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Ars Electronica 1982
Festival-Programm 1982
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Festival 1979-2007
 

 

Linzer Stahloper


'Giorgio Battistelli Giorgio Battistelli

Freitag, 24, September 1982, Linzer Hauptplatz, 20 Uhr
Uraufführung

Von Giorgio Battistelli. Mit Stahlarbeitern, Musikern und Maschinen der VOEST-ALPINE AG Linz

Regie: Lorenzo Vitalone

Realisierung der Linzer Stahloper in Zusammenarbeit mit der VOEST-ALPINE AG Linz

Mit Unterstützung der Österreichischen Spielbanken AG

RAHMENPROGRAMM ZUR LINZER STAHLOPER:
Donnerstag, 23, September, und Freitag, 24. September 1982:
ab 13 Uhr Werksbesichtigungen in der VOEST-ALPINE AG (Abfahrt vom Linzer Hauptplatz jeweils zur vollen Stunde)

Freitag, 24. September 1982:
18 bis 19 Uhr: Platzkonzerte von Werkskapellen der VOEST-ALPINE AG in der Fußgängerzone:
Landeskulturzentrum Ursulinenhof: Werkskapelle Krems
Hauptplatz, Rathaus: Werkskapelle Traisen
Taubenmarkt: Werkskapelle Donawitz
19.15 Uhr: Hauptplatz: Offizielle Eröffnung des LINZER GLOCKENSPIELS
19.40 Uhr: Eintreffen der VOEST-Werkskapellen Krems, Traisen, Donawitz und Linz auf dem Hauptplatz
19.45 bis 19.50 Uhr: Gemeinsames Musizieren der Werkskapellen
19.55 Uhr: LINZER GLOCKENSPIEL
20 Uhr: Beginn der LINZER STAHLOPER
LINZER STAHLOPER
Von Giorgio Battistelli. Mit Stahlarbeitern, Musikern und Maschinen der VOEST-ALPINE AG Linz (Uraufführung)

Libretto:
Bibel. Übersetzung von Martin Luther (Altes Testament, Genesis) 1. Mose 4, 1–26
Michail Prokopewitsch Gerasimow, "Eiserne Blumen"
Wladimir Timofejewitsch Kirillow, "Der eiserne Messias"
Denis Diderot, "Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des arts, des sciences et des métiers"

Darsteller:
Thubalkain: Oskar Czerwenka
Denis Diderot: Karl Oblasser
Jean LeRond D'Alembert: Michael J. Posey
Stimmen der Geister von Diderot und D'Alembert: Angelo degl'Innocenti
Drei Knaben: Alexander Berger, Helmut Krenn, Wolfgang Langeder
Kostumentwürfe: Beatrice Bordone
Umsetzung der Kostümentwürfe: Gerhard Müllner, Ursula Grabner (Meisterklasse für Gestaltung Metall der Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung)
Musikalische Beratung: Sylvano Bussotti
Tontechnik: Gerhard Blöchl
Aufnahmeleitung: Arnold Blöchl
Regie: Lorenzo Vitalone

Linzer Stahlorchester: Arbeiter aus dem Werk Linz der VOEST-ALPINE AG mit ihren Werkzeugen und Maschinen
Flammenbilder: Johann Dibold, Josef Lugmayr, Reinhold Stelzmüller, Max Brandlmayr, Manfred Leitner, Konrad Leonhardsberger, Othmar Fugger
Winkelschleifer: Karl Rovere, Alois Leutgeb, Franz Hahn, Alfred Sentz
Kompressoren: Herwig Hofmeister, Roland Neger, Johann Schmiedinger
Großfahrzeuge: Erich Hawlan, Josef Wolf
Drehbänke: Alois Bachinger, Anton Ziegler
Lehrlinge mit Ambossen: Roland Furchtlehner, Werner Hergl, Christian Hochedlinger, Gerhard Huber, Anton Leitenmüller, Georg Link, Friedrich Witzeneder, Gerald Angerer, Andreas Schaufler, Gerhard Branyik, Joachim Swetlik, Heinz Bauer, Günther Mairhofer
Schmiedemeister mit Gehilfen bei der Arbeit (Esse): Helmut Becksteiner (Schmiedemeister), Robert Dorner (Gehilfe)
Elektroschweißer: Reinhard Schlager, Leopold Hörl

