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Ars Electronica 1982
Festival-Programm 1982
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Festival 1979-2007
 

 

Sky Art Conference ´82




24. –29. September 1982

VORSITZENDER: Yash Pal, Generalsekretär der zweiten UNO-Konferenz zur Erforschung und friedlichen Nutzung des Weltraums

DIREKTOR DER KONFERENZ: Otto Piene, Direktor des Center for Advanced Visual Studies am Massachusetts Institute of Technology

CHEFBERATER UND AUSSTELLUNGSKOORDINATOR: Lowry Burgess
Professor, Leiter des Graduate M.F.A. Program am Massachusetts College of Art

KO-DIREKTOR: Elizabeth Goldring, Ausstellungs- und Projektleiter am Center for Advanced Visual Studies am Massachusetts Institute of Technology

Center for Advanced Visual Studies Massachusetts Institute of Technology 40 Massachusetts Avenue
Building W 11, Cambridge
Massachusetts U2139; Telephone: (617) 253-4415

BEGRÜßUNG
Die Sky Art Conference wird unsere kulturelle Mission in Himmel und Raum weiter erfragen. Sie ist der friedlichen Nutzung unserer sich weitenden Welt gewidmet – des Universums, das durch Phantasie, Wissenschaft und Technologie faßbar geworden ist.

Sie ist der Neugier gewidmet, schöpferischer Vorstellung und mitteilbarem, menschlichem Ausdruck, dem Spiel, dem Staunen und der Suche nach verstehender Übereinstimmung mit zeitgenössischen Mitteln, dem Zusammenschluß menschlicher Bemühung in menschlichem Maßstab, Dingen, die leichter als Luft sind; Botschaften, die schlank sind, die weit reisen, mit angemessener Pointe, der Drachenschnur, Kranichen, dem Mann im Mond, Paul MacCready, Harold Edgerton und unserer Tagesration am Ende des Regenbogens.

Otto Piene, Düsseldorf, 1. September 1982
DANK
Wir danken herzlich dem Internationalen Brucknerfest Linz, der Ars Electronica, der LIVA, dem ORF und ihren Direktoren und Mitarbeitern für ihre Einladung und ihre tatkräftige Gastfreundschaft. Gern fügen wir Dank hinzu an viele andere Förderer und ihre Beiträge – besonders unsere Universität – das Massachusetts Institute of Technology – und die US-Botschaft in Wien.

Wir heißen nachdrücklich willkommen zur Sky Art Conference 82 die Fellows und Graduate Students unseres Instituts, des Center for Advanced Visual Studies/M.I.T., und unsere eingeladenen Gäste und Mitarbeiter und die vielen Besucher, Freunde und Teilnehmer, die aus Interesse an gegenwärtigen Manifestationen von Kunst und Technologie, Sky Art und Telekommunikation jetzt nach Linz kommen.

Otto Piene, Elizabeth Goldring
TERMINKALENDER
Freitag, 24. September 1982

11.30 Uhr: Brucknerhaus, Großes Foyer
Eröffnung Ars Electronica 82 mit SKY ART CONFERENCE 82 (Center for Advanced Visual Studies/Massachusetts Institute of Technology)

14 Uhr: Donaupark
SKY ART 82 – Sky Events
Otto Piene: "Icarus"
Charlotte Moorman/Otto Piene: "Sky Kiss"
Jose Maria Yturralde: "Box Kites"
Dale Eldred: "Line of Fire" (täglich)

Samstag, 25. September 1982

10 Uhr: Donaupark
SKY ART 82 – Sky Events
Jose Maria Yturralde: "Box Kites"
Howard Woody: "Linz Sky Buoy"
Tal Streeter: "Linz Line"

20 Uhr: Brucknerhaus, Großer Saal
"ICARUS" – Laser-Oper für Multimedia und Elektronik
Komponist: Paul Earls
Visualisation: Otto Piene, Ron Hays, Vin Grabill, Betsy Connors
Direktor: Ian Strasfogel
Konzept: Otto Piene, Center for Advanced Visual Studies, Massachusetts Institute of Technology

Sonntag, 26. September 1982

10 Uhr: Brucknerhaus, Großer Saal
"ICARUS" – Laser-Oper für Multimedia und Elektronik (Wiederholung)

12 Uhr: Donaupark
SKY ART 82 – Sky Events
"Kites" von Tom Van Sant, Lisa Van Sant, Tal Streeter, Jose Maria Yturralde

15 Uhr: ORF-Landesstudio Oberösterreich, Foyer
Nam June Paik/Charlotte Moorman: "Konzert"
Elizabeth Goldring: "International Alarm"

Montag, 27. September 1982

10 bis 18 Uhr: ORF-Landesstudio Oberösterreich, Publikumsstudio
SKY ART CONFERENCE 82
SKY ART (Podiumsgespräche)
Präsentationen: 10 bis 16 Uhr
Diskussion: 16 bis 18 Uhr

16 Uhr
Stan VanDerBeek: "Computer Animated Film and Video of Stan VanDerBeek"

Dienstag, 28. September 1982

10 bis 18 Uhr: ORF-Landesstudio Oberösterreich, Publikumsstudio
SKY ART CONFERENCE 82
Telekommunikation (Podiumsgespräche)
Präsentationen: 10 bis 16 Uhr
Diskussion: 16 bis 18 Uhr
Vera Simons: "Drift Linz" – Ballonflug mit "art events" in Zusammenarbeit mit Peter Moll
Aldo Tambellini/Sarah Dickinson: "SKYGRAM" (für Marconi) – Telekommunikationsevent
Otto Piene:
SKY ART
Man kann die Bibel und die griechische Mythologie als Nachschlagwerk über Sky Art, über ihre Ausdruckskraft, ihre Möglichkeiten und Zielsetzungen bezeichnen, vor allem und besonders anschaulich die Offenbarung des Johannes. Archäologen, Historiker, Wissenschaftler bemühen sich, die Zeichen von Nasca, Stonehenge und Neu-Mexiko zu entschlüsseln. Seit sich die Menschheit in absichtlichen Aufzeichnungen darstellt, wurden Himmelsbeobachtungen und darauffolgende menschliche Reaktionen in Kunst oder Wissenschaft umgesetzt.

Viele Religionen sind von dem Glauben durchdrungen, daß die menschliche Seele ätherisch ist und fliegen kann. Die Versuche, den ätherischen Verkehr zu regeln, das heißt, die Wanderungen der Seele zu ermöglichen, aber auch einzuschränken, haben die Volkswirtschaft im alten Ägypten durch den Bau der Pyramiden stärker belastet als die NASA die Wirtschaft der Vereinigten Staaten. Wir kennen den Einsatz des Mittelalters beim Bau der gotischen Kathedralen und können die Ergebnisse betrachten, die Türme der Dome von Chartres, Köln, Ulm, wie filigrane Attrappen von Weltraumraketen – ein Beispiel für die Dialektik, die das Verhältnis von Physik zu Metaphysik beherrscht. Engel sind "Modellflieger". Icarus ist ein Fürst der abendländischen Mythologie, sein Vater Daedalus hingegen scheint eher im "Menschen des M.I.T." personifiziert.

