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Ars Electronica 1980
Festival-Programm 1980
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Festival 1979-2007
 

 

Bruckner-Sky-Symphony


'Otto Piene Otto Piene

ZU BRUCKNERS SKY SYMPHONY:

Sternbilder und Sphärenklänge - Vorbereitung zum Leben im Himmel
Sterntaler, "Die Sonne tönt in alter Weise…", die Offenbarung Johannis, "der Himmel voller Geigen", der Kathedralturm als Vorbild der Rakete und "Star Wars" sind Metaphern aus dem unerschöpflichen Bilderschatz der mensch-irdischen Mythologie, die den zunächst metaphysisch begriffenen Himmel greifbar, und als Wohn-, Arbeits- und Lebensraum für den Menschen bekannt, vertraut, begehrenswert und "begehbar" machen. Die Columbus-Schiffe Nina, Pinta und Santa Maria erschlossen neue Welten zunächst "im Alleingang", und es folgte eine Völkerwanderung von Emigranten. Die Raumfahrzeuge der Mondlandungen und Sternumfahrungen bereiten den größten Exodus unserer Geschichte vor, nach dem sich neue Perioden von Pionierzeiten und FRONTIER HISTORY im Weltraum abspielen werden. Die POPULATION EXPLOSION auf der Erde erscheint als ein Ausdruck metaphysischen Willens ("der Wille Gottes"?), die Expansion der Menschheit in den Raum zu erzwingen und damit das Zurückwerfen von Nachbarschaftskonflikten auf sich selbst – in der Form von "Weltkriegen" – zu umgehen oder zumindest für alle Zeiten zu lokalisieren. Die Auswanderung in den Raum ist eine positive Alternative zum NUCLEAR HOLOCAUST, und die notwendige Revitalisierung und Sensibilisierung des Menschen zum Leben im Raum versprechen Wiedervereinigung seiner Fakultäten. Physische FITNESS müßte einhergehen mit intellektuell wissenschaftlich-technologischer Kompetenz sowohl als auch imaginativ-expressiver Kraft, Sensitivität, Wachheit und Ausdrucks- und Handlungsfähigkeit, um den "fliegenden Menschen" im Raum aktions- und "überlebensfähig" zu machen – im vielfachen Sinne des Wortes.

In einem längeren Gespräch, 1968 in Cambridge, über das Sujet "Luftschule" – meinen Plan zu einem fliegenden Informations-, Inspirations-, Reunions- und Ausbildungszentrum für die Kunst-, Ausdrucks-, Geistes- und Gewissensübung und Ausübung der Zukunft – erwiderte Walter Gropius den Hinweis, daß das Leben dort – etwa im Vergleich zum Bauhaus – gefährlich sein würde, mit: "Das ist gut, das macht alle Beteiligten lebendig, intensiv, friedvoll". Eine solche Luftschule würde Material (Software) in großen Mengen speichern, produzieren und zur Verfügung halten und auf dem Medien-Wege stationär und via Telekommunikation abgeben, wie auch andere Informationen künstlerischer, allgemein-geistiger und technologischer Art im Multi-Weg-Tauschverfahren empfangen und moderieren. Kurz gesagt, die wesentliche Aufgabe der Luftschule, einer fliegenden, "hochkonzentrierten Anima", wäre Praxis und Erziehung in der SKY ART. Das schließt das Produzieren und Moderieren externer Erscheinungen ein, die, je nach Entfernung von menschlichen Siedlungen, "direkt-monumental" dargeboten oder in elektronischem Maßstab intim gemacht, d. h., in menschlichen Wohnzellen elektromagnetisch empfangen und beeinflußt werden können.

Formen der SKY ART, die sich jetzt schon abzeichnen, sind:
  • Materiell fliegende Plastiken und Botschaften

  • farbig-formale "immaterielle" Phänomene im Raum ("künstliche Wolken" etc.)

