|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Veranstalter
Ars Electronica Linz & ORF Oberösterreich
|
|
|
|
|
Care about Each Other—A Web of Relationships Ein Gefühl der Zugehörigkeit
Andreas Hirsch / Joichi Ito / Shanthi Kalathil / Jane Metcalfe / Dorothy Okello / Howard Rheingold / Oliviero Toscani
Bei Digital Communities geht es um aufkeimendes kollektives Handeln, um staatsbürgerliche Selbstermächtigung, sozialen und ökonomischen Unternehmergeist, den Einfallsreichtum von Technologiebenutzern und die aktive Selbstgestaltung ihrer Medien, die künftige Entwicklung neuer Werkzeuge und sozialer Formen, kulturelle Verbesserungen und die Linderung von Leiden; es geht um die Humanisierung der Technologie, um Offenheit und Inklusion sowie um die schiere Freude am gemeinsamen Gestalten. Digitale Gemeinschaften können Leben retten, Unterschiede und digitale Klüfte überbrücken, Wissen vermehren, Märkte erschließen, die Demokratie neu beleben und das Bürgerengagement fördern – aber nur, wenn Menschen die in der Technologie steckenden Potenziale nutzen und sie überlegt einsetzen.
Nach einer formelleren Definition der Soziologen Barry Wellman und Keith Hampton ist eine „Community“ zwar „ein Netzwerk interpersoneller Verbindungen, das Geselligkeit, Hilfe, Information, ein Gefühl der Zugehörigkeit und soziale Identität bietet“, für den Zweck dieses Wettbewerbs definieren wir sie aber als „ein über einen längeren Zeitraum aufrechterhaltenes Beziehungsgefüge zwischen Menschen, die einander etwas bedeuten“, und eine „digitale Community“ definieren wir als „ein Beziehungsgefüge, das durch digitale Mittel ermöglicht, verstärkt oder erweitert wird“.
Wikipedia und The World Starts With Me, die beiden Gewinner der Goldenen Nicas in der neuen Kategorie Digital Communities, exemplifizieren geradezu die bereits im Namen „Digital Communities“ enthaltenen komplementären Aspekte: digitaler Diskurs und Handeln im physischen Miteinander. Der Namensteil „digital“ bedeutet nicht, dass Technologie allein eine Community herstellen kann – nur Menschen können soziale Gruppen bilden, wenngleich Alphabete und Internets diesen Menschen Handlungsweisen ermöglichen können, die vorher nicht möglich waren. Und der „Community“-Teil kann auf viele verschiedene Gruppen verweisen, solche, die sich miteinander amüsieren, politische Aktionen oder Bürgerinitiativen organisieren, Kunst oder Geschäfte machen, Selbsthilfe in medizinischen oder familiären Krisen bieten, lernen und lehren, Firmen gründen und sich ineinander verlieben.
Wir hoffen, dass die beiden Siegerprojekte, von denen das eine fast gänzlich im Cyberspace existiert und das Ziel hat, öffentliches Wissen zu schaffen, und das andere mittels digitaler Medien wichtige Aufklärungsarbeit im physischen Raum in Uganda leistet, beispielhaft darlegen, wie breit der Begriff „Digital Community“ sein kann. Die Wikipedianer haben etwas geschaffen, das ohne Internetkommunikation unmöglich wäre, The World Starts With Me hingegen nutzt digitale Medien zur besseren Durchführung einer lebenswichtigen Aufgabe in der Welt des physischen Miteinander, die sich zwar auch ohne komplizierte Technologie bewerkstelligen ließe, mit entsprechenden digitalen Mitteln aber vielleicht auf effektivere Weise.
Bei der Bewertung der Einreichungen haben wir verschiedene Kriterien berücksichtigt. Hat die digitale Community öffentliche Güter, technische und soziale Innovationen, zivilgesellschaftliche Werte, humanitären Nutzen, wirtschaftliche Möglichkeiten, eine Stärkung der Basis, technologische Kapazitäten, Brücken über digitale Klüfte geschaffen oder möglich gemacht?