Blechbläser der Werkskapelle der VOEST-ALPINE AG Linz:
Horn in F: Adalbert Mikes, Franz Ocenasek, Josef Schaubmaier, Hermann Manzenreiter
Trompete in B: Manfred Buchberger, Gerhard Seisenbacher, Walter Rammerstorfer, Herbert Siegl
Posaune: Siegfried Punz, Günther Strasser, Herbert Schönberger, Johann Jax

Schlagwerk (Landesmusikschule Grieskirchen):
Reinhard Eder, Herwig Stieger, Norbert Hebertinger, Herbert Huemer, Gerhard Partinger, Gabriele Weinzierl, Hans Trenker

Tänzerinnen (Brucknerkonservatorium Linz):
Daniela Führlinger, Rosemarie Kleestorfer, Romana Grürl, Ulli Hackenbuchner, Claudia Pfeiffer, Marion Mizia, Manuela Köfler, Katharina Kolmbauer, Kornelia Tamas, Ingrid Zopf, Christa Rittmansperger

Realisierung der Linzer Stahloper in Zusammenarbeit mit der VOEST-ALPINE AG Linz.
DIE OPER UND IHRE HANDLUNG
Personen:
Thubalkain, biblischer Schmied, Baß
Jean LeRond D'Alembert, französischer Philosoph, Tenor
Denis Diderot, französischer Philosoph, Tenor
Drei Knaben
Arbeiter mit ihren Werkzeugen und Maschinen
Sieben Schlagwerker
Zwölf Blechbläser
Zwölf Tänzerinnen

Ort der Handlung ist der historisch gewachsene, zentrale Linzer Hauptplatz. Das Opus wird eingeläutet von den Glocken der umliegenden Kirchen. Ein Bläserakkord erklingt von den Balkonen. Nur die Dreher sind bei der Arbeit, als Thubalkain über eine Brücke aus der Vergangenheit heraussteigt.

Thubalkain ist der in der Bibel (l. Mose 4) genannte "Meister in allerlei Erz- und Eisenwerk", in alten Bauhüttengeschichten einer der Begründer der Kunstfertigkeit des Menschen. Den Kontakt zur Musik schreibt man ihm zu, weil "die Grobschmiede den Takt hämmern". Thubalkain erzählt die Geschichte seiner von Kain abstammenden Familie. Thubalkains Bühne ist ein von Lehrlingen der VOEST-ALPINE AG erbautes Modell einer Brückenkonstruktion.

Mitten in die Erzählung setzen plötzlich Röhrenglocken und Vibraphone ein, Flammenbilder erleuchten die Szene.

Parallel dazu arbeiten die beiden französischen Wissenschafter und Philosophen D'Alembert und Diderot an ihrer Enzyklopädie, einem umfassenden Werk über den Stand der handwerklichen Technik und der frühen Industrie. Diderot listet alle damals bekannten Metallberufe auf.

Thubalkain aber erzählt weiter: vom Brudermord des Kain und vom Gotteszeichen an seiner Stirn.

Da erscheint das Metall: zwölf Tänzerinnen in metallenen Kostümen, die zum Rhythmus der Schlagwerke der Straßenbahn entsteigen und auf die Spielfläche des Platzes tanzen. Während die Kompressoren und Kraftfahrzeuge ihre Arbeit aufnehmen, schreibt Diderot weiter: vom Nagelschmied, vom Broschenmacher, Messerschmied und Arcuebusier.