  • PIGGYBACK ART (Objekte und Einrichtungen, die von Vehikeln wie SPACE SHUTTLE mitgetragen werden)
Raumtheater, Raummusik mit Flugkörpern Lichttheater und Raumartikulation mit neuen Lichtmedien (wie weitreichenden Lasern);

Telekommunikationen, die von Primitivformen wie "FLIGHT ENTERTAINMENT" zu Multiweg-Inter-Kommunikation für alle Sinne über "alle" Entfernungen reichen. Dabei wird nicht nur "Kunst" (Seelen-Nahrung", "geistige Kost") im Raum transportiert, sondern das Raum-Panorama, das gigantische Astro-Theater wird zunehmend den menschlichen Sinnen zugänglich gemacht. Wir sind am Anfang des Raumzeitalters; "WE ARE THE PRIMITIVES OF A NEW ERA" (Aldo Tambellini über sein Multimediastück "Moon Black", 1966).

1967/68 gaben wir zusammen in Tambellinis Black Gate Theater in New York eine Serie von Multimedia-Vorstellungen. Mein oft wiederholter Beitrag war "The Proliferation of the Sun" – in Deutschland in verschiedenen Städten gespielt mit dem Titel (sehr frei übersetzt) "Die Sonne kommt näher". Das Stück hat eine starke Ton- und Sprachkomponente, und ich sah und sehe es, zumindest, als einen Außenseiter in der Tradition der Musik-Licht-Lichtbilder-multisensorischen "Gesamtkunstwerke". "Gesamtkunstwerk" ist so sehr in den internationalen Sprachgebrauch eingegangen, daß das Wort schon mehr Klischee als Organismus ist. Meistens bezeichnet es auch mehr Tendenz als Tatbestand oder mehr Anspruch als Vollendung – z. B. in meinem angeführten Falle.

Das große und kleine viel-sinnliche Spektakulum ist so alt wie das Skandieren am Herden- oder Stammesfeuer, die Schlangenbeschwörung und Skrjabins anspruchsvolle Kompositionen und Pläne. Audiovisuelle Darbietungen können stark handwerkliche Elemente haben oder technologisch instrumentierte Entsprechungen anstreben – Lichtorgeln, Audio/Video-Synthesizer und viele ähnliche Geräte dienen der Visualisierung von Musik, Musizierung visueller Quanta. Die Tradition der Oper setzt sich vielfältig auf elektronische Weise fort.

Ein wesentlicher Unterschied in Absichten und Wirkung der "vereinigten Kunstwerke" liegt in den geographischen Dispositionen zur Darbietung und Vorbereitung: Kammermusik bleibt Kammermusik; ob sie multisensorisch angelegt ist oder nicht – und "Musik für eine Landschaft" (Walter Haupt) breitet sich EN PLEIN AIR aus. Die größere Distribution wendet sich an ein größeres Publikum, das sich zwanglos unter freiem Himmel bewegt und Hunderttausende zählen kann. Im Außenraum öffnet sich das koordinierte System der Musik, Bilder, Plastiken und Phänomene, dem großen Beitrag an Erscheinungen und Zufällen der Natur: Wind und Wetter und das Bild und Erlebnis der natürlichen und gebauten Landschaft erweitern, verstärken – und gefährden – den Gesamteindruck. Der Wind trägt Klänge auf seine Weise in seine Richtung, und der Wind bewegt die SOFT SCULPTURES meiner "Bruckner Sky Symphony" "auf seine Weise" – er macht die "Integration" zum Fest oder zur kritischen Auseinandersetzung. Das Wetter dramatisiert die "Symphonie" aller Elemente – seien sie natürlich oder künstlerisch – wie das Wetter auch den großen Entwurf verregnen oder verwehen kann.