Neue Kunstformen, wie die Holographie, die Laserbildprojektion (Rockne Krebs, Paul Earls), Computermusik (Barry Vercoe), Computergraphik (Ron MacNeil) und Computerprogrammierung von Multimedia-Vorführungen (Bernd Kracke), sind Beispiele dafür, wie Künstler die Ergebnisse von Wissenschaft und Technik in neuen Medien anwenden. Andrerseits ist auch der Einfluß der Künstler auf die Entwicklung der Medien beachtlich: Als Beispiel sei Harriet Casdin-Silver und die Weißlichtholographie genannt und die Entwicklung der Video Synthesizer, die zum Teil auf den (Nam-June-) Paik/Abe Synthesizer zurückgeht.

Die Künstler haben die Bedeutung der Telekommunikation wiederentdeckt: ihre eigene, private, subjektive, oft spielerische oder anscheinend spielerische Kommunikation (Aldo Tambellini, Stan VanDerBeek) wird der Kommunikation über das öffentliche Netz für nationale und internationale Zwecke zur Seite gestellt. Den Künstlern geht es nicht nur um Fragen von Stil, Technik, Durchführung oder Wert und Qualität, sondern darum, wieweit das Medium und das Telekommunikationsnetz fähig sind, Gefühle, Empfindungen, Nuancen, leise Töne zu übermitteln. Dafür werden die Träger, die Hilfsmittel entweder in direkter interdisziplinärer Zusammenarbeit entwickelt oder übliche oder fortschrittliche Technologien werden modifiziert oder "frisiert". Ob der Inhalt der Botschaften nun "Liebe" im Gegensatz zu "Krieg", "Intimität" im Gegensatz zu "Publizität", "Himmel" im Gegensatz zu "Weltraum" oder "grün" im Gegensatz zu "rot–weiß–blau" ist, private und expressive Telekommunikation erfordert Zusammenarbeit von Künstlern, Wissenschaftlern und Technikern und oft auch der Industrie.

Ich war der erste, der, nicht aus Boston kommend, dazu eingeladen wurde, als Fellow auf dem Gebiet, das damals oft "Kunst- und Technologie" genannt wurde, zu arbeiten. Mein erstes öffentliches Projekt am Center for Advanced Visual Studies des M.I.T. war im Jahr 1968 das "Light Line Experiment". Dazu benötigte ich zwanzig Mitwirkende, etwa 300 Meter Kunststoffschlauch, der mit Helium gefüllt war, und ein Lastauto mit zwei starken Scheinwerfern. Das nannte ich ein "sky event". Ich arbeitete damals zum ersten Mal mit Walter Lewing, einem Astrophysiker des M.I.T.-Raumforschungszentrums, zusammen; eine Zusammenarbeit, die in den folgenden Jahren ihre Fortsetzung finden sollte. 1969 schrieb ich ein Buch "MORE SKY" (1) und veröffentlichte eine Mappe mit 25 Lithographien "SKY ART". (2)

Ken Sofer schreibt in ARTNEWS (3): "… Elizabeth Goldring, die mit Professor Piene die Konferenz leitet, beschreibt es einfach als 'Kunst, die fliegt'", und weiter "… eine Reihe von 'Leuchten' nahmen an der Konferenz teil: der Laserkünstler Rockne Krebs; Paul MacCready, Erfinder von funktionierenden menschen- oder sonnenbetriebenen Flugmaschinen; der Bildhauer Heinz Mack, der mit Piene die Zero-Gruppe gründete; der Wissenschafter Louis Friedman, amtsführender Direktor der Planetary Society, einer Gruppe, die sich die Förderung der Erforschung des Weltalls zum Ziel gesetzt hat; Harold Edgerton, ein Pionier der Stroboskopie (Hochfrequenz-Fotografie); Stephen Crites, ein methodistischer Theologieprofessor, der einen aufsehenerregenden Vortrag über 'Heiliges All und das Himmlisch-Erhabene' hielt; der Schriftsteller und Videokünstler Douglas Davis; und der Architekt Paolo Soleri, wie noch weitere" und dann folgt ein Zitat aus meiner Einleitung zum Katalog (4): "Raum ist – immer noch geheimnisvoll – innerer und äußerer Raum, ist der Raum der Seele, die vom geographischen Raum umschlossen ist, und ist geographischer Raum, der der Seele innewohnt … Die Künstler wollen uns dorthin führen, wohin Menschen sich begeben und wohin sich der menschliche Geist und die menschliche Seele begeben – auf imaginäre und reale Exkursionen."

Bei der Konferenz von 1981 zeigte sich, daß es jeden Teilnehmer, aus welchem Arbeitsgebiet oder Anschauungslager er auch kam, danach drängte sich mitzuteilen, zu kommunizieren. Einer der Künstler, dessen schriftliche und mündliche Äußerungen und Aktionen mit der Fachsprache der Wissenschaftler und Ingenieure nichts gemein hat, erhielt höchste Aufmerksamkeit: Es war Lowry Burgess, der in den vergangenen fünf Jahren Agglomerate von kunstvollem Zauber in fernen Landen wie in der Wüste Afghanistans und auf den Osterinseln versenkt hat. Sein Glaube an ein sinnerfülltes, kohärentes, geistgelenktes All bringt ihn dazu, einer pantheistischen Haltung in Objekten und suggestiven Verbindungen Ausdruck zu verleihen, und damit das All als das höchste Wunder zu verehren. Seine Projekte haben poetische Namen wie "Geneigter Galaktischer Lichtsee" und "Tor zum Äther (im Weltall über das utopische Gefäß zu plazieren)" und sind Teil seiner selbsterstellten "Stillen Achse" in seinem Bezugssystem stellarer, universaler Konstellationen, das alle Menschen und alle belebte Materie einschließt (letztere vertreten auch durch Pigmente, Hologramme, Prismen, Stiche, die in sorgfältig gefertigten Urnen aufbewahrt werden). Er bezeichnet seine Arbeit als universale "Dichtung, durch Bilder und 'befrachtete' Objekte erweitert".

