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Ars Electronica 1984
Festival-Programm 1984
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Festival 1979-2007
 

 

Holographische Bilder – eingefroren in Raum und Zeit


'Bodo Dorra Bodo Dorra

"Dreidimensionale Realität hat alle Künstler seit Velazquez interessiert, Picassos analytischer Kubismus ist ein Versuch der Moderne, an die drei Dimensionen des Velazquez' heranzukommen. Heute ist dank Gabors Genie eine künstlerische Renaissance möglich, und mir öffnet sich die Tür zu einem neuen künstlerischen Arbeitsfeld."

Salvador Dali über Holographie
Die im Rahmen der Ars Electronica visualisierten szenographischen Laser-Raum-Strukturen in der Oper "Das Universum" von ISAO TOMITA und die präsentierte Computer- und Videokunst fallen ebenso wie die ausgestellten Hologramme im Linzer Stadtmuseum in den Bereich der sogenannten "künstlichen" und "apparativen Kunst".

In diesem Zusammenhang läßt sich auch das akustische Linzer "Klangwolken"-Projekt des Münchner Klangarchitekten W. Haupt als musikalisch-apparative Kunst bezeichnen. Die mittels einer räumlich erweiterten Musikdramaturgie realisierten Klangzonen (Räume) korrespondierten beispielsweise 1979 mit dem künstlich erzeugten Laser-Environment, 1980 mit Otto Pienes visualisierter "Sky Symphony" und 1981 mit Bernhard Luginbühls "Funkenwolkenfeuer".

Schon 1965 definierte der Wissenschaftstheoretiker Prof. Max Bense in seinem Artikel "Projekte generativer Ästhetik" die ästhetischen Produkte der Computergestaltung als "künstliche Kunst". Im Unterschied zur "natürlichen Kunst" benötigt diese ein Vermittlungsschema zwischen Schöpfer und Werk, nämlich das Programm und die Programmiersprache. Zudem benötigt der Gestalter – etwa zur Erzeugung von Computergrafiken – eine Apparatur, zum Beispiel einen Plotter. Der Laserdesigner und Holograph verwendet für seine Realisationen ebenfalls eine Apparatur, den LASER, sowie optisches Zubehör wie Linsen, Spiegel und Strahlenteiler. Der Begriff "künstliche" und "apparative Kunst" ist somit evident.

Im folgenden soll hier nicht die Frage erörtert werden, ob man die mittels einer Apparatur erzeugten Visualisierungen als Kunst bezeichnen kann. Spätestens seit Erfindung der Fotografie ist diese polemische Diskussion geführt und seit Jahren beantwortet worden.

Es soll hier vielmehr von der künstlerischen Bildholographie die Rede sein, von der S. Dali sagte, daß sie der "Kubismus unserer Zeit" ist.

"Bilder zum Greifen nahe", "Faszination des Immateriellen", "Lichtplastiken des 21. Jahrhunderts", "Künstliche Gespenster hinter Glas", aber auch "Medium zwischen Kitsch und Kunst", so lauten einige andere Beschreibungen, mit denen man diese dreidimensionalen Bilder "in den Griff" bekommen möchte.

Die Verunsicherung, aber auch Ablehnung bei der Betrachtung dieser "leuchtenden Juwelen" ist hierzulande groß, werden doch unsere herkömmlichen Seh- und Betrachtungsweisen sowie tradierte Kunstnormen in Frage gestellt.

Die tägliche visuelle Konfrontation mit zweidimensionalen Medien wie Foto, Grafik, Fernsehen, Video und Film hat zur Folge, daß wir eine dreidimensionale Dingwelt, wie sie von der Holographie reproduziert wird, nur reduziert und im beschränkten Maße aufnehmen können.