Doch Thubalkain hat seine Geschichte noch nicht beendet: dem Stamme des Kain entsproß er selbst. Er vertritt ebenso, wie Diderot und D'Alembert, die Vergangenheit. Nun aber tritt mehr und mehr die Stahlindustrie der Gegenwart in den Vordergrund. Das Stahlwerk entsendet seine Klänge. Auch D'Alembert arbeitet an dem Verzeichnis: Versilberer, Kesselschmiede, Ziselierer und Münzer bringt er ein. Doch die Arbeit geht unbeirrt voran: Dreher, Schweißer, Schlosser mit Winkelschleifern lassen sich vom akademischen Gedankengut nicht beirren, für sie ist Arbeit Realität, nicht Ziel wissenschaftlichen Interesses.

Zum Klang der Ambosse, wo Eisen gehämmert und geformt wird, tritt das Metall wieder auf. Diderot und D'Alembert haben ihr Werk noch nicht vollendet. Während sie daran arbeiten, tanzt das Metall.

Wie die Bibel ihre Gültigkeit durch die Zeit bewahrt hat, zieht sich auch die Geschichte des Thubalkain weiter, bis man anfing "zu predigen von des Herrn Namen".

Gemeinsam beenden Diderot und D'Alembert das Kapitel der Metallberufe; sie treten ab. Doch ihre Schatten, ihr Geist lebt weiter durch die Zeit. Ihr Werk hat ihnen Unsterblichkeit verliehen.

Drei Knaben treten auf: Kinder als Symbole der Reinheit, der Ästhetik, der Schönheit der Arbeit – sie singen vom Geist, der die Stahlwerker beseelt, vom Riesen "Werkstoff", vom "Eisernen Messias".

Thubalkain, der mittlerweile die Bühne verlassen hat, erscheint wieder nicht nur als Mythos, sondern als der Arbeiter, der er einst gewesen ist. Die Sehnsucht des Arbeiters nach Schönheit besingt er "und schmiedete eiserne Blumen". Langsam setzt sich die Einheit, die Einigkeit durch, in einem gigantischen Schlußcrescendo vereinigen sich alle Instrumente auf den Tönen g und e, und zu diesen Klängen erzählen nun alle mitwirkenden Arbeiter an ihren Maschinen wie vor ihnen Thubalkain ihre persönliche Geschichte, während ein mächtiger Schlußton das Werk aus dem Linzer Hauptplatz ausklingen läßt.

Zur Partitur
Nach "Experimentum Mundi" – Opera di musica immaginistica (1981) ist die Linzer Stahloper der zweite Teil einer geplanten Trilogie des italienischen Komponisten Giorgio Battistelli, deren gemeinsamer Nenner eine übergreifende Idee ist: Die musikalische Verbindung von Kunst und Arbeit, realisiert jeweils als durchkomponiertes, abgeschlossenes Werk neuen Musiktheaters. War bei "Experimentum Mundi" der musikalische Ausgangspunkt die atonale Rhythmik traditioneller Handwerksberufe, so ist es bei der "Linzer Stahloper" die der eisenverarbeitenden Industrie.

Der kompositorische Ansatz provoziert ein abstraktes Problem: Unter Bezugnahme auf Pierre Boulez kann es als Problem der "atonalen Rhythmik" definiert werden, d. h. einer Art von Musik, abweichend vom Traditionellen durch ihre asymmetrischen Strukturen und unübertragbar in die traditionelle rhythmische Notation.

Das für die "Linzer Stahloper" verwendete Instrumentarium setzt sich zusammen aus Werkzeugen, Geräten und Maschinen sowie aus Blas- und Schlaginstrumenten, das Orchester vereint also Musiker und Arbeiter.

Da eine entsprechende musikalische Ausbildung der Arbeiter nicht voraussetzbar ist, wäre es möglich gewesen, wie Karl Heinz Stockhausen in "Intensität" und "Herbstmusik" die einzelnen Parts von professionellen Musikern spielen zu lassen. Doch hier fiele ein wesentlicher Grundgedanke der Oper ersatzlos weg: nämlich die Untrennbarkeit des praktischen Arbeitszieles von der Arbeitsgestik und der daraus resultierenden Klangerzeugung.

