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Ars Electronica 1984
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Holographie / Kubismus unserer Zeit


'Matthias Lauk Matthias Lauk

HOLOGRAPHIE - DIE WELT AUS LICHT UND LASER

Präsentation des Museums für Holographie und neue visuelle Medien (Pulheim, BRD)

Konzeption: Matthias Lauk

Dienstag, 4. September, bis Sonntag, 30. September 1984
Stadtmuseum Nordico
(Öffnungszeiten täglich 9–18 Uhr)

Matthias Lauk: HOLOGRAPHIE – KUBISMUS UNSERER ZEIT
Die Erfindung der Holographie ließ einen der ältesten Wunschträume des Menschen Wirklichkeit werden. Seit den frühesten Anfängen seiner Kulturgeschichte ist der Homo sapiens bemüht, sich in seiner Umwelt möglichst realistisch abzubilden: sich zu reflektieren – in jeder Bedeutung des Wortes. Schließlich zeichnet sein Denkvermögen den Menschen gegenüber allen anderen Kreaturen aus. In der Holographie – als künstlerischem Ausdrucksmittel – hat die Fähigkeit der Selbstdarstellung, der Selbstreflexion eine bisher nicht geahnte Vollendung gefunden. Durch Holographie ist es nämlich möglich geworden, wirklich dreidimensionale Abbildungen zu schaffen. Die Höhlenmenschen der Steinzeit schmückten ihre Behausungen durch große Wandbilder. Auf diesen Höhlenmalereien waren, mit bescheidenen Mitteln gezeichnet, wichtige Bestandteile der damaligen Umwelt zu finden wie Tiere, Werkzeuge, Waffen und Kultgegenstände.

Eine Geschichte, die uns der römische Schriftsteller Plinius aus den Anfängen unserer humanistischen Bildung überlieferte, dokumentiert besonders augenscheinlich den Wunsch, unsere Umwelt möglichst perfekt abzubilden. Angeblich fertigte der griechische Maler Zeuxis innerhalb eines Wettstreites das Bild eines Früchtetellers derartig plastisch und perfekt, daß sich sogar die Vögel unter dem Himmel täuschen ließen und auf das Bild flogen, um die Trauben zu picken.

Der nächste große Anlauf zur dreidimensionalen Wiedergabe wurde während der Renaissance genommen, als in Florenz von Utrillo und anderen die perspektivische Zeichenweise entdeckt und eingeführt wurde.

Der Mensch, der sich mit Beginn der Neuzeit in atemberaubendem Tempo die Erde untertan machte, muß im bildnerischen Bereich seine Unfähigkeit, eine perfekte dreidimensionale Reproduktion seiner Umwelt zu schaffen, bis heute als Makel empfunden haben.

Die Geschichte der Fotografie wurde von Anfang an begleitet von zahllosen Versuchen, in das flache Bild die erstrebte Plastizität zu bringen. Stereografie, die rotgrüne Anaglyphen-Technik, Polarisationsverfahren und Viewmaster sind wohl die bekanntesten der Pseudo-3D-Techniken, die alle einen entscheidenden Nachteil haben: Um den 3D-Effekt zu erleben, bedarf es zusätzlicher Sehhilfen, Brillen der verschiedensten Macharten.

Die Holographie endlich ermöglicht es, Bilder frei im Raum schweben zu lassen, Körper und Gegenstände derart zu reproduzieren, daß sie plastisch im Raum erscheinen.

Holographie ist natürlich, für sich genommen, keine Kunst. Genausowenig ist ein Pinsel und ein Stück Papier oder Leinwand Kunst. Niemand auch käme auf die Idee, einen Anstreicher als Künstler zu bezeichnen. Genausowenig ist ein Holograph ein Künstler. Holographie ist lediglich ein Verfahren, eine technische Methode, Lichtinformationen zu speichern.

Das holographische Endprodukt, das Hologramm, ist etwa einer Schallplatte vergleichbar. In der Schallplatte sind Töne codiert, die früher mit Hilfe eines Tonarmes, heute mit Hilfe eines Laserstrahls (also ebenfalls mit Licht!) abgerufen werden. In der Hologrammplatte sind überlagerte Lichtwellen in Form von Interferenzmustern (vgl. vorstehender Beitrag) gespeichert, die wiederum mit Licht aktiviert, also abgerufen werden.

Kein Wunder, daß dieses neue Medium von Anfang an auch Künstler faszinierte. Carl Frederik Reuterswärd, Bruce Naumann und Salvadore Dali gehören sicherlich zu den zeitgenössischen Künstlern, die dieses Medium schon früh entdeckten und nutzten. In Zusammenarbeit mit befreundeten Ingenieuren und Technikern ließen sie Hologramme anfertigen, die von ihrer schöpferischen Kraft belebt waren. Doch reichte hier speziell zu Beginn der siebziger Jahre die künstlerische Fantasie meist weiter als die technische Realität.