Zudem hoffen wir, dass unsere zwei Nica-Preisträger, unsere vier Auszeichnungen und 14 Anerkennungen andere dazu anregen werden, den Bemühungen dieser bahnbrechenden digitalen Communities nachzueifern und sie zu verbessern. Community Building im Cyberspace ist mit digitaler Technik und sozialer Software allein nicht möglich – dazu sind auch soziale Fähigkeiten, interpersonelle Beziehungen und ausdauernde Diskussionen vonnöten. Vor allem aber sind digitale Communities lediglich das jüngste Beispiel der menschlichen Gabe zur Erfindung neuer Kooperationstechniken und unserer unermüdlichen Begeisterung für neue Formen sozialer Beziehungen. Die 20 Gewinner sind Keimzellen für künftige Visionen, Anstrengungen und findige Lösungen. Sie sollen nicht die Grenzen des Möglichen abstecken, sondern das breite Feld an Möglichkeiten aufzeigen. Sie sind als Beispiele für die Notwendigkeit ebenso gedanken- wie gefühlvoller menschlicher Bemühungen gedacht, wenn unsere neuen sozialen Softwaretools die digitale Kluft überwinden helfen sollen, die einzelne Gesellschaften wie die Welt als Ganzes trennt und die Menschen zusammenbringen statt sie zu spalten. Die über die ganze Welt verstreuten Schauplätze unserer Preisträgerprojekte verdanken sich nicht etwa einem bewussten Eingriff der Jury, sondern spiegeln die wahrhaft globale Ausdehnung der digitalen Community wider.
Wenngleich designerische Brillanz immer Berücksichtigung verdient, zeugen die Projekte der beiden Gewinner der Goldenen Nicas von der Überlegenheit der Einfachheit gegenüber effektvollen Displays. Wikipedia ist ein von Tausenden Menschen in Dutzenden von Sprachen mit einem sehr einfachen Werkzeug erstelltes und betreutes öffentliches Gut. The World Starts With Me, ebenfalls ein eher basisgestütztes Gemeinschaftsprojekt als ein hierarchisch von oben organisiertes Regierungsprogramm, betreibt mit einfachen Multimedia-Lehrplänen Gesundheitserziehung und verwickelt Jugendliche in eine offene Diskussion über ein heikles Thema. Die beiden Gewinner bergen füreinander sogar jeweils ein neues Potenzial: The World Starts With Me wird sicherlich ähnliche, mit Multimedia arbeitende Projekte nach sich ziehen; und Wikipedia könnte sich – auch mit seiner Philosophie der Offenheit und Replizierbarkeit – als ein nützliches Werkzeug für Lehrer und Lernende in zukünftigen Online-Kampagnen zur Gesundheitserziehung erweisen. Beide Projekte verstärken die Arbeit einiger weniger ehrenamtlicher Mitarbeiter und schaffen Werte für viele andere. Als erste Gewinner einer Goldenen Nica in der Kategorie Digital Communities sind beide Projekte vorbildlich ausgeführt, inspirieren andere dazu, auf der Basis ihrer Arbeit Werte in neuen und anderen Communities zu schaffen, und zeigen die Bandbreite an unterschiedlichen Projekten auf, die durch digitale Medien in Zukunft möglich werden.
Goldene Nicas
Wikipedia http://www.wikipedia.org
Die Wikipedia ist eine gemeinschaftlich erstellte Open-Content-Enzyklopädie – ein von freiwilligen Mitarbeitern online geschaffenes und betreutes öffentliches Gut. Mit der leicht handhabbaren Wiki-Software kann jeder, der sich dem Projekt anschließt, ohne Html-Kenntnisse Texte hinzufügen und editieren. Qualitätskontrolle und Schutz gegen Vandalismus erfolgen durch die gemeinsame Arbeit – Inhalt wie Community sind also selbst generiert, schützen sich selbst und heilen sich selbst.
Seit Jänner 2001 wurden von Tausenden Beiträgern mehr als 250.000 Artikel auf Englisch und etwa genauso viele in mehr als 50 weiteren Sprachen veröffentlicht. Neulinge lernen sofort, wie sie Inhalte hinzufügen oder korrigieren, sich an Online-Diskussionen beteiligen und zum Wert der Ressource beitragen können. Schwesterprojekte sind ein gemeinsam erstelltes mehrsprachiges Wörterbuch, eine Lehrbuchsammlung, eine Zitatesammlung und ein Archiv freier Quellentexte. Das Open-Content-Konzept wird in der Wikipedia wie folgt erklärt: „Ziel von Wikipedia ist die Schaffung einer Informationsquelle in Form einer frei zugänglichen Enzyklopädie.