Verständlich, denn einen Gegenstand oder ein Lebewesen im Raum plastisch und in greifbarer Nähe zu sehen und ihn nicht anfassen und er-, begreifen zu können, bedeutet für unseren Sehapparat eine Provokation. Nämlich dort, wo etwas zu sein scheint, dort, wo uns Materialität suggeriert wird, ist nichts! Oder doch? Realisiert und reproduziert mit Licht, läßt sich zunächst das Hologramm als ein aus Licht bestehender Körper (Lichtplastik) definieren. Legt man zudem noch die Dualitätstheorie des Lichtes – die Welle-Teilchen-Theorie – zugrunde, so kann man sogar von einer gewissen materiellen Beschaffenheit des Hologramms sprechen. Der Betrachter ist nun vollends irritiert. Da also, wo nichts ist, ist doch etwas? Was ist nun eigentlich Holographie?

Das Wort kommt aus dem Griechischen. "Holos" bedeutet ganz, völlig, unversehrt, "Graphein" heißt schreiben. Wie uns das Wort schon sagt, wird im Unterschied zur Fotografie der aufzunehmende Gegenstand von allen Seiten mit allen räumlichen und optischen Informationen aufgenommen und gespeichert. Bei der Betrachtung durch die holographische Platte oder Folie – sie ist mit einer Spezialemulsion beschichtet – erscheint der "eingefrorene" Gegenstand als reelles oder virtuelles Bild im Raum. Erfunden wurde die Holographie 1947/48 von dem ungarisch-englischen Physiker Prof. Dr. Dennis Gabor.

Es war nur allzu verständlich, daß man dieses Medium, mit dem es erstmals möglich war, Gegenstände oder Lebewesen dreidimensional aufzunehmen, zu speichern und dreidimensional zu reproduzieren, seit Ende der sechziger Jahre auch im Bereich der bildenden Künste als neues Gestaltungs- und Ausdrucksmittel einsetzen würde. Salvador Dali kann man neben dem Amerikaner Bruce Naumann und dem Schweden C. F. Reuterswärd als einen der ersten holographierenden Künstler bezeichnen.

In den Jahren 1972–1975 realisierte er in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Holographen u.a. die holographischen Collagen "Polyeder … Unterwasserfischer" und "Der Schäfer und die Sirene". Mit dem vorangestellten Zitat thematisierte S. Dalì auch das korrespondierende und symbiotische Verhältnis von Wissenschaft, Technik und Kunst, das auch in der Holographie begründet liegt. Warum?

Für Dennis Gabor etwa, für den die Holographie die "Öffnung zur dritten Dimension" darstellte, war es notwendig, daß es Künstler wie Dali gibt, die neue künstlerische Ausdrucksmittel schaffen, die aber nur durch die "Verbindung zwischen der Kunst und der modernen Wissenschaft und Technologie möglich werden." Das heißt, daß man die Holographie im Sinne einer korrespondierenden "apparativen Kunst" (s. auch: Jürgen Claus: "Expansion der Kunst") als eine Symbiose aus Wissenschaft, Technik und Kunst bezeichnen kann. Wie man jedoch erkennen wird, kann man, so der Kunsttheoretiker Prof. Frank Popper, die Holographie auch als eine "technologische Leistung der kinetischen Kunst" bezeichnen.

So betrachtet, kann man die Arbeiten holographierender Künstler als die vorläufige Optimierung lichtkinetischer Projekte und Utopien bezeichnen, deren Wegbereiter in den zwanziger und dreißiger Jahren (Baranoff-Rossiné, Raoul Hausmann, Alexander Laszlo, Ludwig Hirschfeld-Mack, Kurt Schwerdtfeger und Laszlo Moholy Nagy) zu finden sind und die in den fünfziger und sechziger Jahren (Frank Malina, die Gruppen "Zero" und Recherches d'Art visuelle) wieder aufgegriffen wurden.

Mittlerweile ist die Anzahl holographischer Arbeiten unüberschaubar geworden. Diese Vielfalt läßt sich zur besseren Orientierung grob in vier Kategorien einteilen:
  1. realistische Visualisierungen,

  2. realistisch-abstrakte Visualisierungen,

  3. abstrakte Visualisierungen,

  4. Hologramm-Collagen und Hologramm-Montagen.
Im Linzer Stadtmuseum sind die wichtigsten Künstler dieser vier Stilrichtungen mit eindrucksvollen Arbeiten vertreten.