Da für Battistelli von Beginn an die Einbindung der VOEST-ALPINE-Arbeiter in das Werk feststand, tauchte die Notwendigkeit auf, ihnen ihre Einsätze in verschiedener Form aufzuzeigen. Dies führte dazu, von der üblichen Liniennotation wegzugehen und für die Linzer Stahloper, wie bereits für "Experimentum Mundi", eine eigene Partitur zu entwickeln, die in ihrer graphischen Ausgestaltung den zeitlichen und örtlichen Verlauf der Oper einem Nichtprofi-Musiker verständlich macht.

Die Partitur der Linzer Stahloper besteht aus vier großen Blättern: Jedes davon enthält 15 Minuten an Musik. Zu den in traditioneller Notenschrift aufgezeichneten Sängerparts und den Anweisungen für Schlag- und Blasinstrumente kommen die Anweisungen für den Einsatz des Instrumentariums, das aus Maschinen und Arbeitsgeräten der VOEST-ALPINE sowie aus Elementen, die ein Teil des verwendeten Raumes sind (Kirchtürme, Straßenbahnen usw.), geformt ist. Die Anweisungen für das Instrumentarium sind in der Partitur als graphische und fotografische Darstellungen der Orte des Einsatzes oder der Art notiert.

Zeitliche Angaben in Minuten und Sekunden markieren nicht nur den Einsatz für die einzelnen Maschinen und Werkzeuge, sondern sind über die Seiten zwischen den einzelnen Parts verteilt, so daß sie jeweils einen zeitlichen Bezugspunkt für die anderen Mitwirkenden darstellen.

In die graphische Notation für die Arbeiter an den Maschinen wurden die traditionell notierten Parts für sieben Schlagwerker, 12 Bläserstimmen und Gesangsstimmen eingebunden:

Ausgehend vom Gedanken der ständigen Veränderung der Materie im Produktionsprozeß von Eisen und Stahl hat Battistelli den Bläsern, wie auch den Schlagzeugern, eine kontinuierliche Rolle zugeordnet: Während der ersten 30 Minuten der Oper sind ständig drei Blechbläser gleichzeitig im Einsatz, die die Farbe des Bläserklanges durch unablässige Ablösung ständig wechseln. Aleatorische Ansätze zeigen sich in der Stimmführung: Die Bläser haben einzelne Töne vorgegeben, deren Dauer, ebenso wie die Art des Einsatzes (vorgegeben sind lange und kurze Vorschläge auf einer Serie von Tönen), von den jeweils agierenden Musikern frei gewählt werden kann. Für die Schlagzeuger finden sich in der Partitur einzelne Taktfolgen, die in serieller Weise ständig gestaltet werden, sowohl was die Klangfarbe, als auch was das Metrum betrifft.

Ebensolche Möglichkeiten gibt Battistelli den Darstellern des Diderot und des D'Alembert. Auch bei ihnen ist eine kurze Notenfolge angegeben, die diese im Rahmen der vorgegebenen Zeit ständig wiederholen und dabei von Ausdrucksdynamik und Zeitmaß her verändern können und sollen. Auf zwei Tönen notiert ist der Sprechgesang für die drei Kinderstimmen.

Hauptfigur in der Linzer Stahloper ist Thubalkain, der biblische "Meister in allerlei Erz- und Eisenwerk". Sein Part ist als einziger in traditioneller Form durchnotiert: Seine Auftritte werden zum dominierenden Faktor des gesamten Ensembles. Alle Musiker und sonstige Mitwirkende haben sich an Rhythmus und Geschwindigkeit dieses Sängers zu orientieren.

Die angeführte Grundkonzeption der Linzer Stahloper zieht sich durch drei Viertel des Werkes. Erst in den Schlußminuten weicht Battistelli davon ab: Zu den eingespielten Industriegeräuschen entwickelt sich ein Schlußcrescendo auf "g" und "e", in das bei exakt vorgegebenem Tempo alle Instrumente, Maschinen und Sänger einfallen, um auf einem Unisono "e" im Sforzato fortissimo zu enden.
LINZER STAHLOPER ALS MODELL
Die Linzer Stahloper ist künstlerischer Ausdruck der Stahlstadt Linz. Wie kein anderes Projekt der Ars Electronica 82 baut die Oper auf der Stadtidentität und der industriellen sowie kulturellen Gegenwart von Linz auf.