In einer Erklärung, die ich 1961 für ZERO 3 (5) schrieb, zeigt sich eine Verwandtschaft zu dem romantischen Pathos von Burgess: "Der Mensch, der seinen Körper seinen Geist beherbergen läßt und seinen Geist den Körper erheben läßt, der diesen zeitlosen Augenblick, diese himmlische Realität erlebt, um frei den Raum zu durchschreiten, dieser Mensch hat den Himmel in sich." Einige Zeilen weiter wies ich mit einem Satz auf zukünftige Wirklichkeit: "Warum gibt es keine Kunst im Weltraum, warum haben wir keine Darbietungen am – im Himmel … Bis jetzt haben wir es dem Krieg überlassen, den Himmel zu erleuchten …"

Wie man Kunst verstehen kann als den unablässigen Versuch der Menschheit, Krisen mit schöpferischen, friedlichen Mitteln zu bewältigen, so kann man, in zwar einengender, aber doch vertretbarer Weise, Sky Art als Versuch bezeichnen, den nuklearen Wettstreit auf nichtnukleare Weise zu bewältigen. Der nukleare Schauplatz bietet uns großformatige Bilder der Hölle, die so faszinierend sind wie die kleinformatigen von Hieronymus Bosch. Sky Art strebt danach, in einer Welt (den Himmel eingeschlossen), die im Banne der wuchernden Kriegsgeräte steht, eine "positive" Bilderwelt zu entwickeln. Sie arbeitet mit den geringen Mitteln, die der Staat für die Kunst im allgemeinen zur Verfügung stellt (und das ist kümmerlich im Vergleich zu dem, was der Staat für Verteidigung, Forschung, Gesundheitswesen und Pac Man ausgibt).

Der "Olympische Regenbogen" anläßlich der Schlußfeier der XX. Olympischen Spiele in München 1972 ist wohl mein bisher spektakulärstes Sky-Art-Objekt. Während beinahe zwölf Stunden wurde dieses 60 Meter lange, mit Helium gefüllte Stratofilmobjekt kunstvoll beleuchtet und nach Protokoll- und Medienregie "enthüllt". Das aufblasbare Objekt war von Winzen Research, einer Gesellschaft, die aufblasbares Material für wissenschaftliche Zwecke erzeugt, hergestellt worden. Der "Regenbogen" bewies, wie selbst relativ niedrig fliegende Himmelskunst ein breiteres Publikum und mehr Menschen ansprechen kann als traditionelle Kunstwerke und auch, daß der Luftraum nicht nur Flugzeugen und todbringenden Geschoßen vorbehalten ist. Er zeigte auch, daß sich das große Format für eine Verbreitung im "dritten Maßstab", dem Maßstab der Großmedienverbreitung, eignet.

Tom Van Sant ist ein hervorragender Bildhauer aus Los Angeles, der sich in vielen künstlerischen Medien fliegender Symbole bedient hat. Er hat Drachen mit der traditionellen, fernöstlichen Eleganz gebaut und arbeitet nun an Plänen für eine meilenlange Jakobsleiter (eine Drachenkette), auf der ein Mensch himmelwärts klettern kann. Zu seinen Projekten gehören auch Riesendrachen, die in großen Höhen Energie speichern sollen. Für die Feiern anläßlich des zweihundertjährigen Bestehens von Los Angeles schlug er "Reflexionen von der Erde" (6) vor (blieben unausgeführt), die er folgendermaßen beschreibt: "ein kulturelles Festprogramm des Weltraumzeitalters … Mit diesem Spiegel-Reflexionsset kann jedes Schulkind oder jeder Einwohner bei sorgfältiger Einstellung selbst eine Weltraumhandlung setzen und sehen …"

Als feststand, daß diese öffentliche Version der "Reflexionen" nicht durchgeführt würde, gingen Tom Van Sant und seine Frau Lisa mit einigen Helfern daran, im Gebiet der kalifornischen Shadow Mountains ein Auge aus Spiegeln, das "Shadow Mountain Eye" auszulegen (1980), und dieses wurde durch Landsat aufgenommen. Davon konnten wunderschöne Fotografien entwickelt werden – es entstanden Bilder, die nur mit Hilfe des Satellitenauges entstehen konnten.

Dazu Tom Van Sant:
"… aus einer Entfernung von 1000 Kilometern über der Erde, aus dem Weltraum von dem NASA-Satelliten Landsat II am 11. Juni 1980 aufgenommen, zeigt das Bild ein Auge, das gen Himmel blickt und 2,24 km mißt … Neunzig Spiegel zu je 60 cm2 wurden auf dem Wüstenboden ausgelegt und sorgfältig so eingestellt, daß sie in die Satellitenlaufbahn reflektierten. Die von jedem Spiegel ausstrahlende Energie wurde von dem entsprechenden Sensor in dem Augenblick reflektiert, als der Satellit das Bild von der Erde aufnahm. Obwohl der einzelne Spiegel nur klein ist, erfüllte seine Reflexion eine Fläche in der Größe von über 4000 m2 … Das ganze Bild besteht aus diesen quadratischen Reflexionen …"
Dr. William Evans unterstützte den Künstler mit seinem Rat. Diese Zusammenarbeit fand ihren Niederschlag in einem Referat von Peter Bormann und Juan José Tasso mit dem Titel "Die Markierung von Satellitenbildern: Ein Mittel zur Verbesserung der Bildaufzeichnung für kartographische Zwecke und zur Schaffung von Weltraumkunstwerken" (7).

Seit Jahren unterhält Lowry Burgess Kontakte zu NASA-Verantwortlichen, um im Weltraum ein Eishologramm zu plazieren und zu verteilen, das die größten Flüsse der Erde darstellen soll. Er hat jedoch noch keinen Frachtvertrag unterschrieben, da von der NASA in das Shuttleprogramm nur aufgenommen wird, was einen wissenschaftlichen Zweck erfüllt.

Der erste Künstler, der schon einen Shuttleflug-Kontrakt hat, ist Joe Davis, ein 31jähriger Bildhauer aus Gulfport, Mississippi, der "seit einem Motorradunfall mit einem Holzbein um die Erde saust und über Technologie spricht, als ob er sie mit der Muttermilch eingesaugt hätte …"

Das Projekt von Burgess könnte man wohl Concept-art nennen – denn die tatsächliche Durchführung wird nach der vorgeschlagenen Aussetzung im All unser physisches Sehen und Hören nicht direkt tangieren; das erste Weltraumwerk von Davis, "New Wave Ruby Falls", hingegen soll sichtbar werden, obwohl es auch der Concept-art zugerechnet wird, Er möchte "einen Farbvorhang in den Himmel setzen, der aus trägen Gasen besteht, die durch Beschuß mit einem elektronischen Strahl zum Glühen gebracht werden." (8)

Einige M.I.T.-Wissenschaftler bleiben skeptisch, was zum Beispiel die Art der Auslösung betrifft – das Projekt ist aber jedenfalls schon in das "Programm der kleinen, unabhängigen Frachten" oder, wie es von den NASA-Leuten gern genannt wird, das "GAS (Get Away Special)" aufgenommen, und wir erwarten, innerhalb der kommenden 12 oder 18 Monate Joe's "Las Vegas am Himmel" (so sagt er) sich entfalten zu sehen. Er hat noch weitere Projekte auf Lager: Ein Chevrolet auf dem Mond, von Robotern betrieben; ein Kriegsdenkmal auf dem Mars – und zwar "ein Trojanisches Pferd aus Lehmziegeln aus Marserde und flüssiger Kohlensäure gemacht" ; ein aufblasbares Stonehenge, das die Erde umkreist; und weitere. Joe Davis, ich selbst, Lowry Burgess und das Center for Advanced Visual Studies haben gutes Geld für eine beträchtliche Anzahl weiterer Reservierungen für GAS-Fracht angezahlt.