Die Vertreter der realistischen Holographiekunst sind gegenstandsbezogene Künstler, die realistische Vorlagen bzw. Materialien benutzen, um damit teilweise hyperrealistische Reproduktionen der Originale zu erhalten.

Zu ihnen gehören beispielsweise der Engländer Prof. Nick Phillips, der Amerikaner Rick Silberman, der Sowjetrusse Prof. Denisyuk und der Niederländer Walter Spierings.

So realisierte z.B. Nick Phillips ein Hologramm, das gerade durch seine ausgewogene Schlichtheit und Simplizität besticht. Bei diesem Hologramm (Tap) handelt es sich um einen Wasserhahn (s. Foto), der im milchig grünen Licht greifbar plastisch aus dem Bilderrahmen ragt. Fast ist der Betrachter geneigt, den Wasserhahn zu ergreifen. Greift er jedoch danach, so greift er ins Leere.

Der künstlerische Anspruch dieser Arbeiten, die unüberschaubar in ihrer Anzahl geworden sind, ist jedoch größtenteils nicht hoch. Zu Recht kann man kritisieren, daß bei diesen Arbeiten die Gefahr einer allzu einfachen und banalen Objektwiedergabe besteht. Mag auch die hyperrealistische Wiedergabe von Objekten im Sinne einer totalen visuellen Tautologie verführerisch sein, sie beschränkt sich aber, auch aufgrund der Motivauswahl, größtenteils auf Effekthascherei.

Zu den Künstlern realistisch-abstrakter holographischer Visualisierungen, die gegenständliche und gegenstandslose Elemente in ihr Gesamtwerk integrieren, kann man u.a. den Deutschen Harald M. Mielke, die Amerikaner Dan Schweitzer und Michael Wenyon sowie die Kanadier Marie-Andrée Cossette, David Hylnsky und Michael Sowden rechnen.

Sehr eindrucksvoll ist die Verwendung von realen und abstrakten Bildelementen in Dan Schweitzers Hologramm "The Seed" (Der Same), das aus 16 verschiedenen Hologrammen besteht. Je nach Blickwinkel und Standpunkt kommt der Betrachter zu ständig wechselnden Ansichten bzw. Bildinformationen. So kann man etwa, tief im holographischen Raum, aus abstrakten Formengebilden wachsend, Einsteins verzerrtes Porträt erkennen. Sämtliche holographischen disparaten Bildelemente stehen jedoch miteinander in Verbindung, sie korrespondieren mit dem holographischen System "The Seed". Dieses vielleicht bemerkenswerteste Hologramm der letzten Jahre erinnert an einen Ausspruch des Atomphysikers Fritjof Capra: "Es gibt in der Natur keine isolierten Grundbausteine, sondern die Natur ist ein kompliziertes Netzwerk von Zusammenhängen zwischen verschiedenen Strukturen, die ein Ganzes bilden."

Die abstrakten holographischen Visualisierungen stellen manchmal ein Geflecht von spiralig verschlungenen Linien oder symmetrisch-asymmetrisch angeordneten Flächen oder Körpern dar, die regenbogenfarbig in der Tiefe des Raumes zu schweben scheinen. Teilweise stellen sie Figurationen dar, die mit dem Computer konzipiert werden. Dadurch ist es auch möglich, sogenannte computergenerierte Fraktalien in Form von Flächen und Körpern zu erzeugen, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. So sind die utopisch-abstrakten Visualisierungen von R. Berkhout (s. Foto) und die flächigen Farbzonen des international bekannten Deutschen Dieter Jung in diese Richtung einzuordnen. Dieter Jungs im Raum schwebende Farbfelder stellen transformierte Energie dar, verdichtet und visualisiert zu immateriellen Gebilden, wobei ihm der Raum, angefüllt mit Energie, als Projektionskörper dient. Je nach Standpunkt und Blickwinkel erlebt man den stetigen Wandel und Wechsel dieser meditativ wirkenden Farbfelder in allen Nuancen des Farbspektrums (s. Foto).