Das Auftragswerk ist der künstlerische Versuch einer Integration von Kultur und Arbeitswelt, von Kunst und Arbeit als neuer Einheit.

Vergleichbare Versuche hat die Geschichte des 20. Jahrhunderts – vor allem im Rußland der zwanziger Jahre vorformuliert, die allerdings vor dem damaligen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Hintergrund dieser Zeit zu sehen sind.

In jedem Versuch aber, Kultur und Arbeitswelt zu verbinden, liegt, damals wie heute, ein gemeinsames Risiko: die Gefahr, die Realität der Arbeitswelt zu ästhetisieren.

Die Linzer Stahloper versucht daher im Bewußtsein dieses Risikos als Modell neue Wege zu gehen: Basis für die Realisierung der Linzer Stahloper ist die akustische, optische und gesellschaftliche Dimension der Eisen- und Stahlerzeugung im Werk Linz der VOEST-ALPINE AG. Diese realen Gegebenheiten werden aber nicht vordergründig realistisch in ein Opus der Arbeitswelt umgesetzt, sondern vom Komponisten abstrahiert.

Im Mittelpunkt der Linzer Stahloper steht das "Metall" als musikalisches und dramatisches Leitthema.

Die künstlerische Umsetzung dieses Leitthemas vollzieht sich aus verschiedenen Perspektiven:
Das Metall in seiner mythologischen Dimension wird repräsentiert von Thubalkain, das Metall als industriellen Werkstoff demonstrieren die Arbeiter an ihren Maschinen, die im Verlauf der Linzer Stahloper ein Werkstück produzieren. Die szenische Darstellung der verschiedenen Perspektiven erfolgt in geschlossenen, parallel verlaufenden Bühnenhandlungen, die ein gemeinsames Gesamtbild – gleich einem antiken Fresko – ergeben. Giorgio Battistelli versucht in der Linzer Stahloper die historischen und gegenwartsbezogenen Dimensionen im Bereich der Eisen- und Stahlverarbeitung künstlerisch zum Ausdruck zu bringen.

Von der Grundkonzeption dieses Auftragswerkes für Ars Electronica 82 ist die Linzer Stahloper nicht als isoliertes künstlerisches Produkt zu sehen, sondern versteht sich als Entwicklungsprozeß in mehreren Phasen:

1. Die künstlerische Phase
Grundlage für die Realisierung der Linzer Stahloper am Aufführungstag ist eine exakte Partitur.

Diese ist künstlerisches Resultat der akustischen, visuellen und persönlichen Eindrücke des Komponisten bei verschiedenen Werksbesuchen in den Anlagen der VOEST-ALPINE AG Linz.

Die Gesamtsumme der Eindrücke wurde in einem nächsten Arbeitsschritt einer Selektion in künstlerischer und organisatorischer Hinsicht unterzogen: Die akustischen Eindrücke wurden auf die musikalische Verwendbarkeit im Rahmen einer Komposition überprüft und aus jenen Maschinen, bei denen ein Transport von der Werksanlage zum Linzer Hauptplatz möglich war, eine Auswahl getroffen.

In einem nächsten Arbeitsschritt wurden Tonbandaufnahmen produziert, die Battistelli dann im Studio weiterverarbeitete. Parallel zur musikalischen Struktur des Werkes entwickelte Battistelli die inhaltliche:
Die Linzer Stahloper wurde zum Opus des Metalls mit Thubalkain, Diderot und D'Alembert als Hauptdarstellern und mit dem Linzer Stahlorchester als ausführendem Klangkörper.

2. Die kulturpolitische Phase
Der Grundkonzeption des Kompositionsauftrages entsprechend, erfolgt die Realisierung der Linzer Stahloper auf dem Hauptplatz durch die Kooperation verschiedenster lokaler Institutionen. Der Zusammenstellung des Linzer Stahlorchesters ging eine Reihe von Gesprächen und Diskussionen mit den beteiligten Personen und Institutionen voraus, vor allem aber mit den Mitwirkenden und den Bereichen der VOEST.

