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Volksbuch


'Heidulf Gerngroß Heidulf Gerngroß

Radikales Ereignis
Was ist das "Volksbuch"? Ein Buch ohne erkennbaren Inhalt, ein Buch, dessen Hauptperson die Sprache ist, wie der Verlag kryptisch meint, ein Buch, dessen Handlung Sprachhandlung ist. Daraus wird man, steht zu befürchten, nicht ganz klug. Was hat also Gerngroß wirklich gemacht? Er hat vor neun Jahren begonnen, Material zu sammeln, Texte geschrieben und sie später, weil ihm das zu langsam ging, auf Tonband gesprochen. Rund 650 Seiten kamen auf diese Weise zustande. Der erste Schritt war damit getan. Als nächstes stürzte sich der 1939 Geborene auf das Auswählen und Sammeln von Zitaten aus Tageszeitungen, aus Kriminal- und Heimatromanen, aus Jerry Cotton- und Perry Rhodan-Heften, gesammelt wurden auch Passagen aus anderer Trivialliteratur, aus Volksliedern, aus mythologischen Texten. Damit war der zweite Arbeitsgang abgeschlossen. Punkt drei und vier waren das Collagieren und Mischen dieser Texte, das Endrohsprachmaterial für das Buch stand damit fest und harrte auf die Bearbeitung. Und was nun kam, hat es im Bereich der Literatur noch nicht gegeben: Gerngroß entwickelte ein exaktes Computerprogramm, das nach strengen Gesetzmäßigkeiten den gesamten vorliegenden Text verarbeitete. Ergebnis all dieser Bemühungen: "Volksbuch", 1280 Seiten stark, folglich ziemlich gewichtig und schwer und auf alle Fälle noch schwerer zu beurteilen. Das Handwerkszeug der professionellen Literaturkritik scheint jedenfalls nicht ganz zu greifen. So liest man in der "Zeit": "Das Inkommensurable des Großteils der Rhombus-Literatur ist die Voraussetzung für ihre Existenz. Ivanceanu hat Rhombus-Literatur Literatur zur Abschaffung des Publikums genannt. Auf alle Fälle ist das eine Literatur zur Abschaffung des Rezensenten. Somit auch zur Abschaffung eines Publikums, das informiert werden will über Literatur und sich begnügt, die Bestsellerliste rauf- und runter zu lesen, statt sich einzulassen auf Literatur, in sprachliche Abenteuer, deren Ergebnis nicht schon von vornherein feststeht: gutes Buch, schlechtes Buch … Das absolute Extrem dieser inkommensurablen Literatur ist Heidulf Gerngroß' 1280 Seiten starkes Volksbuch …"

Von Raoul Blahacek im "Börsenblatt"

Gerngroß wird über die Konstruktion des Volksbuches sprechen und ausgewählte Kapitel in Form einer Lautsprecherkundgebung vortragen.