Damals waren ausschließlich Lasertransmissionshologramme möglich. Das waren Hologramme, die nicht nur zur Aufnahme, auch zur Wiedergabe Laserlicht benötigten und von daher in ihrer Breitenwirkung limitiert waren.

Von den genannten Künstlern blieb einzig Reuterswärd dem Medium bis heute treu, wobei sein intellektueller Witz sein gesamtes holographisches Oeuvre profiliert. So fertigte er für Denis Gabor, den Erfinder der Holographie, ein Hologramm zum Geburtstag als Hommage. Das 50´60 cm große Lasertransmissionshologramm "Gateau Gabor" zeigt eine große Geburtstagstorte mit 70 brennenden Kerzen.

Im Hologramm kann nun alles gezeigt werden, nur kein Licht, da die holographische Aufzeichnung nichts anderes als ein Spiel mit dem Licht ist. Wärme allerdings, die physikalische Begleiterin des Lichtes, wird im Hologramm sichtbar. Folglich erscheinen auf der Torte 70 rauchende Kerzen.

Das Aufzeigen holographischer Grenzen als Geburtsgeschenk an den Erfinder ist eine echte Reuterswärd-Idee.

"Meeting" (Zusammentreffen) heißt eines der populärsten Hologramme, die von dem amerikanischen Künstler Rick Silberman geschaffen wurde.

Silberman holographierte ein Weinglas und fertigte dies in einer 24er Edition als Hologramm. Das Glas scheint bei der Wiedergabe exakt vor der Hologrammplatte zu stehen.

Tatsächlich aber steht auf einem kleinen Tableau, das mit dem Rahmen des Hologramms verbunden ist, ein zerbrochenes Weinglas. Das zerbrochene Glas wird durch sein eigenes Hologramm zum Originalzustand ergänzt. Hier trifft sich Realität und Illusion beispielhaft.

Auch ein zweites Hologramm von Rick Silberman verdient erhöhte Aufmerksamkeit. Das Hologramm eines einfachen Porzellankruges wurde von ihm in drei Streifen geschnitten. Irritiert bleibt der Betrachter vor dem Streifenhologramm mit dem Titel "Rough Cut" (grober Schnitt) stehen. Bewegt er sich jedoch innerhalb der Parallaxe – innerhalb eines bestimmten Blickwinkels also –, wandern Henkelansatz und Ausgußnase auf allen drei Streifen mit. Auf jedem Streifen ist dann mit etwas Gymnastik, Kniebeugen und auf den Zehenspitzen stehend jeweils der ganze Krug auszumachen. Rick Silberman hat hier ein anderes Phänomen der Holographie spielerisch dokumentiert, nämlich daß ein Teilhologramm stets die ganze Botschaft zeigt. Jeder holographische Splitter enthält das ganze Bild. Zu vergleichen ist dies vielleicht mit einem Magneten, der in Teile geschnitten seine Magnetkraft ebenfalls nicht verliert.

Rick Silberman setzt sich in seinem holographischen Werk mit der Besonderheit der Holographie auseinander, die ihn ebenfalls als echten Holographiepionier erscheinen läßt. Das Hologramm "Rough Cut" wird hier als Edition angeboten, wie gesagt, ein Stück, das es in sich hat.

Sam Moree hat in seinen jüngsten holographischen Arbeiten die Holographie, die auch als Bildhauerei mit Licht verstanden werden kann, um tatsächlich plastische Elemente ergänzt. Er verbindet hohe stelenartige Glasscheiben mit seinen Hologrammen und faßt die Hologramm-Glas-Collage ein mit Neonlicht. Dadurch entstehen Lichtskulpturen, die großen Räumen eine eigene Ära verleihen. Diese Montagen sprengen vor allem die Holographieformate, die diese Kunst momentan noch rein flächenmäßig begrenzt.

Rudie Berkhout schließlich mit seinen abstrakten Hologrammen läßt Op-Art und Zero um Lichtjahre gealtert erscheinen. Seine Hologramme sind faszinierende Lichtspiele, die von den Farben des Spektrums leben, die er meisterlich einzufangen und zu manipulieren versteht.

Diese vier Holographiekünstler mit ihren völlig unterschiedlichen Ansätzen sollen belegen, daß dieses neue Verfahren Holographie bedenkenlos der Kunst als neue Erscheinungsform zugeordnet werden kann. Jede Zeit bringt ihre eigenen Künstler und ihre eigenen Gestaltungsmittel hervor. Holographie ist ein Medium des nächsten Jahrhunderts, dessen Entstehen wir am Ausgang des jetzigen bereits entdecken und mitverfolgen können.