Musica ex machina
Automatische Musikinstrumente aus österreichischen Sammlungen
'Gerhard Stradner
Gerhard Stradner
Mechanische Musikinstrumente (1) verzichten auf die vermittelnde Funktion des Spielers weitgehend. Sie werden durch mechanischen oder automatischen Antrieb zum Klingen gebracht (2) . Dieses Prinzip der "musica ex machina" hat eine stetige Steigerung erfahren. Daraus resultiert ein gesellschaftlicher Stellenwert der Musikautomaten, der bis ins vorige Jahrhundert ein sehr bedeutender war und heute mit dem der Schallplatten- und Tonbandgeräte vergleichbar ist. Durch die Tatsache, den Ablauf eines Musikstückes auf manchmal sogar mehrfache Weise beeinflussen zu können, stehen sie zwischen den Musikinstrumenten und den Geräten für Musikkonserven.
In der hier gezeigten Ausstellung (3) werden erstmals Automatophone präsentiert, die in Österreich gespielt wurden und bisher unveröffentlichten und daher weitgehend unbekannten österreichischen Sammlungen (4) entstammen. Sie kann daher als Beitrag zu einer Geschichte der Musiktradition bzw. Musikrezeption in Österreich gewertet werden.
Die Aufzeichnung der Musik erfolgt auf den Tonträgern (5) zuerst mittels Stiften, später durch Löcher. Erstere können auf Walzen und Platten (6) (Nr. 1a, b), letztere auf Platten und Rollen (Nr. 1c–e) angebracht sein. In neuester Zeit werden die Impulse auf einem Magnetband festgehalten und durch einen Computer verarbeitet.
Bei der Art der Tonerzeugung wird nahezu jedes von den Musikinstrumenten her bekannte Prinzip angewandt. Glockenspiele sind heute noch in manchen österreichischen Städten, wie z. B. in Salzburg, anzutreffen. Der Vorgang, den Glockenschlag durch ein Werk zu steuern, ist von der Uhr mit Schlagwerk (Nr. 3) her bekannt und findet bei den Spielwerken mit Glocken (Nr. 4, 5) Anwendung. Drehdosen (Nr. 9) werden mit einer Kurbel betätigt, während Spielwerke (Nr. 7, 8, 10–14) mit Federwerk in Bilder, Bilderuhren, Taschen- und Standuhren sowie sonstige Gegenstände eingebaut werden.
Die von der Orgel her bekannte Lippenpfeife (Nr. 15) findet in der Serinette (Nr. 16, serin = franz. Zeisig), mit der den Singvögeln bestimmte Melodien beigebracht werden, Verwendung. Die akustische Nachahmung eines Singvogels (Nr. 17, 18) erfolgt dagegen durch Labialpfeifen mit beweglichem Stempel, der Tonhöhenänderungen erlaubt. Akustisch am weitesten entwickelt sind die Flötenwerke (Nr. 20–22), meist mit Uhren kombiniert, für die zahlreiche originale Werke bedeutender Komponisten, wie Haydn, Mozart und Beethoven erhalten sind. Besonders in Wien und Prag wurden kunstvolle Flötenuhren angefertigt.
Der letzte Wiener Werkelmann, Herr Karl Nagl, der noch heute in der Wiener Innenstadt in der von seinen Lehrmeistern übermittelten Spieltradition "aufspielt", benützt Drehorgeln mit Lippen- (Nr. 23) und teilweise auch Zungenpfeifen (Nr. 25). Eine größere, meist mit Motor betätigte Drehorgel ermöglicht verschiedene orchesterartige Effekte. Das Spiel der Orgel von Ferdinand Molzer (Nr. 26) soll hier an die Klangatmosphäre des alten Wiener Praters erinnern, dessen 46 Praterorgeln am Ende des zweiten Weltkrieges verbrannten. Einen guten Einblick in die Höhe der Erzeugung automatischer Orgeln in Wien gestatten die Pläne und Konstruktionszeichnungen Wiener Orgelmacher (Nr. 28, 29, 31–34). Kleinere, auch in Österreich weit verbreitete "Werkel" mit verschiedenen Bezeichnungen (Nr. 35–41) hatten in der Regel durchschlagende Zungen.
Das älteste der hier akustisch und optisch präsentierten Exponate gehört zum Typus der Androiden und stellt einen trommelnden Pagen (Nr. 42) dar, der wohl die geladenen Gäste zu Tisch bitten soll.
Vereinzelt trifft man in Wiener Gastlokalen noch Orchestrinos (Nr. 43) an, die nach Einwurf einer Münze, durch eine Stiftwalze gesteuert, ihre Saiten und verschiedene Schlaginstrumente erklingen lassen. Ein hohes Maß an Perfektion wurde jedoch mit den mittels Papierrollen spielenden automatischen Klavieren erreicht. Das Spiel namhafter Pianisten wurde auf den Rollen festgehalten und kann heute mit der Phonola (Nr. 44) oder ähnlichen Geräten reproduziert werden, wobei der "Spieler" bestimmte Eingriffe beim musikalischen Ablauf bewußt vornehmen kann. Auch beim neuesten PIANOCORDER (Nr. 45), dem wohl perfektesten System, hat der Spieler die Möglichkeit, die Parameter "Tempo" und "Lautstärke" zu beeinflussen. Hier empfängt ein Computer die über Magnetband eingegebenen Impulse und steuert das Spiel des Klaviers. Erstmals kann hier sofort und ohne großen technischen Aufwand auch das eigene Spiel auf dem Magnetband festgehalten werden.
In unserem Jahrhundert wird die Bedeutung der Musikautomaten durch die bahnbrechende Erfindung der Schallaufzeichnung durch Edison geringer. Der hier gezeigte ARCHIVPHONOGRAPH der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Nr. 46) ist ein für Forschungszwecke gebautes Präzisionsgerät, mit dessen Hilfe die Stimmporträts zahlreicher Persönlichkeiten Österreichs der Nachwelt erhalten blieben.
(1) Auch Musikautomaten, mechanische Musikwerke, Musikmaschinen oder Automatophone. zurück
(2) Vgl. den Katalog: Ausstellung, Drehorgeln und Flötenuhren, Salzburger Museum Carolino Augusteum, Salzburg 1980, S. 2. zurück
(3) Ausstellungen mit ähnlicher Thematik waren vor kurzem bzw. sind derzeit in Berlin, London, München, Salzburg und Washington zu sehen. zurück
(4) Die hier aufgestellten Exponate sind eine Auswahl aus den Musikautomaten einiger Sammlungen in Wien, Nieder- und Oberösterreich. Den zahlreichen Leihgebern, die durch ihr Entgegenkommen diese Ausstellung ermöglicht haben, sei herzlich gedankt. zurück
(5) In der vorliegenden knappen Einführung können die auftretenden Probleme nicht erschöpfend behandelt werden. Der Interessent sei auf die umfangreiche Fachliteratur, insbesondere auf das Lexikon: David Bowers, Encyclopedia of Automatic Musical Instruments, New York 1972, verwiesen. zurück
(6) Es handelt sich um die Nummern der Exponate dieser Ausstellung. zurück
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