Die Realisierung der Linzer Stahloper bei Ars Electronica vereint, neben professionellen Sängern, Arbeiter mit ihren Maschinen, Blasmusiker aus der Werkskapelle der VOEST-ALPINE AG Linz, das Schlagzeugensemble der Musikschule Grieskirchen, Tänzerinnen des Brucknerkonservatoriums des Landes Oberösterreich und die Kinderdarsteller aus der Musikhauptschule Harbach in Linz. Die Kostüme der Tänzerinnen entstanden in der Meisterklasse für Plastisches Gestalten–Metall an der Linzer Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung.

Als übergreifende Maßnahme wird zur Linzer Stahloper ein mediendidaktisches Konzept unter dem Generalthema "Kultur und Arbeitswelt" realisiert. Daran beteiligten sich verschiedene Arbeitnehmervertretungen, wie die Kammer für Arbeiter und Angestellte, der Österreichische Gewerkschaftsbund, die Katholische Arbeiterjugend sowie die Volkshochschule Linz und das Katholische Bildungswerk mit Vorträgen und Diskussionsabenden.

Parallel dazu wird ein durchstrukturiertes Hörfunkbegleit- und Aufbereitungsprogramm für die Linzer Stahloper gestaltet.

Ebenfalls als Begleitmaßnahme werden am Tag der Aufführung und einen Tag vorher Werksbesichtigungen in der VOEST-ALPINE AG Linz (Abfahrt: Linzer Hauptplatz) organisiert.

3. Die technische Realisierbarkeit
Die Linzer Stahloper ist eine originäre Uraufführung. Da die eingesetzten Maschinen, die große Anzahl der Mitwirkenden, aber auch der Aufführungsort, der Linzer Hauptplatz, nicht über größere Zeiträume beansprucht werden können, ist eine größere Anzahl von Proben mit allen Beteiligten nicht möglich. Die Erarbeitung der Linzer Stahloper kann daher nur in Kleingruppen erfolgen.

Da die in das Projekt eingebundenen Maschinen und Geräte nur für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung stehen, kann die erste originale Gesamtaufführung nur am Aufführungstag selbst sein.

In gewissem Sinn ist die Linzer Stahloper somit "unwiederholbar". Sie ist an das Erstmalige und Originale gebunden. Daher kommt ihr gleichzeitig ein hoher Risikofaktor zu.

Die Linzer Stahloper ist nicht künstlerisches Endprodukt, sondern ein Höhepunkt in einem Entwicklungsprozeß. Ein Entwicklungsprozeß allerdings, der in anderen Industriestädten vergleichbarer Art fortgesetzt werden kann.
KULTUR UND ARBEIT IST EINE EINHEIT
Wenn man Kultur im umfassenden Sinn versteht, also den gesamten Lebensbereich des Menschen berührend, dann muß man die Arbeiterbewegung immer schon als Kulturbewegung sehen. An ihrer Wiege standen die Arbeiterbildungsvereine. Sie bemühten sich, auch für die arbeitenden Menschen den Zutritt zu den reichhaltigen Kulturgütern zu ermöglichen.

Mit dem Aufstieg der Arbeiterbewegung zu einer gesellschaftsbestimmenden Kraft gelang es, die wirtschaftlichen Existenzvoraussetzungen zu verbessern, die Arbeitsbedingungen rechtlich weitgehend abzusichern und ein dichtes Netz an sozialer Sicherheit zu schaffen. Sicherlich ist bei der derzeitigen weltwirtschaftlichen Lage die vordringlichste Aufgabe der Gewerkschaften und Arbeiterkammern, die Arbeit für alle zu sichern, nicht nur aus Gründen der Existenzsicherung allein. Die schöpferische Arbeit ist für den arbeitenden Menschen ein ernstes Lebensbedürfnis. Sie kann zur Selbstverwirklichung führen. Sie ist ein bestimmender Teil des Lebens. Aber so wie der Mensch als Ganzes zu sehen, als ein unteilbares Wesen zu begreifen ist, das Geist und Körper vereint, so bilden Arbeit und Kultur eine Einheit. die dem Arbeitnehmer ein Selbstwertgefühl geben.