Die mitreißende Begeisterung der Künstler, die Skepsis der Wissenschaftler und die Nüchternheit der Techniker bezüglich der Durchführung sind untrennbar mit allen gemeinsamen Aktionen von Kunst und Technologie verbunden. (So mußte ich vor zwölf Jahren dem "Unmöglich" eines Nobelpreisträgers entgegnen "Ich habe es schon getan" – was auch stimmte!). Davis antwortet auf die Frage "Warum?": "… um zu überleben, für Hoffnungen, Träume und Phantasie, für all das, um das es eigentlich geht." Es fällt einem ein, daß der zähe Michael Collins sein Buch über den Mond "Carrying the Fire" – "Das Feuer weitergeben" genannt hat.

Sky Art, wie wir sie verstehen, ist eine Ausweitung der Environment-Art. Sie hat physikalische, meist dreidimensional-zeitliche Komponenten. Wenn sie oft auch ephemer ist – eher vergängliche Events als feste, dauerhafte Materialisation –, so zielt sie doch auf Sichtbarmachung, auf ein Publikum, auf weite Verbreitung. Zweidimensionale Bildhaftigkeit, d. h. Bildsuche und Darstellung, sind wohl ein Teil davon, aber so, wie die einzelnen Steine ein Mosaik ergeben, wie die einzelnen Rollen ein Drama ergeben. Die Künstler von Sky Art anerkennen die Bedeutung der Zuwendung der Wissenschaftler zur visuellen Erforschung, und vielleicht sind wir auf dem Weg zu einer neuen Renaissance des Künstler-Wissenschafters.

Persönlichkeiten wie Yash Pal, Generalsekretär der Unispace-Konferenz 1982, und Paul MacCready, der Mann, dem es gelungen ist, endlich mit eigener Muskelkraft zu fliegen, haben die aus dem Weltraum von der Erde gemachte Aufnahme als "das wichtigste Bild, seit es Bilder gibt" bezeichnet, Wir begrüßen es, wenn Voyager und weitere Missionen den Wettstreit um ihre Sky Art, "1D, 2D, 3D, 4" (9), fortsetzen, um der Information, der Schönheit, der Wissenschaft, der Religion, der Kunst willen; mit Künstlern, Wissenschaftlern, Technikern, Fliegern; Männern, Frauen, Kindern jetzt und demnächst, "für all das, um das es eigentlich geht."

Aus einem Referat für den 33. Internationalen Astronautenkongreß in Paris (1982)´
Otto Piene:
DAS CENTER FOR ADVANCED VISUAL STUDIES AM MASSACHUSETTS INSTITUTE OF TECHNOLOGY
(Ausschnitt aus einem Interview)

Das Center for Advanced Visual Studies wurde 1967 von Gyorgy Kepes als Workshop und Forum für außergewöhnliche Künstler gegründet. Er hatte schon seit Ende der fünfziger Jahre als Professor am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, Massachusetts, diese Idee verfolgt. Ich, ein Künstler in Europa, hatte von Kepes gehört. Als ich in den Vereinigten Staaten 1965 meine erste Ein-Mann-Show "Lichtballett" in New York machte, kam eines Tages eine Gruppe distinguiert aussehender Herren herein, einer von ihnen war – Gyorgy Kepes: Er sagte mir, daß er meine Arbeit kenne und lud mich zu einer Vorlesung nach Cambridge, MA, ein. Nach der Vorlesung lud er mich in sein Büro und erzählte mir, daß er im Begriff sei, das Center for Advanced Visual Studies zu schaffen und fragte mich, ob ich als Fellow mitarbeiten wollte. Wir standen zwei Jahre in brieflichem Kontakt, bis das Center eröffnet wurde. Der erste dort ansässige Fellow am C.A.V.S. war Harold Tovish, ein Bildhauer aus Boston, den damals die Vorstellung bewegte, wie der Mensch von der Technologie betroffen, gequält und auch angetrieben ist. Ich selbst war der erste Fellow des Center von außerhalb. Später gesellten sich weitere dazu, während der ersten zwei Jahre gab es bloß vier oder fünf Fellows am Center.

Man könnte sich nun eine Art Familien-Stammbaum vorstellen, eine Genealogie des Centers, welche die Geschichte der Beziehungen zwischen Kunst und Technologie, zwischen Kunst–Wissenschaft–Technologie oder auch zwischen Kunst–Wissenschaft–Technologie–Industrie im 20. Jahrhundert aufzeigt. Kepes kam von Budapest über Wien nach Berlin und wurde dort Assistent von Moholy-Nagy. Moholy lud Kepes ein, ihm nach London und später nach Chicago zu folgen, wo sich das Neue Bauhaus konstituierte – Kepes wurde 1938 Chef der Bauhaus Licht-Abteilung. 1946 ging Kepes an die Fakultät für Architektur und Planung am M.I.T. Auf Generationen von Architekten und anderen Leuten, die sich für visuelle Kunst interessierten, übte er beträchtlichen Einfluß aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das M.I.T. zunehmend zu einer Universität anstatt einer Technischen und Naturwissenschaftlichen Hochschule, so daß es logisch erschien, die Künste als Teil der allgemeinen Ausbildung und Ausrichtung anzusehen. In den sechziger Jahren, als es in den Vereinigten Staaten viel politische Unruhe gab, war das M.I.T. empfänglich für den Geist der freien Kreativität, wie ihn Künstler vertreten. Es war die rechte Zeit zur Gründung eines Forschungsinstitutes, das den schöpferischen, künstlerischen Geist – diesen Geist der Untersuchung, Phantasie, Erfindungskraft und Intuition – mit methodischer Forschung auf dem Gebiet der Naturwissenschaft und hochentwickelter Technik verbinden sollte.

