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Ars Electronica 1980
Festival-Programm 1980
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Festival 1979-2007
 

 

ARS ELECTRONICA 80
Elektronik - Kunst - Gesellschaft

'Hannes Leopoldseder Hannes Leopoldseder

ARS ELECTRONICA 80 präsentiert sich mit der vorliegenden Programmkonzeption als interdisziplinäres Forum für Elektronik, Kunst und Gesellschaft. Im Jahr 1979 wurde innerhalb des Internationalen Brucknerfestes Linz zum ersten Mal ARS ELECTRONICA als eigene Veranstaltung über Elektronik und ihre Anwendung im Bereich der Kunst und kulturellen Aktivierung ins Leben gerufen. Träger der ARS ELECTRONICA sind die Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH und der Österreichische Rundfunk, Landesstudio Oberösterreich.

ARS ELECTRONICA 79 war insbesondere durch das musikalische wie kulturpolitische Großexperiment "Linzer Klangwolke" markiert: Die Linzer Klangwolke 79, das sinfonische Open-air mit Bruckners 8., hat nicht nur an einem Abend 100.000 Menschen zum "Woodstock für E-Musik" zusammengeführt, sondern ist inzwischen zu einem international beachteten Modell exemplarischer sozio-kultureller Animation geworden.

In der Programmatik von ARS ELECTRONICA 80 dominieren zwei Dimensionen:

  1. Elektronische Technologien und Medien in Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft

  2. Sozio-kulturelle Animationsprojekte mit exemplarischem Modellcharakter unter besonderer Integration elektronischer Möglichkeiten und Medien.
ARS ELECTRONICA will durch die bewußte Nutzung elektronischer Medienfacilitäten für die Animation als Prozeß der Förderung aktiver Partizipation am kulturellen Geschehen den traditionellen Regelkreis der Kunstkommunikation aufbrechen.

Gerade in dieser Zielsetzung sieht das Landesstudio Oberösterreich des Österreichischen Rundfunks als Mitveranstalter der ARS ELECTRONICA seine spezielle Aufgabe, um auf diese Weise neue Wege in der kulturellen Vermittlung zu ermöglichen. ARS ELECTRONICA 80 umschließt im wesentlichen 5 Bereiche:
1. SOZIO-KULTURELLE ANIMATIONSPROJEKTE
LINZER STAHLSINFONIE VON KLAUS SCHULZE, STAHLARBEITERN UND MASCHINEN DER VOEST-ALPINE LINZ
Die Linzer Stahlsinfonie versucht in modellhafter Weise die Integration von Arbeitswelt und Kunst am Beispiel einer musikalischen Aktion, die das industrielle und das kulturelle Zentrum der Stadt Linz umspannen. Die Stahlarbeiter am Hochofen 4 im LD-Stahlwerk, im Kaltwalzwerk 2, in der Schmiede oder an der Breitbandstraße werden in dieser musikalischen Aktion mit ihrer Arbeit und ihrer Umwelt zum Impulsgeber eines musikalischen Geschehens: die Geräusche der Industrieanlagen werden aus der VOEST-ALPINE in den Konzertsaal geführt und vom Elektroniker Klaus Schulze als Basis für die Komposition der Linzer Stahlsinfonie verarbeitet.

Linzer Klangwolke von Walter Haupt – sinfonisches Open-air mit Bruckners 4.
Während 1979 die Grundlage der Linzer Klangwolke ein Tonträger war, steht im Mittelpunkt der Open-air-Sinfonie bei ARS ELECTRONICA 80 eine Live-Produktion der 4. Sinfonie von Anton Bruckner. Ausführende sind das Bruckner-Orchester Linz unter Theodor Guschlbauer.

Der Animationsaspekt der Linzer Klangwolke 80 wird vor allem dadurch unterstrichen, daß dem Publikum verschiedene Möglichkeiten des Musikerlebens angeboten werden: Vom Open-air im Donaupark über den Konzertsaal zum Nulltarif bis zum Kunstkopf-Experiment.

Visuelles Komplementärereignis zu Bruckners "Romantischer" ist Otto Pienes "Bruckner-Sky-Symphony". Die drei Helium-Objekte "Milwaukee Anemone", "Iowa Star" und "Blue Star Linz" vereinen sich hier zum größten Sky Event, das Otto Piene, prominentester Vertreter der Sky Art, bisher geschaffen hat. "Blue Star Linz", die 100 m in die Nacht ragende Helium-Plastik, wurde von Otto Piene für die Bruckner-Sky-Symphony als Original-Plastik geschaffen.

Mach-Mit-Konzert MUSICA CREATIVA auf dem Linzer Hauptplatz
Nicht nur das Heranführen neuer Publikumsschichten zu klassischer Musik ist eine besondere Zielsetzung von ARS ELECTRONICA, sondern gleichzeitig die Eigenaktivierung zu kulturellem Tun: das Mach-Mit-Konzert will die Bevölkerung aufrufen, selbst aktiv zu sein, Instrumente zu bauen und gemeinsam mit Gleichgesinnten ein öffentliches Großkonzert zu tragen.

