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Ars Electronica 1982
Festival-Programm 1982
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Festival 1979-2007
 

 

Kultur der Informationsgesellschaft


'Hannes Leopoldseder Hannes Leopoldseder

ARS ELECTRONICA 82 beginnt am 24. September 1982 – 6308 Tage vor dem Jahr 2000. Um das Jahr 2000 setzen Wirtschaftstheoretiker die fünfte Kondratieff-Welle mit der Trägerstruktur Mikroprozessoren an. Wie die Maschine im Mittelpunkt der Industriegesellschaft steht, werden Informationen und Kommunikation wesentlich das Zeitalter der Mikroprozessoren, die dritte industrielle Revolution, bestimmen. Die Informationsgesellschaft mit den Entwicklungen der Breitband-Kabelsysteme, der Heimelektronik und des Rundfunk-Direktsatelliten wird neue kulturelle Verhaltensweisen, aber auch durch die veränderten Technologien und Medien neue Formen und Inhalte künstlerischer Kreativität hervorbringen. Für diese Zukunft will ARS ELECTRONICA Signale setzen.

ARS ELECTRONICA ist in den Inhalten zukunftsorientiert, in der kulturellen Vermittlung werden neue Wege angestrebt. ARS ELECTRONICA will als offenes Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft ein Programmpaket mit Großprojekten, Musiktheater, musikalischen Aufführungen, Aktionen, Workshops, Symposien und Ausstellungen anbieten. Es geht auf der einen Seite um die Aufarbeitung von signifikanten Entwicklungen im künstlerischen Anwendungsbereich neuer Technologien, auf der anderen Seite um das Sichtbarmachen bestimmender Trendlinien zukünftiger Entwicklungen.

Als Veranstaltung ist ARS ELECTRONICA das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen der Linzer Veranstaltungsgesellschaft und dem Österreichischen Rundfunk, Landesstudio Oberösterreich. Programmentwicklung, Organisation und Betreuung erfolgt durch die einzelnen Fachabteilungen der beiden Institutionen.

Für die Programmentwicklung von ARS ELECTRONICA 82 sind vor allem fünf Faktoren entscheidend:

  1. ARS ELECTRONICA 82 setzt sich mit unserer Zukunft auseinander – von neuen Technologien in der Kunst über die künstlerische Herausforderung Weltraum bis zu Utopie, Science-fiction und Industrieroboter: Vorboten aus dem Jahr 2000.


  2. ARS ELECTRONICA 82 zielt auf eine definierbare Stadtöffentlichkeit und eine Gesellschaftsstruktur, für die es einen erweiterten Kulturbegriff zu entwickeln gilt. Dieser Prozeß soll sich bewußt aus den Gegebenheiten heraus entwickeln und den Ansatz für eine kulturelle Stadtkommunikation schaffen.


  3. ARS ELECTRONICA 82 sucht die Anwendung neuer Technologien im künstlerischen Bereich, in der interdisziplinären Konzentration sowie in neuen Wegen der Vermittlung.


  4. ARS ELECTRONICA 82 integriert bewußt die elektronischen Möglichkeiten und Medien in das inhaltliche Angebot – die elektronischen Facilitäten von Hörfunk und Fernsehen sind nicht Medien der Reproduktion, sondern Impulsgeber für Animation, Kreativität und schöpferische Kulturarbeit.


  5. ARS ELECTRONICA 82 präsentiert ausschließlich Auftragswerke bzw. speziell für ARS ELECTRONICA entwickelte Projekte. Damit soll dem Anspruch nach Innovation unter Berücksichtigung der spezifischen Identität von Linz als Kultur- und Industriestadt Rechnung getragen werden.
Den einzelnen Projekten von ARS ELECTRONICA kommt daher in hohem Maße Einmaligkeit und Originalität zu. Keine Agenturangebote, sondern künstlerische Ereignisse, die Erstmaligkeit beanspruchen, die Modellcharakter anvisieren.

Für die Realisierung der Zielvorstellungen von ARS ELECTRONICA ist die institutionelle Zusammenarbeit auf internationaler Ebene eine wesentliche Voraussetzung: 1982 präsentiert bei ARS ELECTRONICA das Massachusetts Institute of Technology (M.I.T.), Center for Advanced Visual Studies, mit der SKY ART CONFERENCE 82 sein derzeitiges künstlerisches Hauptprojekt. Das Center for Advanced Visual Studies am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, Massachusetts, von Gyorgy Kepes gegründet und jetzt unter der Direktion von Prof. Otto Piene, setzt sich seit Jahren in exemplarischer Weise interdisziplinär mit der Anwendung neuer Technologien im künstlerischen Bereich auseinander. Es entstehen neue Kunstformen, neue Formen der Zusammenarbeit von Kunst, Wissenschaft und Technik: ein Labor für das Jahr 2000.

Nach der Entwicklung des Konzepts der SKY ART CONFERENCE am M.I.T. in Boston ist Linz die erste Station außerhalb des Centers, in der sich Künstler und Wissenschaftler interdisziplinär mit SKY ART beschäftigen: SKY ART ist als Kunst der Zukunft die künstlerische Antwort des schöpferischen Menschen auf die Herausforderung Weltraum. Die SKY ART CONFERENCE 82 unter der Leitung von Prof. Otto Piene umfaßt die Laser-Oper ICARUS, Sky Events, Telekommunikation, Symposien über SKY ART, Workshops und Ausstellungen.

Wenn Satelliten und Breitband-Kabelsysteme um das Jahr 2000 in der neuen medialen Umwelt weltumspannende Telekommunikationsprojekte, in denen Künstler aus allen Erdteilen mitwirken werden können, zum medialen und künstlerischen Alltag werden lassen, sollen die Telekommunikationsprojekte bei ARS ELECTRONICA signifikante Vorboten sein.