Das M.I.T. ist eine Technische Universität mit Forschungsinstituten, zu denen solch mächtige, große Zentren gehören wie das Zentrum für Weltraumforschung, jenes für Krebsforschung oder für Theoretische Physik und auch unser eher bescheidenes Zentrum. So ist also das C.A.V.S. ein Forschungsinstitut, das einer Universität angeschlossen ist.

Etwa 15 unserer 25 Fellows sind Künstler, die übrigen sind Wissenschaftler und Forscher. Wir haben zunehmend mehr Residents (ortsansässige Mitarbeiter) mit höherem akademischen Grad, gegenwärtig haben wir sieben oder acht Doktoren der Philosophischen Fakultät. Wir haben Künstler, die Objekte, Projekte, Environmentwerke schaffen. Zu uns gehören aber auch Wissenschaftler und Forscher, deren Zielsetzungen wohl mit Kunst etwas zu tun haben, aber nicht unbedingt auf Kunst ausgerichtet sind. Sie alle finden am M.I.T. Partner in Wissenschaft und Technik, mit denen sie an ihren Programmen arbeiten können.

Es gibt einige Hauptinteressensgebiete. Ein Großteil unserer Arbeit gilt der Entwicklung der Medien, um den Einfluß und die Zugänglichkeit der Kunst zu erweitern. Wir befassen uns mit der Wechselwirkung von Kunst und Technologie in der Bewältigung der zunehmenden Bedeutung der Kommunikation. C.A.V.S. beschäftigt sich mit Environmentkunst und -design in großem Maßstab, mit dem Ziel, unsere physische und psychische Umwelt zu verschönern. Ein weiterer Teil unserer Tätigkeit kann als "Kunst des Feierns" bezeichnet werden. Außerdem bieten und fördern wir Bildung für die neue Kunst und für ein breiteres und genaueres Verständnis für unsere Umwelt.

Einige Aktivitäten des C.A.V.S., seit ich 1974 Direktor des Zentrums wurde: Teilnahme an einem neuen, interdisziplinären, wissenschaftlichen Programm des M.I.T., das mit dem Titel eines Master of Science in Visual Studies abgeschlossen werden kann; "ARTTRANSITION", eine Konferenz mit künstlerischen Events im öffentlichen Rahmen, "Centerbeam" und "Centerbeam D.C", große, von einer C.A.V.S.-Gruppe geschaffene Medienskulpturen und Sky Events im öffentlichen Raum, wie die National Mall in Washington, D.C, eine Straße beim Nationalen Luft- und Raumfahrtmuseum; und die erste Sky Art Conference (1981) am M.I.T., der weitere Konferenzen folgen sollen, wie die in Österreich (1982), in Paris (1983), und dann Los Angeles (1984), die im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen veranstaltet und mittels Telekonferenz nach Japan übertragen werden soll.
YASH PAL
Für mich liegt die wahre Bedeutung dieser Konferenz darin, den gesamtheitlichen Zusammenhang herzustellen zwischen unserem Leben mit dem weit offenen Universum einerseits und der Verwendung des Himmels nicht nur als Quelle weiter, schöner Farben und als Gebiet der Astronomie, sondern als Verbindungskanal anderseits, nicht nur mit dem Außerirdischen, sondern zwischen verschiedenen Punkten der Erde. Denken Sie hier nicht nur an wissenschaftliche Bereiche und schöne Bilder, Poesie und Philosophie, vergessen Sie alle diese Unterscheidungen und genießen Sie alle Aspekte dieses Ganzen.

Mit der Entwicklung der Weltraumtechnologie, speziell der Kommunikationsmedien, eröffnet sich eine neue Perspektive, insbesondere für weiträumige Länder, die im Kommunikationsbereich bisher rückständig waren. Mich hat die Möglichkeit gefesselt, sehr schnell ein System aufzubauen, das es ermöglicht, mit Leuten in fernab gelegenen Gebieten zu kommunizieren und dabei möglichst zu erproben, ob dieses System für ein sinnvolles Erziehungsprogramm verwendet werden kann. So kam ich zum Raumfahrtprogramm – und ein Ding führte zum nächsten. Derzeit lastet auf mir die Verantwortung, bei der Organisation der zweiten UNO-Konferenz über die friedliche Nutzung des Weltraumes mitzuhelfen. Dies gab mir Gelegenheit, eine Menge von der Welt zu sehen, eine Menge von Orten kennenzulernen. Als meinen Beitrag zur "Sky Art" habe ich einige Aufnahmen gemacht, aber sie sind noch nicht entwickelt.

Ich bin vor kurzem von einem Besuch in Frachino, Italien, zurückgekehrt. Frachino ist eine der größten Sendestationen. Dort stehen sechzig oder siebzig Antennen mit bis zu 200 Metern Höhe, 1500 Meter hoch im Apennin gelegen. Die meisten davon scheinen in eine bestimmte Richtung aufwärts zu zeigen, manche sind 30 oder 35 Meter groß, andere wieder fünf bis zehn Meter und sehen aus wie stumpfsinnig in den Himmel glotzende Vögel.

Eine nach der anderen kommt beim Vorbeifahren ins Blickfeld, alle zusammen ergeben eine riesige Landschaft. Natürlich schauen sie alle in Richtung jenes Bogens in 36.000 Kilometern Höhe, wo an verschiedenen Orten die Satelliten stationiert sind. Der ganze Weltraum ist voll davon und durch sie sprechen die Leute miteinander, von West nach Ost, von Nord nach Süd. Von überall her werden Nachrichten übertragen, Bilder gesendet und ich hoffe, der Kommunikationsinhalt ist entsprechend. Bilder kommen von Landsat-Satelliten, alle möglichen Arten von Sachen werden gesendet an jeden nur möglichen Ort der Welt – und all das in vollkommener Stille. Irgendwie haben diese verschiedenförmigen und unterschiedlich großen Parabolantennen immer wunderschön ausgesehen, aber wenn man ihre eigentliche Aufgabe betrachtet, erkennt man noch einen Zusammenhang: Inmitten des Ganzen steht in Frachino ein Teil des Schiffsrumpfes der Yacht "Elektra", die Marconi zur Übersendung seiner Signale über den Ozean benützt hat. Eines dieser Signale hat sogar das Sydneyer Opernhaus und das Sydneyer Rathaus beleuchtet – einfach durch einen Knopfdruck in Italien. Der Anblick der Übereste dieses Ereignisses inmitten des Ganzen ist wie der einer wunderschönen Skulptur.

Auszug aus "Unispace", Referat gehalten anläßlich der Sky Art Conference 81 am 29. September 1981.
Gyorgy Kepes:
"ICARUS, DAEDALUS, ANTAEUS“
Da alles seine Vorfahren und alles seine Zukunft hat, möchte ich zuerst Friedrich Nietzsche zitieren, den großen deutschen Dichter, der ein Mann vieler Heimsuchungen und auch ein Mann großer Träume war. Er schrieb: "Derjenige, der eines Tages den Menschen fliegen lehrt, wird alle Bezugspunkte verrücken. Ihm werden alle Bezugspunkte selbst in die Luft gehen. Die Erde wird neu getauft als ein leichter Körper."

