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Bericht als Roman - Bericht als Film: Materialien, Codes, Grenzbereiche


'Alain Robbe-Grillet Alain Robbe-Grillet

Alain Robbe-Grillet gilt neben Nathalie Sarraute und Michel Butor als Wegbereiter, Repräsentant und letzten Endes auch als Vollender des nouveau roman – der wesentlichsten Richtung des Romans im 20. Jahrhundert.

Bei den Zielsetzungen dieser neuen Romanform handelt es sich im wesentlichen um eine literarische Theorie, die bemüht ist, jede Komplizenschaft des Menschen mit den ihn umgebenden Dingen abzustreifen. In der Sprache äußert sich – so Robbe-Grillet – ein naives Verhältnis des Menschen zu den Dingen, das zu einer Art solidarischer Mensch-Ding-Beziehung führt. Gerade diese Beziehung will Robbe-Grillet aufkündigen, was ihm durch spezielle Metaphern gelingt, die eine Vielzahl von anthropomorphistischen Analogien ins Spiel bringen. Die Dinge werden so zu Geschöpfen des menschlichen Willens.

Der Autor stellt eine streng materielle Wirklichkeit dar, der im Sinn der "Theorie des Abstandes" keinerlei allegorischer Wert zukommen soll. Eine Fabel läßt sich nur an den veränderten Konstellationen ablesen, in die Menschen und Dinge eintreten. Mit Akribie beschreibt Robbe-Grillet in Roman und Film die Außenhaut dieser dinglichen Welt: Zimmereinrichtungen, Häuserfassaden, Spuren im Schnee.

Robbe-Grillet: "Das Sehen läßt, solange es bloßes Sehen bleiben will, die Dinge an ihrem Platz. Die optische Beschreibung ist nämlich jene, die am leichtesten die Fixierung der Abstände zustande bringt". Menschen verraten sich (ihre An- und Abwesenheit) nur an dinglichen Spuren: verwischten Staubspuren, Zigarettenstummeln, die sich in Aschenbechern häufen, klebrigen Spuren von Gläsern auf einem Tischtuch. Der Ding-Roman, die objektive oder objektale Literatur, die Alain Robbe-Grillet mitbegründet hat, ist letzten Endes die genaue, metaphernfreie Beschreibung der Dinge, die ein Mensch sieht und gleichzeitig die Beschreibung der variablen Konstellationen, in die sie treten. Die rudimentäre Fabel dient nur als Vorwand und braucht weder eine fiktive Psychologie noch eine Chronologie.