Wie Kunst und Technologie die Naturelemente Feuer, Wasser, Luft und Erde aufnehmen, widerspiegeln, benutzen, interpretieren und kommentieren, so wird die menschliche Energie und Spielfreude zum Motor der Publikumsbeteiligung: Instruierte und kompetente, sowohl als auch spontan "einspringende" Laien ergänzen das Spiel der Kräfte, Formen und Erscheinungen, wenn meine großen SOFT SCULPTURES "Milwaukee Anemone", "Iowa Star" und – die größte – "Blue Star Linz" zum SKY EVENT als visuelles Komplementärereignis zu Bruckners "Romantischer" aufsteigen.

Nach akustischen Eigenversuchen (Lichtballett-"Leitton") Ende der fünfziger Jahre habe ich vielfach auf der Bühne und im Freien in wechselnder Form mit wechselndem Erfolg mit Komponisten und "Tondichtern" in weiterem Sinne gearbeitet (mehrere erfolgreiche Multimedia-Opern und -Projekte mit Dieter Schönbach; drei nicht realisierte Projekte mit Karl-Heinz Stockhausen; diverse Medien- und Freiraumprojekte mit Paul Earls, darunter die vielversprechende SKY OPERA "Icarus"; Bühnenräume und Kostüme für Arbeiten von Strawinsky, Poulenc und "Moderne" etc.).

Meine Erfahrungen mit audiovisuellen Entsprechungen besagen: CLOSELY-KNIT Koordinierung/Synchronisation von Musik-, Aktions- und visuellen Phänomenen ist im Kammertheater – oder – Musikformat durchaus möglich. Schon Moholy-Nagy warnte vor einer zu engen technischen Verzahnung, die wir mit "elektronischer Impuls-Regie" oder "-Abhängigkeit" übersetzen könnten. Bei allem technischen Raffinement der Multi-Synthesizers – analog oder digital – gilt noch die GINGO-Regel (GARBAGE IN GARBAGE OUT). Je größer die Abmessungen des Spielraums, d. h. besonders im Außenraum, desto mehr muß Kongenialität der Medien – Spielen nach Feld-inhärenten Gesetzen (z. B. Musik- und Übertragungsmodi "parallel" mit SKY ART-Modi und Modi der Publikumsbeteiligung) – an Stelle der minutiös ausgenoteten Multimedia-Partituren treten.

In der Musikgeschichte Bostons gibt es dazu im Hundertjahrabstand zwei negative Beispiele: Zur Hundertjahrfeier der U. S. Unabhängigkeit, 1876, wurde Johann Strauß eingeladen, ein 2000-Mann-Orchester zu dirigieren, und 1976 zur Zweihundertjahrfeier hatte Arthur Fiedler ähnlichen Ehrgeiz: Er versuchte mit 25 Blaskapellen "Stars and Stripes" zu spielen. Zeitgenössische Berichte über Strauß und Tonbänder des Fiedler-Versuchs dokumentieren prae-elektronisches Chaos – offensichtlich wurden Einsätze nicht über Funk oder Video gegeben, sondern vom Dirigenten und Unterdirigenten, die über die großen Sicht- und Tonentfernungen in umgekehrter Proportion zur Winzigkeit und Unverständlichkeit schrumpften.

Die Vierte, "Romantische", die "Naturmusik" des unbeirrbaren Maßarbeiters Bruckner, des "Musikanten Gottes", wird über acht Kanäle ganz und in Teilen zurück in die Natur und Stadtlandschaft übertragen. Die Natur- und Stadtgeräusche und die Publikums-Tonkomponente vereinen sich mit technologisch verstärkter Kunstmusik. Meine "Bruckner Sky Symphony" assoziiert dazu über dem Publikum im Freiraum des "unteren Himmels" das Steigen und Fallen der Sterne, den lautlosen Flug der Himmelserscheinungen. Zusammen spielen sie "eine große Nachtmusik".
TECHNISCHE BESCHREIBUNG
Die "Bruckner Sky Symphony" besteht aus den drei fliegenden, pneumatischen Objekten (INFLATABLES) "Milwaukee Anemone", "Iowa Star", und – für das Brucknerfest in Auftrag gegeben – "Blue Star Linz", mit folgenden technischen Daten:
  1. "Milwaukee Anemone"
    Rotes Dakron-Spinnakertuch mit Polyäthylenfutter
    25 Konusse
    Halslänge: 32 m
    größter Durchmesser: 15 m