Der Traum vom Fliegen, die Überwindung des endlichen Raumes, hat in der klassischen Sage des "Icarus" zeitlose Bedeutung erhalten: bei ARS ELECTRONICA wird die klassische Sage neu erzählt, mit neuen Technologien als Impuls für die Zukunft.

Die Dimension des offenen Raumes, des Raumes überhaupt, erhält für ARS ELECTRONICA eine wesentliche Bedeutung: seien es der Weltraum, die Galaxien, die Musik im offenen Raum oder neue Ton-Räume. Gemeinsames Signum: neue Erlebnisräume für den Menschen – in der Architektur wie im "SOUND SQUARE" von Bernhard Leitner, im offenen Raum als künstlerische und kulturpolitische Herausforderung bei der "LINZER KLANGWOLKE".

Die "LINZER KLANGWOLKE", diesmal mit den Wiener Philharmonikern unter Lorin Maazel, präsentiert sich als Modell für das Erleben sinfonischer Musik im offenen Raum, Wie kaum ein anderer Komponist hat Gustav Mahler in seiner Musik Dimensionen anvisiert, die bei der "LINZER KLANGWOLKE" im Erlebnisraum für Zehntausende Menschen erlebbar werden können. Wie die Rolling Stones in der Welt des Rock Zehntausende zu einem gemeinsamen Erleben von Rock-Musik anlocken, vereint das Modell "LINZER KLANGWOLKE" Zehntausende im Linzer Donaupark zum Erleben sinfonischer Musik.

Die "LINZER KLANGWOLKE" und die "LINZER STAHLOPER" sind die beiden Kernprojekte von ARS ELECTRONICA 82, die sich an der gesellschaftlichen Struktur der Stahlstadt Linz orientieren. Während ARS ELECTRONICA auf der einen Seite neue Möglichkeiten einer Kunst im Großraum, wie im Weltraum, aufzeigt, konzentriert sich ARS ELECTRONICA auf der anderen Seite auf die definierbare Stadtöffentlichkeit, auf die erlebbare Umwelt, auf die Identität des Nahbereiches.

Linz, die österreichische Stahlstadt par excellence, erfährt in der "LINZER STAHLOPER" des Komponisten Giorgio Battistelli eine künstlerische Interpretation der für diese Stadt verpflichtenden Thematik Kultur und Arbeitswelt.

Die "LINZER STAHLOPER" mit Musikern, Stahlarbeitern und Maschinen der VOEST-ALPINE Linz präsentiert sich als Impuls und als Diskussionsansatz.

Im Bereich der theoretischen Auseinandersetzung reicht das Programmspektrum der ARS ELECTRONICA vom Science-fiction-Workshop zu Symposien über Telekommunikation und SKY ART sowie zu einer wissenschaftlichen Fachtagung über Industrieroboter.

ARS ELECTRONICA will künstlerische Ereignisse als Prozeß begreifen, nicht technologieverhaftet, sondern Technologie als Basis zu persönlicher Kreativität, Phantasie als Impulsgeber. Die Erste Computerakustische Klangsymphonie "ERDENKLANG" von Hubert Bognermayr und Harald Zuschrader versucht das visuelle und akustische Erleben unserer Umwelt durch den Computer zu verbinden.

Das weiße Rauschen, das von der "Galaxie Cygnus-A" aus einer Entfernung von 1050 Millionen Lichtjahren zu uns kommt, kann mit unserer derzeitigen Technologie kaum mehr zur Galaxie zurückkehren: das Projekt "Galaxie Cygnus-A" markiert Grenzlinien, erhebt die Phantasie des einzelnen über derzeit technisch unüberwindbare Raum- und Zeiträume.

Wenn der ORF als einzige kontinentale Rundfunkanstalt den Auftrag zur Prüfung eines österreichischen Satellitenprojektes erhalten hat, ist dies ein Resultat der Bemühungen, sich als Rundfunkanstalt auf die künftige Informationsgesellschaft vorzubereiten. Mit ARS ELECTRONICA will das ORF-Landesstudio Oberösterreich als Mitveranstalter Impulse im kulturellen Umfeld des Landes geben.

Darüber hinaus aber will der ORF Signale für neue Wege in der kulturellen Vermittlung setzen, Signale für ein neues elektronisches Selbstbewußtsein in Kunst und Kultur der Informationsgesellschaft: Am Sonntag, 26. September 1982, steht zum Beispiel ein gesamtes Radioprogramm des ORF im Zeichen 2000: "Ö3 2000" – Ein Tag im Jahr 2000 – ist der Versuch einer Vision des Alltags im Jahr 2000. Ein Signal für jeden einzelnen, sich persönlich mit der Zukunft auseinanderzusetzen.

Ein zeitliches Zusammentreffen bringt ARS ELECTRONICA auch medial in den Weltraum: In der Ars-Electronica-Woche, am 27. September 1982, beginnt die Programmwoche des europäischen Satelliten-Test-Programms über den Orbital Test Satellite (OTS). In diesem Satellitenprogramm werden einzelne Veranstaltungen von ARS ELECTRONICA sowie eine durchgehende Informationsrubrik über ARS ELECTRONICA enthalten sein, ARS ELECTRONICA beginnt 6308 Tage vor dem Jahr 2000, es endet 6300 Tage vor dem Jahr 2000, wie der vom "Committee 2000" initiierte "Calendar 2000" ausweist. Die Tage dazwischen gehören der Zukunft, den Impulsen für Kunstformen der Informationsgesellschaft.

Dr. Hannes Leopoldseder, Intendant des ORF-Landesstudios Oberösterreich