Ich finde, das ist ein schöner Gedanke zu einem Thema, mit dem wir uns alle beschäftigen. Der Astronaut William Anders machte nach seiner Landung folgende Bemerkung: "Die Erde sieht vom Himmel so winzig aus, daß ich sie im Verlauf der Apollo-8-Mission gelegentlich kaum finden konnte. Wenn man sich vorstellt, daß man sich in einem dunklen Raum befindet, in dem man nur ein Objekt klar sehen kann – und zwar eine kleine blau-grüne Kugel, ungefähr so groß wie eine Christbaumkugel – dann hat man eine Ahnung davon, wie die Erde aus dem Weltall aussieht. Ich glaube, daß wir uns im Unterbewußtsein alle die Erde flach oder zumindest unendlich vorstellen. Wir sollten sie uns aber nicht als eine riesige Masse, sondern als eine sehr zerbrechliche Christbaumkugel vorstellen, die wir äußerst vorsichtig behandeln könnten oder sollten."

Für mich heißt das, daß es in unserem Wissen und unserer geistigen Überzeugung bestimmte Annahmen gibt, daß wir gewisse Dinge als wahr erwiesen annehmen, auch wenn sie nicht wahr sind. Wenn es möglich ist, unseren Bezugsrahmen neu zu erstellen und uns in diesem erweiterten Horizont zu betrachten, dann wird es uns eher gelingen, unsere so ungelöste menschliche Existenz einer Lösung zuzuführen …

Viele Umstände führen dazu, die Verbindung zwischen Kunst und Wissenschaft zu verschleiern, ohne sie zu verändern. Unter "Künstler" und "Wissenschaftler" versteht man oft dieselbe Person, obwohl doch jeder der beiden ein Spezialist ist. Heutzutage liegt wesentlich mehr Gewicht auf der Wissenschaft. Zu anderen Zeiten ist die Stellung der Kunst zur Wissenschaft ungeklärt. Im Jahre 1596 klagte Kepler in einem Brief an Baron Harberstand: "Muß man den Wert des himmlischen Objektes mit Münzen messen wie Nahrung? Aber so mag man wohl fragen, wozu ist alle Kenntnis der Natur, aller Astronomie gut, für einen hungrigen Magen? Maler dürfen ihr Werk fortsetzen, weil sie die Augen damit erfreuen. Musiker, weil sie die Ohren erfreuen, obwohl sie uns sonst nicht zu Nutzen sind. Wer gegen die Freude ist, ist gegen die Natur." In solch einem anderen Klima der Humanität mußten die Wissenschaftler um Hilfe bitten und die Künstler, sie waren die crème de la crème, die Herren und Meister des kulturellen Lebens.

Ich erwähne dieses, weil ich glaube, daß wir an einer Schwelle stehen. Wir müssen diese zwei Aspekte unserer voneinander abhängigen Existenz klären: Was bezeichnen wir als künstlerische Sensibilität und deren Werte und was als wissenschaftlich technologische Kompetenz, ohne die Qualität eines der beiden aufzugeben …

Ausschnitte aus einem Vortrag anläßlich der Sky Art Conference 81 am 25. September 1981, am C.A.V.S./M.I.T., von Elizabeth Goldring redigiert
JOE DAVIS
Künstler und Wissenschaftler streben eigentlich nach dem selben Ziel. Sie streben danach, die Naturkräfte zu beherrschen, um so das menschliche Leben zu verbessern. Wir haben zwar ein unterschiedliches Idiom und andere Techniken, um mit diesen Problemen umzugehen, aber es handelt sich um die gleichen Probleme. Ein Großteil der technischen Fortschritte in unserer Geschichte kann direkt auf gleichzeitige Fortschritte auf dem Gebiet der Kunst und Wissenschaft zurückgeführt werden. So war Samuel Morse vierzig Jahre lang Professor für Malerei und Bildhauerei an der Universität von New York. Der Erfinder der ersten fotografischen Emulsion war der Landschaftsmaler Louis Daguerre. Der Erfinder der ersten Kamera war Leonardo da Vinci, und so fort.

Wenn es eine Ethik für Künstler gibt, dann muß es die Wahrhaftigkeit sein. Wenn ich die Wahrheit sagen will, dann muß ich wirklich meine Erfahrung direkt wiedergeben. Ich muß meine Welt so klar darstellen, wie es die Höhlenmaler gemacht haben. Auch sie haben die höchste Ausformung ihrer Technologie verwendet. Da mein Leben erfüllt ist von Radio- und Mikrowellen, von Satellitenverbindungen mit Washington, werden diese Dinge Teile meiner Vision und damit auch Bestandteil meiner Arbeit. Wenn ich mich einer Technik bediene, die zwei- oder dreihundert Jahre alt ist, dann kann ich nicht wirklich die Wahrheit sagen, ich kann keine klare Darstellung geben.

Ausschnitt aus einem Interview über "Alles in allem", National Public Radio, Washington, D.C, 1982
Joe Davis:
"PROJEKT BLITZE"
Das "Projekt Blitze" besteht aus einer blitzauslösenden Skulptur, die auf der Spoilinsel im Golf von Mexiko errichtet wird und die Farbe des Blitzes verändern oder modifizieren soll.

Höhe: 30 m
Gewicht: 24,4 t

Durch Auslösung des Blitze verursachenden, stufenartigen Leitprozesses zwischen Gewittern und Boden wird die Inselskulptur Blitze hervorrufen. Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Blitzentladung. Die erste entsteht innerhalb der Wolke und setzt sich in einem Blitz von der Wolke zum Boden fort. Die zweite wird durch ein hohes, leitendes Objekt am Boden ausgelöst und setzt sich zur Wolke fort – der Blitz geht vom Boden zur Wolke. Man nennt diese Entladung die "ausgelöste" Entladung, da es ohne einen hohen Leiter nicht dazu kommen würde.

In beiden Fällen werden die Blitze letztlich durch eine schwache Leiterentladung hervorgerufen, welche schrittweise von der Wolke oder von einem entsprechenden Leiter oder einem hohen Objekt am Boden ausgeht. Die Skulptur wird hier den Leiter darstellen.
Joe Davis:
"NEW WAVE RUBY FALLS"
Dem Künstler ist der Himmel der Ort für Werke riesigen Ausmaßes und enormer Macht; der Ort, wo sich der menschliche Wille den ehrfurchtgebietenden Mächten, die die Landschaft formen und den Wind antreiben, entgegenstellt. Mehr noch ist er der Schauplatz des Kampfes gegen die Sklaverei der Schwerkraft, die stets zwischen Erde und Himmel stand.