  2. "Iowa Star"
    weißes Dakron-Spinnakertuch mit Polyäthylenfutter
    25 Konusse
    Halslänge: 27 m
    größter Durchmesser: 9 m


  3. "Blue Star Linz"
    blaues Dakron-Spinnakertuch mit Polyäthylenfutter
    92 Konusse
    Halslänge: 60 m
    größter Durchmesser: 19 m
Die INFLATABLES werden von der Basis her aus Gebläsen mit Luft gefüllt, die durch den Hals das Zentrum mit den Konussen aufbläst. Durch Variieren der Luftzufuhr entsteht langsame Bewegung von Teilen innerhalb der Gesamtform. Die INFLATABLES werden hochgetragen und hochgehalten von mit Helium (Ballongas) gefüllten, transparenten Polyäthylentuben, die, zu Schlaufen geformt, am oberen Teil der netzartigen Seilverstärkung der INFLATABLES angebunden sind. Die Polyäthylentuben werden vor dem Gebrauch mit Gas gefüllt, wobei sie flexible Bögen bilden, die der Wind hin und her bewegt.

Alle Teile der INFLATABLES sind weich und nachgiebig. Die drei großen Gebilde sind als ganze leichter als Luft (Auftrieb durch Helium). Je nach Wind- und allgemeiner Wetterlage sind mindestens fünf Heliumschlaufen nötig, um "Iowa Star" zu tragen, sechs für "Milwaukee Anemone" und neun für "Blue Star Linz" Die Gesamtlänge der Tuben ist je 60 bis 65 m, d. h., ca. 30 m geschlauft.

Die INFLATABLES werden von Mannschaften mit Seilen gehalten, die an mindestens drei Punkten an den "Halskrausen" befestigt sind. Die Seilmannschaften (etwa vier Personen pro Seil) gleichen durch ständiges Geben und Zurücknehmen und durch Eigenbewegung die Bewegungen der INFLATABLES aus, die der Wind verursacht. Bei Windstille, die selten vorkommt, können die INFLATABLES verankert werden. Wegen der meistens nötigen Ausgleichsbewegungen ist genügend Aktionsraum für die Seilmannschaften notwendig.

Die Standorte – oder Bewegungszonen – sind die untere Dachfläche des Brucknerhauses ("Blue Star Linz"); (das Hauptdach ist wegen der Blitzableiter-"Stolperdrähte" schwer zu benutzen); der Donauuferstreifen in Höhe der Luginbühl- und Reiterplastiken ("Iowa Star") und der Donauuferstreifen zwischen den Plastiken von Rinke und Uecker ("Milwaukee Anemone").
An direkt beteiligtem Personal werden mindestens vierzig Personen benötigt, die durch Publikumsbeteiligung vermehrt werden können.
Otto Piene:
ZERO ZU REGENGOBEN ZU SKY ART
Stolz, Ehrgeiz und Dilemma von Zero lagen darin, Metapher zu überwinden zugunsten von Wirklichkeit. Wir tanzten über diese zwei Welten hin nach einer Choreographie zu den Themen Licht, Energie, Raum; Natur und Raum; Natur/Technologie/Raum (Zeit/Bewegung) und Mensch im Raum.