Die von uns verwendete Lizenz gewährleistet freien Zugang zu unseren Inhalten ähnlich wie freie Softwarelizenzen. Wikipedia-Inhalte können also kopiert, modifiziert und weitergegeben werden, solange die neue Version anderen dieselben Rechte gewährt und die Autoren des verwendeten Wikipedia-Artikels nennt (ein direkter Link auf den betreffenden Artikel genügt unseren diesbezüglichen Anforderungen). Wikipedia-Artikel werden daher für immer frei sein und können mit gewissen Einschränkungen (die hauptsächlich dazu dienen, ihre Freiheit zu gewährleisten) von jedermann benutzt werden.“ Arme Studierende oder Lehrer in abgelegenen Landregionen, die über ein Telecenter Zugang zu einer langsamen, nur für Texte geeigneten Internetverbindung haben, können gratis eine ständig aktualisierte Enzyklopädie benutzen, und auch viele technisch besser ausgerüstete Breitbandnutzer benutzen die Wikipedia wegen ihrer Einfachheit, Zugänglichkeit und Genauigkeit. Die Wikipedia ist ein Beweis für das Konzept der „kollektiven Intelligenz“, der das Vermögen des Einzelnen übersteigenden Fähigkeit von Gruppen zur Schaffung, Nutzung und Verbreitung von Wissen. Die Wikipedia definiert eine wissensbezogene Form des digitalen Gemeinschaftsraums, in der das Dokument als Ankerpunkt für ein Gefühl der Ortszugehörigkeit fungiert. Wer hätte noch vor wenigen Jahren gewagt, von so einem Unternehmen zu träumen? Welche Unternehmen werden in Zukunft noch herbeigeträumt werden, in denen Menschen als Unterhaltungsform Wissen generieren und es frei zur Verfügung stellen? Wir hoffen, die Wikipedia-Gemeinschaft wird das Preisgeld dazu verwenden, weiter zu wachsen, wohin immer sie es für notwendig hält, und dass andere inspiriert sein werden, diese einfache Technologie zu nutzen – oder andere Technologien kollektiver Intelligenz zu erfinden –, um die Public Domain weiter auszubauen und die menschliche Wissensgemeinschaft zu bereichern.
The World Starts with Me http://www.theworldstarts.org
Ist die Wikipedia ein Beispiel dafür, wie eine fast rein virtuelle Gemeinschaft eine Wissensressource schaffen kann, so geht es bei The World Starts with Me um eine höchst „reale“ Form physischer Gemeinschaft und um soziales Lernen in Gruppen mit einem überaus ernsten Thema – Kenntnisse über Krankheiten und Verhaltensweisen, die den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen können.
The World Starts with Me versucht, mit Hilfe digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien einen positiven Wandel in der Welt realer Begegnungen herbeizuführen; das Projekt betreibt HIV/AIDS-Aufklärung für ugandische Jugendliche – eine Bevölkerungsgruppe, die massiv von einer Krankheit gefährdet ist, bei der Informationen über sexuelle Verhaltensweisen Leben retten und die aufwändigen, das ugandische Gesundheitssystem schwer belastenden Behandlungen verhindern helfen kann. In einer Situation, in der ein wenig Information viel bewirken kann und der Zugang zu IKT beschränkt ist, setzt The World Starts with Me computergestütztes Lernen und computergestützte Lehrer-Schüler-Kommunikation als effektives Mittel zur Erweiterung von Low-Tech-Unterrichtsmethoden ein:
Das WSWM-Projekt ist ein einzigartiges Angebot einer zeitgemäßen Sexualerziehung. Menschenrechte und eine positive Haltung zur Sexualität bilden den Ausgangspunkt für die Entwicklung technischer und sozialer Kompetenzen (z. B. Verhandlungsfähigkeiten, Verhütungsmittelgebrauch, das Recht, Sex zu verweigern), die Grundlage einer informierten Entscheidungsfindung sind.
Das Programm ist leicht handhabbar und rasch an die Bedürfnisse der Nutzer anpassbar. Die sichere E-Lernumgebung und der selbstgeleitete, vom Schüler bestimmte Lernprozess erleichtern die interaktive Aufklärung über sensible Themen. Der einheitlich systematische Lernprozess gewährleistet gleichbleibende Qualität an verschiedenen Orten. Die Mischung von Text, Audiound/ oder Bildeffekten verleiht dem Wissen, den Haltungen und dem sozialen Lernen modellhaft Gestalt.
Medizinisches Fachwissen ist in Ostafrika dünn gesät, Medikamente sind teuer, die Unkenntnis in Fragen des Sexualverhaltens ist in einer HIV/AIDS-Epidemie selbst epidemisch – über Computer verbreitete Lehrmaterialien können Lehrern, denen es an materiellen Ressourcen fehlt, auf die Sprünge helfen.