Das Mach-Mit-Konzert ist ein Experiment kultureller Ermunterung, ein Experiment für alle, die selbst kreativ tätig sein wollen: ein Projekt der Bürgerbeteiligung. Gleichzeitig auch der Versuch, die Menschen zu animieren, sich der Alltags-Materialien ihrer Umwelt als Klangkörper bewußt zu werden. Auditive Sensibilisierung und kommunikative Aktion kennzeichnen die Zielsetzung des Mach-Mit-Konzertes. Das kulturpolitische Postulat "Kultur für alle" geht in diesem Fall über die Verbalisierung hinaus: der kulturpolitische Ansatz dieses Projektes wird nicht zuletzt dadurch unterstrichen, daß Spitzenpolitiker, die im Normfall die kulturpolitischen Überlegungen in den Eröffnungsreden der Festwochen deponieren, in diesem Fall selbst aktiv als Beteiligte am Mach-Mit-Konzert mitmachen: der Bundesminister für Unterricht und Kunst, Dr. Fred Sinowatz, der Landeshauptmann von Oberösterreich, Dr. Josef Ratzenböck und der Bürgermeister der Stadt Linz, Franz Hillinger.

Linzer Klangstraße
Die Linzer Klangstraße auf dem Linzer Hauptplatz soll nicht nur die Bevölkerung zu kreativen Aktivitäten anregen, sondern gleichzeitig auch eine Verbindung zwischen der VOEST-ALPINE, dem in Linz ansässigen größten Industrieunternehmen in Österreich, und der Linzer Bevölkerung herstellen.
Die Klangstraße besteht aus 3 Elementen: der Essener Klangstraße, dem Linzer Klangtunnel, der aus Stahlplatten der VOEST-ALPINE hergestellt wurde, und der Klanggasse aus Essen.
2. ELEKTRONISCHE MUSIK-PERFORMANCES
Ein besonderer Fixpunkt der ARS ELECTRONICA ist, wie 79, der "Große Preis der ARS ELECTRONICA" für die originellste und zukunftsweisendste Neuentwicklung im Bereich der elektronischen Klangerzeugung. Bei ARS ELECTRONICA 80 liegt bereits ein Schallplattenprojekt vor, dessen erste Produktion unter der Mitwirkung von 3 Preisträgern der ARS ELECTRONICA 79 realisiert worden ist. Das Projekt mit dem Namen "Control Company" legt als erste LP "Four Years Before 1984" vor.

Die öffentliche Veranstaltung "Großer Preis der ARS ELECTRONICA" wird in diesem Jahr von Frank Elstner, Radio Luxemburg, moderiert. Mit dem Großen Preis will ARS ELECTRONICA bewußt initiativ Signale für die Weiterentwicklung im Bereich der elektronischen Klangerzeugung setzen. Das "Laser-Konzert" von David Tudor, Aktionen der "Composers Inside Electronics", Toto Blanke's Electric Circus, Konrad Schnitzler und eine Vielzahl von anderen Künstlern präsentieren in Einzelvorstellungen und im "Open-house Brucknerhaus" ein breites Spektrum elektronischer Musik-Performances. Das Open-house im Brucknerhaus will in besonderer Weise die Bevölkerung mit Vorführungen und Demonstrationen von Musik-Computern, Synthesizern, elektronischen Musikinstrumenten, aber auch mit Elektronik-Gruppen und Künstlern bekannt machen.
3. WORKSHOP-SYMPOSIEN ÜBER ELEKTRONIK IN DER MUSIK, IN DER LITERATUR, IN DER VISUELLEN GESTALTUNG, IN WISSENSCHAFT UND GESELLSCHAFT.
Wie 1979 will ARS ELECTRONICA 80 die fundierte fachspezifische Auseinandersetzung über Anwendung und Stellenwert der Elektronik in verschiedenen Bereichen der Kunst, der Wissenschaft und der Gesellschaft als ein kompaktes Programm anbieten.

Beispiele sind Entwicklungslinien der elektronischen Musik, Musik-Computer und Digitaltechnik, akustische und computergenerierte Literatur wie elektronische Medien zur visuellen Gestaltung und Technologie als neues Grundelement der Kunst am Beispiel der Künstler vom Center for Advanced Visual Studies am Massachusetts Institute of Technology, USA.