Zero qua Zero (Gruppe Zero, 1957–66) verwendete künstlerischen Ausdruck und Metapher mehr als "den realen Raum da draußen" und Bild- und Lichtraum eher als die urbane Szene und den Himmel. Wir produzierten Bilder von Licht, Bewegung, Energie und Raum mehr als reale Bewegung – und Bilder der Sonne eher als praktisch/skulpturale Anwendung solarer Energie. Mein Lichtballett offerierte eine klein-maßstäbliche Interpretation der Energie spendenden Sternenwirklichkeit und (noch) nicht Laser-Durchdringung des gewöhnlichen Nachthimmels.

Leidenschaft für die Metapher ist das Geschäft des Künstlers: bildnerischer Ausdruck von Erfahrungen – sie in menschlichem Maßstab ausformen – ist traditionell die Arbeit des Künstlers und wird Künstler, allgemein gesprochen, für alle Zeit in Atem halten. Indessen können die Vehikel, die des Künstlers (der Künstlerin) Sendung transportieren seine oder ihre Arbeiten – das Publikum auf verschiedene Weise ansprechen – z. B. während das Publikum ruht, reist, still ist, sich bewegt, im Übergang ist. Publikum kann Metaphern in Museen suchen, in Konzerten oder auf Bücherborden. Oder Publikum kann wirklich "da draußen" reisen und auf Kunst stoßen, die Teil geworden ist der gebauten oder gewachsenen Gruppen von Materie und Leuten, die wir die Umwelt nennen (THE ENVIRONMENT).

Zu Zeiten haben die meisten meiner Zero-Freunde und Mitstreiter große Räume und Realzeit gesucht. So sehr auch Museen und Galerien Kunst und Metapher von Zero und die unerklärliche Energie-Übertragung mit Hilfe von Kunstobjekten und Bildern förderten – die meisten Zero-Künstler träumten von größeren Räumen und von Ausdrucksweisen, die weniger kodifiziert und kanonisiert sein würden als traditionelle Kunstsprache – und von neuen Medien und Maßstäben. Ohne daß ich meinen ZERO 3-Text von einer besseren und weiteren Welt wörtlich zitieren muß, ist klar genug, daß ich mein Lichtballett und meine Raummetaphern in die Arena von Himmel, Wetter und Wolken tragen wollte.

Während ich in "irgendwie" logischer Progression und analytisch und synthetisch anerkannte, daß schließlich "weißes Licht" der rotierte Regenbogen und "alle (Spektral-)Farben" der nächste Schritt nach Weiß sind (d. h. nach weißer Farbe und weißen Bildern) – "entdeckte" ich, daß der Regenbogen und verwandte Phänomene am Himmel erstaunlich komplex sind – und wissenschaftlich schwer erklärlich – und "reale Metaphysik"; und ich übersetzte diese Themen in öffentlich zugänglichen Maßstab, der Publikumsbeteiligung gestattete und Vergleich mit den Größenordnungen von Wolken und Architektur anregte.

Am Center for Advanced Visual Studies des Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, Massachusetts (wo ich 1968–71 Fellow war und seit 1974 Direktor bin) initiierte ich das erste Luftprojekt (SKY EVENT) größeren Maßstabs, "Licht Line Experiment", und es folgten viele andere (im vergangenen Herbst, z. B. sechs öffentliche SKY EVENTS in Guadalajara, Mexiko, Oktober/November 1979). 1969/70 veröffentlichte ich drei Manifestationen der SKY ART: eine Mappe mit 25 Lithographien, "SKY ART" (Tamarind Lithography Press, Los Angeles, California, 1969) mit Beschreibungen und Vorschlägen von SKY EVENTS; einen Aufsatz, "Sky Art – A Notebook for a Book", in ARTS CANADA (Toronto, Juni 1969); ein Buch, "More Sky" (Cambridge, Massachusetts, 1970 und 1973). Eines meiner engagiertesten Projekte wurde der "Olympia Regenbogen" für die Schlußfeier der Olympischen Spiele in München, 11. September 1972.