"NEW WAVE RUBY FALLS"
Getaway Special 266A
Kleine unabhängige Fracht für Space Shuttle
Gewicht: 200 Pfund
Volumen: 5 Kubikfuß
Start: September 1983
Zweck: Künstliche Auroraphänomene

Die "Ruby-Falls"-Fracht wird Materialien zur Erzeugung künstlicher Auroren enthalten. Geplant sind zwei Arten künstlicher Lichteffekte. Einer durch chemische Auslösung, der andere durch Schaffung trägen Gasplasmas mittels Hochenergie-Laser oder schnell pulsierendem Elektronenstrahl. Die geplanten Auroren können mit dem bloßen Auge vom Boden aus wahrgenommen und von vielen Völkern und Kulturen gesehen werden.
Tom Van Sant:
"PROJEKT EINES KÜNSTLERS FÜR DEN LANDSAT-SATELLITEN"


Tom Van Sant:
"… Ich glaube, wir fangen gleich mit den Dias von dem Projekt 'Reflexionen von der Erde' an. Dies ist der Blick von meinem Haus auf den Hügeln von Hollywood, wie er sich alljährlich in der dritten Mai-Woche bietet. Die Gebäude im Zentrum von Los Angeles wirken wie ein großes System von reflektierenden Spiegeln. Zwei Wochen vorher hatte ich begonnen, über ein Projekt für die Zweihundertjahrfeier von Los Angeles nachzudenken … Ich glaube, wir alle haben uns mehr oder weniger in die Idee verliebt, wir konnten es uns vorstellen, unsere Hand aus dem Weltraum. So bald es uns möglich erschien, ließ uns die Idee nicht mehr los. Keiner dachte je daran, daß wir es nicht mit den Schulen durchführen könnten, denn alle waren so davon begeistert. Mein 'Reflexionen'-Projekt war letztlich eine Demonstration. Wir bereiteten ein kleines Spiegelpaket vor und jedes Schulkind konnte es den Anleitungen entsprechend verwenden. Die Stadt wollten wir in einen Raster einteilen, den das Fernsehen mit Zahlen versehen zeigen wollte, so daß jede Schule ihre Zahl auswählen konnte und die für das betreffende Gebiet richtige Einstellung treffen konnte."

Dale Eldred:
"… Ich arbeitete gerade an einem Projekt in Mexiko City, als der Papst auf Besuch kam … der Verkehr hielt in der ganzen Stadt an, Taxifahrer stiegen aus ihren Autos, jedermann stieg aus. Das Flugzeug des Papstes kreiste über Mexiko City und jeder lief mit einem Spiegel hinaus und spiegelte damit zum Flugzeug des Papstes hinauf – ganz Mexiko City eine Spiegelreflexion zum Papst hinauf."

Tom Van Sant:
"Das ist toll. Etwas Ähnliches hoffen wir eines Tages vielleicht mit dem Spaceshuttle machen zu können. Ich habe mit Dr. Edgerton gestern darüber gesprochen, ob wir vielleicht Rauchstreifen ziehen könnten oder ein Stroboskop verwenden könnten – irgend etwas, womit man in der Hand gehaltene Spiegel verwenden könnte. Vielleicht wird es uns einmal möglich sein!"
Auszug aus einem Vortrag an der Sky Art Conference 81 am 26. September 1981

Vorschlag
Tom Van Sant hat in seinem Projekt "Reflexe von der Erde" energisch die Möglichkeit verwendet, daß Satelliten Lichtimpulse empfangen und Lichtintensität in Flächenproportionen übersetzen können. Dabei wird Sonnenlicht "vergrößert" ; Reflexe von sorgfältig am Boden ausgelegten Spiegeln werden zu kohärenten, durch Sensoren vermittelten Mustern integriert, die dann nach Digital-Transport zu photographischen Bildern führen. Seine Zusammenarbeit mit Dr. Williams Evans und mit NASA ist ein Beispiel inspirierter, erfolgreicher Teamarbeit von Künstler, Wissenschaftler und Raumfahrtbehörde.

Seine Verwendung von Landsat könnte ergänzt werden durch Wetter- und andere Satelliten. Dadurch könnten Bildqualität und -charakter variiert und modifiziert werden bezüglich Klarheit, Tonalität, relevanter Bodenfläche und angewandten Bildverfahren.

Nach unseren langen Gesprächen und im Einvernehmen mit Tom Van Sant und nach Befragen meines eigenen Ideenvorrats und dessen der früheren Gruppe Zero und nach meinem Erinnern und Wiederlesen von Heinz Macks "Sahara Projekt" der ZERO 3 Ideen-Generation von 1961 schlage ich vor, Spiegel-Konfigurationen auszulegen in Wüsten und anderen natürlich erhaltenen Weltgegenden, die Ikonen des Friedens und menschlicher Integrität bilden – Bilder von intakter Natur und sprechender Geschichte.

Die Bilder werden durch Satelliten gesehen und neu komponiert, so daß sie zeitgenössische Friese bilden. Sie können auch Video-Atlanten oder Video-Globus-Projektionen werden, um die Erde als zerbrechliches Eidos zu regenerieren – ein Bild von suggestiver Ganzheit. Auf diese Weise könnte auch Aldo Tambellinis Entwurf der "Communicationsphere" Impuls und Zuwachs an Realität gewinnen.

Satelliten würden Botschaften übermitteln anstelle von Militär-Trivialität, Wirtschaftsstatistik, Standardnachrichten. Internationale Bemühungen um Ideen, und Ausführung von "Reflexen von der Erde" werden von unserem Institut, dem M.I.T., Center for Advanced Visual Studies, in den kommenden Jahren fortgesetzt werden: zur SKY ART Conference 83 in Paris und zur SKY ART Conference 84 in Los Angeles/Tokyo.

Tom Van Sants Präsentation zur gegenwärtigen Konferenz wird seine Vorstellungen mitteilen. Er wird seine Erfahrung und seine technischen Kenntnisse großzügig anbieten, um dieses moderne heraldische Projekt zu fördern. Wir schulden ihm Respekt für "Shadow Mountain Eye" und Dank für zukünftige "Reflexe von der Erde".

Otto Piene
Nam June Paik:
"SCHLIEßLICH IST DER MOND DAS ERSTE FERNSEHEN."
Grundlegende Zeiteinheiten für Komponisten nach entsprechender Boxerklassifikation:
  • "Fliegengewicht-Komponist (HIGGINS) arbeitet mit Sekunden.

  • Federgewicht-Komponist (WEBERN) arbeitet mit Minuten.

  • Leichtgewicht-Komponist (BEETHOVEN) arbeitet mit zehn Minuten.

