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Ars Electronica 1980
Festival-Programm 1980
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Festival 1979-2007
 

 

Die wandelnde Elektronik-Klangwolke aus Berlin
auf dem schwarzen Kanal

'Conrad Schnitzler Conrad Schnitzler

AKTIONEN IN DEN FOYERS

I. Schnitzler nimmt mit seinen Kassettenrekordern und Spezialmikrophonen die "Umgebung" der Klangwolke am Dienstag, den 9. 9. auf, indem er zu Fuß durch die Klangzonen geht und mit seinem Kunstkopfmikrophon quasi das aufnimmt, was auch die Zuhörer im gleichen Moment hören. Auch an den anderen Tagen wird Schnitzler durch die Stadt gehen und überall die Umgebung aufnehmen, wo auch immer Ars Electronica stattfindet, z. B. Animationskonzert, Klangstraße, Open House etc. etc. Diese Aufnahmen wird man während und nach der Ars Electronica im Radio hören können.

II. Während Schnitzler die Tage durch die Stadt geht, weist er mit einem Schild auf seine Aktion am Samstag hin. Die Bevölkerung wird gebeten, am Samstag mit einem batteriegespeicherten Kassettenrekorder ins Brucknerhaus zum Stand von Conrad Schnitzler zu kommen. Jeder, der einen solchen Rekorder mitbringt, erhält eine Musikkassette (höchstens 1.000 sind vorhanden), auf der zwei Mal 21 Minuten Musik von Conrad Schnitzler zu hören ist, eine speziell für Linz angefertigte Komposition. An welcher Stelle der Kassetteninhaber auch immer seine MC abfährt, das Stück ist so geschrieben, daß die Klänge immer irgendwie zusammenpassen. Dadurch, daß jeder die Lautstärke an seinem Rekorder regeln bzw. bestimmen kann, und daß es egal ist, von welcher Stelle er die MC abspielt, entsteht permanent ein neuer Klang, eine neue Mischung, eine neue Komposition.

Wenn genügend Leute sich bei Conrad versammelt haben, zieht er mit ihnen und mit den umgehängten und eingeschalteten Kassettenrekordern durch die Stadt und bildet somit eine "Wandelnde Elektronik-Klangwolke aus Berlin".

Diese Aktion wird mehrfach wiederholt.

Einige Zitate von CONRAD "VON BERLIN":

"Ich hab' mit Musik angefangen, ohne etwas davon zu verstehen. Ich kann eigentlich überhaupt kein Instrument spielen. Ich mache die totale Improvisation und darum bin ich an den neuen Tönen interessiert, die man mit der Elektronik machen kann …"

"… ich bin nicht nur ein Musiker. Wenn ich in der Küche steh' oder sonstwas mache, es ist ein Teil meiner Kunst …"

"… die Musik, die ich mache ist nicht so populär, nicht für eine Mehrheit bestimmt, aber eine kleine Minderheit mag sie wirklich. Leute, die in einen Schallplattenladen gehen und nach einer ganz speziellen Platte suchen, die mag ich. Ich mache meine Musik für diese Leute. Und wenn sie keiner will, macht das auch nichts, ich mache sie dann für mich selbst, wie immer schon …"

"Meine Zukunft ist dieselbe wie die Zukunft der Welt …"

"… Ich lasse mein Leben so laufen wie bisher. Was auch immer auf mich zukommt, ich nehme es an. Es ist so einfach. Wenn Du Business machst und dem Geld hinterher bist, macht es Dich kaputt – dieser ganze Streß und so. Ich arbeite gerne. Wenn ich keine Musik mache, mache ich was anderes: Texte, Filme, Aktionen, was ich will!"


INTERMEDIA
Bei Intermedia ist das Fertige immer nur Versatzstück des schöpferischen Prozesses. Das Fertige ist überholt und sei es nur die Zeit an sich, die daran vorbeigeht.

Intermedia zieht also keinen Vorhang vor die Widersprüche und Prozesse, vor dem dann das Fertige thront, sondern Intermedia ist der Prozeß ebenso wie das, was daraus entsteht.

Bei Intermedia ist das Fertige immer nur Versatzstück des schöpferischen Prozesses.

Säen und Ernten: Der Künstler bittet zu einem Spaziergang auf dem Feld der Kunst. Was gäbe es da zu verbergen? Die Kunst ist ein Fest, und der Künstler weiß, wie man es feiert. Bei Intermedia ist das Fertige immer nur Versatzstück des schöpferischen Prozesses.

Die Person wird wieder zum Mittelpunkt der Gesellschaft!

Conrad Schnitzler
Fragen der Ars Electronica an Conrad Schnitzler
FRAGEN DER ARS ELECTRONICA AN CONRAD SCHNITZLER
ae.: Du hast viele Aktionen gemacht, mit Kassettenrekordern, Videotapes, Super 8, Schminkkonzerte, Wandelkonzerte, Schwarzweißfilmezerkratzen etc.

Conrad: Das sind viele Aktionen gleichzeitig. Ich meine damit. Ich bezeichne mich als Intermedialisten (ich arbeite also zwischen den Medien). Bin nicht unbedingt nur Musiker, Komponist, Texter, beschäftige mich nicht nur mit stehenden oder laufenden Bildern in Video oder Super 8 Technik, ich bin mein eigener Akteur oder laß andere agieren, vermittle meine Erfahrungen, laß in meiner Technik arbeiten, um zu vermitteln, füge Ungereimtes aneinander und überhaupt siehe Intermedia-Text.

ae.: Was willst Du damit vermitteln?

Conrad: Die Spielregeln!

ae.: Was bedeuten diese Aktionen für Dich selber z. B "… die wandelnde Klangwolke aus Berlin …" eine Aktion bei der Ars Electronica 80?

Conrad: Am Beispiel Klangwolke wäre ich der Komponist, der seine Kompositionen durch das Publikum aufführen läßt. Was in der tradierten Musik das Notenblatt, ist bei dieser zeitgenössischen Musik die Tonbandkassette mit den darauf enthaltenen Noten. Was beim tradierten Orchester das Instrument, ist jetzt der Kassettenrekorder. Noch gibt es keinen Dirigenten und auch die Partitur ist nicht fest fixiert.

ae.: In irgendeiner Berliner Zeitung las ich, Du gältest in Berliner Kreisen als eigenbrötlerischer und extravaganter Künstler. Woher nimmt der Journalist diese Weisheit und in welchem Zusammenhang steht so eine Aussage zu Deiner Kunst?

Conrad: Vielleicht weil ich die Haare kurz trage, wenn sie doch lang modern sind und eigenbrötlerisch, weil ich mich den Konsumzwängen nicht unterordne. Daraus resultiert wiederum die nötige einfache Machart meiner Kunst. Statt eines teuren Synthesizers muß es ein Kassettenrekorder tun. Statt einer teuren Lichtanlage bei einer Bühnenshow ist es eine schwarzbemalte, geritzte, durchleuchtete Glasscheibe.