Meine Sicht von Kunst im Raum kann man von meiner künstlerischen und literarischen Arbeit und meiner Vorlesungstätigkeit der letzten zwölf Jahre ablesen. Ich trage weithin sichtbare, lesbare, sich bewegende Formen und Bilder in den Tages- und Nachthimmel. Meine Mittel – teils traditionell, teils neu – sind INFLATABLES (Pneus, fliegende Plastiken), fliegende Botschaften (Video; Satellitenkommunikationen); Raumspiel/Durchdringung des Himmels mit Hilfe von Licht (besonders Lasern, die Raum definieren und Bilder projizieren). Ich empfehle diese Medien und Methoden jedem potenten zeitgenössischen Künstler (Künstlerin). Sie sind u. a. auch Gegenstand meiner intensiven Lehrtätigkeit am C.A.V.S./M.I.T.

Einige der Bildformen, die ich in den unteren Schichten der Atmosphäre habe fliegen lassen (mit bescheidenen Entfernungen bis etwa 1 km Höhe bei nicht frei fliegenden Objekten) waren "Carousel" (zwölf Figuren menschlicher Gestalt in kreisförmiger Anordnung); "Milwaukee Anemone" (14 m im Durchmesser, 70 m lang, eine sternförmige seeanemonenförmige "Blume"); "lcarus" (eine fliegende figurative Plastik, nicht mit meiner Plastik des Kopfes des Ikarus zu verwechseln, einem "Museumsstück"); "Iowa Star" und "Brussels Flower". Zusammen mit dem C.A.V.S.-Laser-Künstler und Komponisten Paul Earls habe ich als Skizze für eine "Himmelsoper" (SKY OPERA) "Icarus" produziert – in zwei Vorstellungen auf der National Mall in Washington, D. C., im Sommer 1978. Im Ensemble waren Ikarus als INFLATABLE und Daedalus, ein Sänger und Geiger mit Verstärkern und Lautsprechern. Er sang und spielte, während er von heliumgefüllten Balloneinheiten hochgetragen und hochgehalten wurde.

Während der kommenden drei Jahre wird das Center for Advanced Visual Studies die Sky Art Conference organisieren: eine Serie von SKY EVENTS Symposien, TV-Sendungen, Tele-Kommunikationen, Video-Dokumentationen und Publikationen, die in mehreren Städten global veranstaltet werden. Die Teilnehmer werden Künstler und andere Benutzer und Bewunderer des Luftraums (Himmels, SPACE) sein. Die Zahl der SKY-Künstler wächst stetig, und Formen der SKY ART sind vielfältig. Fliegende Menschen, fliegende Kunst und projizierte Strahlen und Bilder werden in den unteren Schichten der Atmosphäre zusammenkommen (und "höher hinauf" per Satellit und SPACE SHUTTLE) – am Himmel, der "größten Leinwand, die es je gab". Die SKY ART, die wir jetzt kennen und uns vorstellen, ist ein Anfang, so wie Zero ein Anfang war – vor dreiundzwanzig Jahren. Wie sehr beide eine neue Ära einleiten – die fliegende Menschheit kommender Generationen wird es wissen.

Es wird immer Raum-Metapher und Metapher im Raum geben und geben müssen. Ich hoffe, sie werden Raum-Realität lenken, inspirieren und artikulieren – d. h. unser zukünftiges Leben. Eine weitere Realität-und-Medien-Version der SKY OPERA (Luftoper, Himmelsoper) "Icarus" wird nächstes Jahr in Cambridge produziert. In der Luft werden der fliegende Ikarus und Daedalus auf einen fliegenden Minotaurus treffen, zusammen mit einem SKY BALLET von schwebenden, sich langsam verändernden Riesen.

Dieser, Text wurde englisch für das Magazin des Koninklijk Museum voor Schone Kunsten in Antwerpen aus Anlaß der Ausstellung "Zero Internationaal" 1979 geschrieben, und er erscheint hier zum ersten Mal in der Übersetzung. O. P.