Die Mitwirkung von Elektronik-Pionieren wie Moog oder Carlos macht deutlich, daß Linz mit ARS ELECTRONICA zu einem wesentlichen Forum der fundierten Auseinandersetzung über Anwendung und Stellenwert der Elektronik in allen Bereichen der Kunst geworden ist. Auch die Workshops sollen nicht auf das Fachgespräch allein beschränkt werden: ein integrierender Bestandteil des Literarischen Workshops z.B. ist ein poetischer Kundendienst über Hörinseln und Poesietelefon: an 5 Orten der Stadt Linz sowie über eine Telefonkurznummer wird ein speziell von Gerhard Rühm zusammengestelltes 8-Stunden-Programm aus dem Bereich "radiophone poesie – neues hörspiel" aus exemplarischen Beiträgen zusammengestelltes Programm angeboten. Über Telefon oder Kopfhörer hat jeder zu diesem Programmangebot Zugang. Während die Workshops aus dem Bereich der Kunst im ORF-Landesstudio Oberösterreich angesetzt sind, findet die wissenschaftliche Fachtagung über Wechselwirkungen zwischen Informationstechnologie, Individuum, Arbeitswelt und Gesellschaft in der Johannes-Kepler-Universität statt. Die Fachtagung "Informationssysteme für die achtziger Jahre" vereint 70 Wissenschafter, Kybernetiker und Informatiker, um die gestellte Thematik fundiert zu behandeln. Neben den Workshop-Symposien setzen mehrere Ausstellungen innerhalb von ARS ELECTRONICA besondere Akzente.
4. AUSSTELLUNG UND PUBLIKUMSAKTIVITÄTEN
Eine Industrieausstellung mikroprozeßgesteuerter Haushaltsgeräte, Spiele, Computer für den privaten Gebrauch ergänzt das theoretische Programm der Tagung "Informationssysteme für die achtziger Jahre". Die Ausstellung "Computer für den privaten Gebrauch" ist während der ARS ELECTRONICA an der Johannes-Kepler-Universität zu besichtigen. Kunst- und Spielcomputer für alle – persönliche Computermusik, Computergraphiken und Computertests für alle: unter dem Motto "Computer x 10" bietet ein Computer-Club im Foyer des ORF-Landesstudios Oberösterreich dem Publikum ein Spiel- und Aktionsprogramm mit Computern an: das Spektrum reicht von der persönlichen Computergraphik über die Computerdiät bis zur persönlichen Computermusik. Während der Musik-Computer in die Zukunft gerichtet ist, versucht die Ausstellung im Brucknerhaus "Musica ex Machina" einen Überblick der automatischen Musikinstrumente aus österreichischen Sammlungen zu geben.

In der im Brucknerhaus präsentierten Ausstellung werden erstmals Automatophone präsentiert, die in Österreich gespielt wurden, aber aus bisher im wesentlichen unbekannten österreichischen Sammlungen stammen. Diese erste Ausstellung automatischer Musikinstrumente kann daher als wesentlicher Beitrag zur Geschichte österreichischer Musiktradition gewertet werden.
5. SCHACHCOMPUTER-WELTMEISTERSCHAFT LINZ
Ausgehend von der Zielsetzung bereits der ARS ELECTRONICA 79, in Linz ein Zentrum für Elektronik und elektronische Kunst ins Leben zu rufen, ist in besonderer Weise die Tatsache anzumerken, daß das Programm von ARS ELECTRONICA 80 durch die 3. Schachcomputer-Weltmeisterschaft in Linz abgerundet wird – ein entscheidender Beitrag zur Auseinandersetzung über künstliche Intelligenz. Die vorliegende inhaltliche Grundkonzeption von ARS ELECTRONICA 80 stammt, wie 1979, von dem Elektronik-Musiker und Komponisten Hubert Bognermayr, dem Elektroniker und Produzenten Ulli A. Rützel und dem Intendanten des ORF-Landesstudios Oberösterreich Dr. Hannes Leopoldseder. Die Einzelprojekte der ARS ELECTRONICA 80 sind vielfach Resultat und Ergebnis von vielen Diskussionen, Gesprächen und Überlegungen von Künstlern, Technikern, Elektronikern und Medienfachleuten. Die besondere Basis der ARS ELECTRONICA allerdings ist die Zusammenarbeit zwischen der Linzer Veranstaltungsgesellschaft und dem ORF. Ich möchte daher in besonderer Weise den Vorstandsdirektoren der LIVA, Dr. Horst Stadlmayr und Dr. Ernst Kubin, für die Zusammenarbeit zwischen LIVA und ORF danken, vor allem für die konstruktive Teamarbeit, die das vorliegende Programmkonzept ermöglicht hat.

ARS ELECTRONICA will Signale für die Zukunft setzen. Nicht nur als Versuch, Tradition und Avantgarde in Verbindung zu bringen, sondern als kulturelles Experiment, das über neue Wege auf das kulturelle Bewußtsein der Menschen einzuwirken versucht.

Dr. Hannes Leopoldseder
Intendant des ORF-Landesstudios Oberösterreich