Sie?'
'Ich kriegs nicht rein.'
'Komm, ich helf Dir.'
Mit beiden Händen griff er sich an seine Schläfen und keuchte:
'Olleweu packts mi wieder'
und das Fest begann…"

Theater der Töne
Getragen wird die Realisierung durch die Zusammenarbeit von aus verschiedenen Bereichen kommenden Künstlern, die aus sehr unterschiedlicher Position an diese Aufgabe herangehen. Dadurch kommt es zu einer gegenseitigen Befruchtung der Ideen, die dieser Aufführung ureigenstes Gepräge geben.

Zur realistischen Verwirklichung unserer Komposition war die Idee des "Akustikhimmels" ein System aus 100 computergesteuerten Lautsprechereinheiten, Pulsation, Zirkulationen; dynamische Abläufe, die mit Hilfe modernster Technik, Verbindungen zur visuellen Ebene spontan entstehen lassen.

Durch die Reproduktionstechniken wird Musik heute weitgehend entemotionalisiert, entmythologisiert und somit der Hörer zum passiven Empfänger.

Unsere Musik, wenn sie den Lautsprechern entspringen mag, stellt Präsensfunktion dar. Weg mit dem gewöhnten Reproduktionscharakter. Der gegenwärtige Klang muß physisch und psychisch dargestellt sein.
Peter Mechtler:
AKA 2000
Ausgangspunkt der Überlegungen war ein universelles System zur Klangsynthese, Klangverarbeitung und Klanganalyse zu schaffen, ohne zu sehr an einen bestimmten technischen Entwicklungsstandard gebunden zu sein.

Der daraus folgende modulare Aufbau erlaubt das Ersetzen einer Funktionsgruppe durch eine in neuester Technologie gebauten, mit einer entsprechenden Steigerung der Leistungsfähigkeit, ohne daß dabei ein total neuer Aufbau des Systems erforderlich ist.

AKA 2000 ist ein Multiprozessorsystem, das sehr stark auf die parallele Verarbeitung von Daten ausgerichtet ist. Dem Einsatz im musikalisch-künstlerischen Bereich entsprechend, wurde besonderes Augenmerk auf die Variabilität der Bedienung (Man Machine Interfaces) gerichtet. Durch eine total hardware-mäßige Trennung dieser Bedienungseinheiten von der Einheit der digitalen Audiosignale wird dieses Konzept unterstützt. Ein entsprechendes Software-Paket schafft die Verbindung zwischen diesen zwei Funktionsgruppen.

AKA 2000 ist ein offenes System, um neue Formen des Einsatzes von Computertechnologien im Bereich der Kunst experimentell erfassen zu können.
Manfred Schu:
„UBIUBI“ DER WEG, NOCH KUNST ZU TREIBEN
Um einen Schritt in die Kunst zu tun, muß man sich erst mit einem von ihr entfernen, um die Verbindung zu erstellen, zum Fernen, dem Niederschreiben von Tun, welches um so mehr man umherwandert, verwirrt und ermöglicht, daß z.B. der Astrophysiker, der Tischtennisspieler oder ein Liebespaar Hinzufügung und weitere Erkenntnis auf ihrem Gebiet erfahren; Komplexität wird reflektiert.

Studiere die Zehe deiner Großmutter, um ein guter Komponist zu werden!

Aber, indem ihr sie studiert, müßt ihr schon wieder weiter, zum Apfelbaum, um die Zeit zu wissen, um voraus zu eilen. UbiUbi heißt vielleicht sich mit der Stille, der Leere beschäftigen, dort befinden, wo man zu hören, zu sehen meint; wie z.B. bei der Beschallung von Flüssigkeiten und der damit verbundenen Lösung des Kreises von Ursache und Wirkung, denn wenn die Gerade nur gerade scheint und somit keine Hoffnung zeigt, ist sie mißglückt. Das Unbekannte ist hier die Abweichung von der Ruhelage, und diese die einzige Bewegungsmöglichkeit.

Man muß einige Zeit schweigen können, um die Sprache zu finden; der gotische Kopf kann es gut!

Der Einsatz des Einhornhorns erklärt die Stille. Wird es in einer Komposition gespielt, dann versteht man sie erst. So ist es ein wichtiges Instrument der neuen Musik, wird nicht gespielt gleich den Pausen, sondern gleich den Sirenen; sie erst erfüllen die Stille.

Lieben sie eine Milbe und sie können ihrer Komposition eine wichtige Note hinzufügen, die Luft hat ihre Schuldigkeit getan.

Kreis Antinome Urmuse
Dient zur Schaffung eines kulturellen Klimas, welches es ermöglicht, die historisch bedingte Trennung von Kunst und Wissenschaft, Spiel und Arbeit, privater und öffentlicher Sphäre in gesammeltem Irrtum zu begreifen.

Intelligible Antinomie Symphonie
besteht aus zwei Halbkreisen mit jeweils 25 Contrabässen und 25 Schlagwerken, wobei die Sektionen teilweise elektronische Veränderungen erfahren.

Rücken an Rücken durchleben die Dirigenten
UbiUbi – Stock
Teufelsgeige
mit den Musikern die Tabulaturen.

Ein Manifest von brodelndem Eis, oder Astrologie geleutert, oder sonst ein was.
Drei Sätze führen über ein improvisatorisches Mittelstück in ein anderes Zeitkontinuum.

Komposition: Manfred Schu, Schlagwerke; Peter A. Egger, Streicher

… wir akzeptieren den Menschen nicht länger als "Nebenprodukt der Zivilisation!" UBIUBImus und DUALEIN fordern STILLE für jeden.

Die technische Verwirklichung der Komposition zum "Theater der Töne" wurde durch Unterstützung des Institutes für Elektroakustik und experimentelle Musik an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien realisiert. Dieses Institut ist integraler Bestandteil der Hochschule und umfaßt Studiotechnik, elektronische Musik und Computermusik. Daneben werden auch Forschungsprojekte verschiedener Größenordnung betreut; AKA 2000, neue elektronische Musikinstrumente und Simulierung von musikalischen Stimmungen.