Die Bemühungen von Holographen und holographierenden Künstlern mit Collage- und Montagetechniken malerische, bildhauerische und holographische Elemente zu verbinden, führten in den letzten Jahren zu bemerkenswerten Resultaten. Auf der internationalen Holographieausstellung "Licht-Blicke" des Deutschen Filmmuseums Frankfurt am Main (7. 6.–30. 9. 1984) werden diese Tendenzen der künstlerischen Collage- und Montageholographie, als deren Pionier Salvador Dali gilt, mit eindrucksvollen Beispielen belegt. Bei diesen Arbeiten, sie erinnern teilweise an Object-Art-Realisationen der sechziger Jahre, werden Hologramme bzw. holographische Environments mit realen Objekten und malerischen Techniken kombiniert, ergänzt und verfremdet.

Vertreter dieser holographischen Kunstrichtung sind u.a. Brigitte Burgmer (s. Foto), Jean Gilles, Setsuko Ishii, Adrian Lines, Andrew Logan und C. F. Reuterswärd (s. Foto).

An dieser Stelle konnte das breitgefächerte Spektrum der künstlerischen Bildholographie nur gestreift werden. Internationale Ausstellungen auf der ganzen Welt belegen jedoch den künstlerischen Stellenwert dieses faszinierenden Mediums.

Dennoch ist die Holographie einer breiteren Öffentlichkeit noch relativ unbekannt, obwohl die Zahl derer, die sich damit auseinandersetzen bzw. davon Kenntnis erhalten, ständig wächst.

Einer der Gründe für das Unverständnis mag auch sein, daß der Betrachter noch nicht das entsprechende Rezeptionsvermögen besitzt, d.h., der Rezipient muß sich bei dieser "Kunst ohne kunstgeschichtlichen Haltegriff"(?) noch von vielen Zwängen und Gewohnheiten herkömmlichen Sehens befreien.

Und Kunstkritiker, deren Aufgabe es u.a. sein sollte, über neue Kunstmedien kritisch-aufklärend zu informieren, verhelfen der Holographie mit banalen Rezensionen wie: "…Hologramme werden schon veraltet sein, bevor sie überhaupt aus den Kinderschuhen herausgekommen sind" wahrlich nicht zum Durchbruch. Diese Gralshüter einer aus dem 19. Jahrhundert stammenden Kultur wollen oder können nicht begreifen (sehen), daß mittlerweile die künstlerische Bildholographie das erreicht hat, was seit Jahrhunderten in der Kunst eine Utopie war: die Fixierung des Illusionären, die Realisation von Traumbildern, die wie eine Fata Morgana in der Luft zu schweben scheinen. Damit wird die Grenze zwischen Imagination und Realität verwischt und ein Moment der Metamorphose erreicht, wenn etwa ein Gegenstand, eine Linie oder Bild im Begriff ist, sich in etwas anderes zu verwandeln. Weiterhin hat sie die geistige Fähigkeit zu einer Erweiterung des kreativen Rezeptionsvermögens gereizt. C. F. Reuterswärd, der Philosoph unter den Holographen, sieht in der holographischen Kunst und dem Schlaf eine der wenigen Möglichkeiten, die Gravitation der Erdenschwere abzuschaffen. Er sagt über das dreidimensionale Einfrieren der Realität: "Wo war die simultane Abwesenheit von Vergangenheit und Zukunft? Wo war die Zeit? Wo verlor das Licht sein Alter und damit die Zeit ihren Schatten? Wo machte die Ewigkeit eine Pause? Im HOLOGRAMM!"
Holographische Bilder – eingefroren in Raum und Zeit. Faszination des Immateriellen – Faszination des Lichtes.