Kultur muß im weitesten Sinne als Lebenszusammenhang begriffen werden. Sie ist ohne schöpferische Arbeit undenkbar. Es gibt kein Kunstwerk, es gibt keine Kultur ohne Arbeit. In dem Maße aber, in dem dem Menschen die Freizeit wichtiger wird als das materielle Vermögen, bekommt das Leben wieder einen höheren Sinn; ein Leben, in dem die Kultur nicht nur die Stelle des Konsums einnimmt, sondern in dem Kultur das Leben ist. Die Gewerkschaften und die Arbeiterbewegung haben die Türen zu den Kulturgütern aufgestoßen. Nun kommt es darauf an, daß möglichst viele Arbeitnehmer durch diese Türen durchgehen. Darum gilt es für die Arbeitnehmerorganisationen, ihre gesellschaftspolitischen Schwerpunkte so zu setzen, daß neben den wirtschafts- und sozialpolitischen Forderungen die kulturpolitischen Forderungen gleichrangig gestellt werden. Es gilt, eine Einheit von Arbeit, Kultur und Mensch herzustellen. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft. Darum ist aber auch jeder Versuch zu begrüßen, der die Verbindung zwischen Arbeit und Kultur, zwischen Arbeit und Kunst sichtbar macht.

Ein solcher Versuch ist die Aufführung der "Stahloper" im Rahmen der Ars Electronica in Linz. Mit diesem Experiment versucht der junge italienische Komponist Giorgio Battistelli, eine Brücke zwischen Arbeit und Kultur zu schlagen. Oder besser noch, diese vorhandene Brücke sichtbar zu machen. Er stellt dabei die Geschichte der Metallverarbeitung von Anbeginn bis zur Gegenwart dar und ihre Verbindung zum Menschen. Darum wirken nach dem Willen des Komponisten Arbeiter mit, die auch sonst mit dem Metall zu tun haben. Alle 70 Mitwirkenden sind gleichberechtigte Partner bei dem Versuch der Darstellung ihrer Arbeit in künstlerischer Form. Die von der Stahlindustrie geprägte Stadt Linz bietet sich für ein so engagiertes und mutiges Unterfangen ideal an. Als Präsident der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich wünsche ich diesem gewagten Versuch viel Erfolg. Vielleicht gelingt es mit ihm, etwas deutlicher zu machen, wie eng die schöpferische Arbeit mit jeder Kunst und damit auch mit aller Kultur zusammenhängt. Mögen sich möglichst viele Arbeitnehmer auch an diesem Versuch erfreuen. Denn Kultur ist für alle da, weil grundsätzlich alle durch ihre Arbeit auch zur Verwirklichung von Kultur beitragen. Schließlich ist Kultur nicht nur ein Beitrag für die Persönlichkeitsbildung des einzelnen, sondern auch ein notwendiges Mittel gegen die abstumpfenden geist- und gefühlsfeindlichen Tendenzen der modernen Industriegesellschaft.

Fritz Freyschlag, Präsident der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich
DAS WERK LINZ DER VOEST-ALPINE AG
Mit etwa 25.500 Mitarbeitern ist das Werk Linz der VOEST-ALPINE AG der größte Arbeitgeber Oberösterreichs und die größte geschlossene Betriebsanlage in Österreich überhaupt. Das Werk an der Donau, nach der Zerstörung des Gründungstorsos zu Kriegsende in den vierziger und fünfziger Jahren neu auf- und ausgebaut, vereinigt heute neben der Eisen- und Stahlherstellung eine qualifizierte Verarbeitung des Stahls, einen Apparate- und Maschinenbau sowie große Ingenieurbüros für den weltweit tätigen Industrieanlagenbau des VOEST-ALPINE-Konzerns.