  • Mittelgewicht-Komponist (BACH) arbeitet mit Stunden.

  • Halbschwergewicht-Komponist (WAGNER) arbeitet mit Tagen.

  • Schwergewicht-Komponist (N. J. PAIK) arbeitet mit Tagen, Wochen, JAHREN, JAHRHUNDERTEN, Megajahren …"
Nam June Paik, "Neue Ontologie der Musik", Videa 'n' Videology, Seite 3
TODD SILER
Kann das wirklich zutreffen, daß wir unsere Welt aufbauen und unsere Sinngebung suchen in einer Anschauung, die wir dem Zeitalter der technischen Revolution entlehnt haben? Wenn dem so ist, dann enthält sie einen todbringenden Glauben (von Francis Bacon verkündet), daß nämlich die Natur zu "unterwerfen" und "dienstbar zu machen" sei, und daß die Wissenschaftler ihr mit allen Mitteln ihre Geheimnisse entreißen müssen. Mit den empirischen Methoden als Folterwerkzeugen machte sich der Mensch an die Arbeit. Nachdem es ihm gelungen war, alles, was er untersuchte, zu vermessen und einzuteilen, schwollen seine Begierden.

Wie steht es mit uns, den Vertretern des zwanzigsten Jahrhunderts, denen es nicht mehr darum geht, die "Gewißheit der wissenschaftlichen Erkenntnisse" zu beweisen – sondern um ihre Anwendungen. Das heißt, daß wir uns "interessieren" müssen für die Herstellung von unseren F-5- und F-111-Kampfflugzeugen; unsere MIRV-Raketen (Multiple Individually Targeted Re-entry Vehicles) und Langstreckenraketen; unsere ICBMS (Ballistische Interkontinentalraketen) und SLBM-Raketen, wie sie sich an Bord unserer 36 Polaris- oder Poseidon-Unterseeboote befinden, die mit Sprengköpfen bestückt sind, deren Zerstörungskraft der von mehr als 700 Hiroshima-Bomben entspricht; unsere B-52H-Bombern, von denen jeder einzelne mit Wasserstoffsprengköpfen ausgerüstet ist, die 3000 Hiroshima-Bomben übertreffen. Wir müssen uns interessieren für unsere biologischen und chemischen Waffen, wie die Nervengifte, bestehend aus Tabun, Sarin und Soman, die den Sympathikus und den Parasympathikus angreifen und Krämpfe, Lähmungen, den Tod verursachen. Wir müssen uns befassen mit unseren Raumüberwachungssystemen, die Möglichkeiten zur Entwicklung von "Bombersatelliten", die das Radar, Infrarot oder Sichtlinienleitnetz "voll ausnützen könnten", enthalten (Nels Parson, Jr., "MISSILES and the Revolution of Warfare").

"1977 hat die zivile Bereitschaftsstelle des Verteidigungsministeriums festgestellt, daß die Explosion einer einzigen Multikilotonnen-Atomwaffe 125 Meilen oberhalb von Omaha, Nebraska, einen so starken elektromagnetischen Stoß erzeugen würde, daß auf dem gesamten Festland der Vereinigten Staaten und in Teilen von Kanada und Mexiko das elektrische Leitungssystem beschädigt und dadurch die Wirtschaft in diesen Ländern zum Erliegen gebracht würde." (J. Schell, "The Fate of the Earth").

Wir brauchen uns ja bloß die Tatsache vor Augen zu halten: "Die USA und die UdSSR besitzen 50.000 Atomwaffen oder 25 Milliarden Tonnen TNT. Innerhalb einer halben Stunde kann ein Bruchteil dieser Waffen alle Städte der nördlichen Hemisphäre zerstören. Und dennoch planen die führenden Männer dieser Länder zwischen 1980 und 1990 mehr als 20.000 Sprengköpfe zu erzeugen, wie auch eine neue Generation von Atomraketen und Flugzeugen. So wird der Stolperdraht zur Katastrophe enger gezogen." (Aus "CALL TO HALT THE NUCLEAR ARMS RACE, Vorschlag für ein gegenseitiges Abkommen zwischen den USA und den Sowjets zum Einfrieren der Nuklearwaffen".)

Können wir uns einen zentralen strategischen Schlagabtausch leisten, einen vollen Krieg, bei dem ein kleiner Prozentsatz unserer Atomwaffen 70 Prozent der Ozonschicht der nördlichen Hemisphäre und 30 Prozent bis 40 Prozent der südlichen Hemisphäre zerstören könnte, was zur Erblindung aller Kreaturen auf der Erde und zu einer völligen Zerstörung der Ökosphäre führen würde? Wenn wir nicht die grundsätzlichen Programme revidieren und unsere Politik des "Friedens durch Stärke" umwandeln in eine der "Stärke durch Frieden", dann wird von der Menschheit nur der Schutt der Zivilisation bleiben, zusammengeballt wie die sedimentären Ablagerungen der Jahrtausende und die neuen Hügel und Berge des Mondes die Erde

(1)
Otto Piene, MORE SKY, Migrant Apparition, Inc., Cambridge, Massachusetts, 1970 and M.I.T. Press, Cambridge, MA, 1973 zurück

(2)
Otto Piene, SKY ART, Tamarind Lithography Workshop, Los Angeles, California, 1969 zurück

(3)
Ken Sofer, Dante und die erdumkreisenden Asteroiden, ARTNEWS, Februar 1980, Seiten 148–149 zurück

(4)
Otto Piene, The SKY ART Conference, mit Elizabeth Goldring, Lowry Burgess und Bernd Kracke (Herausgeber), SKY ART Conference 81, Massachusetts Institute of Technology, Center for Advanced Visual Studies, Cambridge, MA, 1981 zurück

(5)
ZERO, ursprünglich in Deutschland von Otto Piene und Heinz Mack in den Jahren 1958 und 1961 veröffentlicht, neu verlegt von der M.I.T. Press, Cambridge, MA, und DuMont Schauberg, Köln 1973 zurück

(6)
Tom Van Sant in SKY ART Conference 81 zurück

(7)
Peter Bormann und Juan José Tasso, Die Markierung von Satellitenbildern: Ein Mittel zur Verbesserung der Bildaufzeichnung für kartographische Zwecke und zur Schaffung von Weltraumkunstwerken, Zeichnungen, unveröffentlicht, New York, N. Y., 1982 zurück

(8)
Zitat aus Lynn Darlings Artikel: "Die Sterne von Joe Davis für das Spaceshuttle" in der Washington Post, Montag, 24. Mai 1982 zurück

(9)
Phillip Morrison, "1D, 2D, 3D, 4", Vortrag bei der SKY ART Conference 81, Cambridge, MA, 1981 zurück