Die wirtschaftliche Bedeutung dieses industriellen Schlüsselbetriebes nicht nur für Oberösterreich, sondern für Österreich schlechthin, manifestiert sich an den Leistungen: Der Umsatz des Linzer Werkes beläuft sich auf rund 30 Milliarden Schilling, wovon 24 Milliarden Schilling oder etwa 80 Prozent im Ausland erzielt werden: Stahl aus dem Werk Linz findet sich in fast allen europäischen Automobilen und Haushaltsgeräten, Turbinen und Leitungen zur Nutzung der Wasserkraft auf vier Kontinenten, Bauteile für die nukleartechnische Industrie wurden von Linz auch nach Amerika und Asien geliefert, bahnbrechende Entwicklungen für die Stahlindustrie der Welt nahmen von hier ihren Ausgang. Komplette Industrieanlagen für die metallurgische, die chemische, die petrochemische, die Zellstoff- und die Baustoffindustrie wurden und werden hier in Linz geplant, ihre Realisierung organisiert und schließlich der Bau auf allen Kontinenten abgewickelt.

Die Ausstrahlung des Werkes reicht über die unmittelbar Beschäftigten des Werkes weit hinaus: die jährliche Lohn- und Gehaltssumme von mehr als sechs Milliarden Schilling ist eine unverzichtbare Stütze für die Kaufkraft des gesamten oberösterreichischen Wirtschaftsraumes und insbesondere vieler kleiner Betriebe des Handels und des Dienstleistungsgewerbes. Mehr als drei Milliarden Schilling werden pro Jahr von der VOEST-ALPINE AG an Zulieferaufträgen bei anderen oberösterreichischen Firmen bestellt. Mehr als zehntausend Arbeitsplätze außerhalb des Unternehmens in Oberösterreich finden damit ihre Grundlage im Bestand dieses Werkes. Die Ausbildung von Fachkräften, die das Unternehmen allein im Werk Linz mit einem Aufwand von mehr als 100 Millionen Schilling pro Jahr leistet, ist darüber hinaus ein weiterer Beitrag zur Stärkung der gesamten Volkswirtschaft.
LINZER KIWANIS GLOCKENSPIEL
Den Auftakt für die Linzer Stahloper bilden die Bruckner-Klänge des Linzer KIWANIS GLOCKENSPIELS.

Dieses in einer Fensteröffnung der Attica-Mauer des Hauses Hauptplatz 18 installierte Glockenspiel wird kurz vor der Linzer Stahloper eröffnet.

Die aus 19 Glocken bestehende elektronisch gesteuerte Klanganlage spielt das Hauptthema der "4. Symphonie" und des "Klavierstückes in Es-Dur" von Anton Bruckner.

Diese Kompositionen wurden von Professor P. Augustinus Franz Kropfreiter in Glockenspielsatz gebracht.

Ab 25. September 1982 ist das Glockenspiel täglich zweimal – um 11 und 17 Uhr – zu hören. Die beiden Bruckner-Themen werden in der Originaltonart "Es-Dur" gespielt, die Spielzeit beträgt etwa vier Minuten.

"Der Kiwanis-Klub Linz als Initiator der Anlage hofft, mit dem Linzer KIWANIS GLOCKENSPIEL den Bürgern, Besuchern und Freunden der Stadt Linz Freude zu bereiten und glaubt darüber hinaus, eine passende Bereicherung der Linzer Fußgängerzone am Hauptplatz und damit eine weitere Belebung der Linzer Altstadt zu erzielen.

Mit Absicht wurden Bruckner-Melodien gewählt, weil der Kiwanis-Klub Linz der Überzeugung ist, der Bruckner-Stadt damit einen Dienst zu erweisen. Für die ideelle und finanzielle Unterstützung dankt der Kiwanis-Klub Linz dem Bürgermeister der Stadt Linz, Herrn Hofrat Franz Hillinger, sowie den zahlreichen Spendern."

Arch. Dipl.-Ing. Gerhard Sedlack, Präsident des Kiwanis-Klubs Linz