Wir hoffen, die Auszeichnung und das Preisgeld werden mit dazu beitragen, dass das Schoolnet in Uganda und Butterfly Works in Amsterdam ihr Programm um Peer-to-Peer-Kommunikation, Online-Counseling und andere Informations- und Kommunikatinstechnologie (IKT)-gestützte Medien erweitern können, so weiter wachsen und ihr Projekt noch effizienter gestalten. Wir hoffen auch, zum Einsatz digitaler Medien bei der Bewältigung einer gesundheitlichen Krise anzuregen, die eine ganze Generation junger Afrikaner betrifft. Wir wollen IKT nicht als Ersatz für die direkte Gesundheitserziehung propagieren, sondern lediglich als Ergänzung, Erweiterung und Verstärkung. Das WSWM-Projekt setzt IKT für soziales Lernen in einem sensiblen Bereich ein, der mit anderen Medien nur schwer vermittelbar ist – jungen Männern und Frauen wird es sicher leichter fallen, offen über die Dinge zu reden, wenn sie vor einem Bildschirm sitzen, als wenn sie einander gegenüber sitzen. Die IKT ist Teil einer von einem ausgebildeten Erzieher geleiteten Gruppenlernerfahrung.
Auszeichnungen
dol2day http://www.dol2day.de
Bei der Demokratie geht es nicht nur um die Wahl von Führungspersönlichkeiten. Zur Demokratie gehört auch die Öffentlichkeit, in der die Bürger Zugang zu den für die Selbstregierung benötigten Informationen erlangen und in der sie die Probleme, an denen ihnen liegt, frei und wohl begründet diskutieren können. Diese hat im Zeitalter der Massenmedien massiv gelitten. Die Wählerbeteiligung ist in den meisten Ländern gesunken, und junge Menschen haben sich von den Wahlprozessen, die sie lediglich als passive Empfänger massenmedialer Propaganda ansprechen, abgewandt. dol2day ist eine einfallsreiche und einnehmende Form der Wiederbelebung der Öffentlichkeit. Deutsche Bürger, vor allem der jüngeren Generation, partizipieren an einer lebhaften Diskussion und einer kreativen Simulation, bei der die Mitglieder Parteien bilden, Probleme diskutieren und Unterstützung für ihre Anliegen mobilisieren.
Viele Visionen einer IKT-gestützten „E-Demokratie“ hegen magische Vorstellungen über der Fähigkeit der Online-Kommunikation, einige Probleme der Demokratie des 21. Jahrhunderts zu lösen. dol2day begnügt sich nicht mit der Bereitstellung von Informationen, sondern bezieht seine Bürger in die Grundaktivitäten der öffentlichen Sphäre ein – den Austausch von Informationen und Meinungen und die Diskussion über aktuelle politische Fragen mit begründeten Argumenten. Die Site ist ein Vorbild für andere, die mit digitalen Communities eine Stärkung der Bürgerrechte und eine verstärkte Beteiligung am politischen Leben anstreben.
Krebs-Kompass http://www.krebs-kompass.de
Wenn sich ein digitales soziales Netzwerk durch irgendeine Online-Aktivität als Community qualifiziert, dann wohl durch die Art von gegenseitiger Hilfe, die man in Patientengemeinschaften findet. Der deutsche Krebs-Kompass bietet Krebspatienten Peer-to-Peer-Foren, ein Portal mit fundierter Information und eine sofortige Online-Beratung durch ausgewiesene Experten – eine Mischung aus ermutigenden, hilfreichen und informativen Ressourcen, die beispielhaft für alle Hilfsgemeinschaften sein könnte. Eine Krebsdiagnose ist ein Angst einflößendes Ereignis, und weder medizinische Fachkräfte noch die eigene Familie stehen 24 Stunden am Tag zur Verfügung. Die emotionale Stütze und der Rat, die ein Krebspatient von anderen Patienten bekommt, ist da von ganz besonderem Wert, selbst wenn sich Ratgeber und Beratener nie treffen, nicht kennen und an verschiedenen Orten leben. Eine Schwäche medizinscher Hilfsgemeinschaften ist allerdings die Qualitätskontrolle der Informationen. Gerüchte und Fehlinformationen können ebenso leicht von Patient zu Patient weitergegeben werden wie emotionaler Halt und nützliche Ratschläge. Dieser Gefahr begegnet der Krebs-Kompass mit einem Gremium aus Spezialisten, vom Pharmakologen bis zum Onkologen und Chirurgen, die innerhalb von 48 Stunden Fragen beantworten.
Trotz all ihrer großartigen chirurgischen, radiologischen und chemotherapeutischen Möglichkeiten können medizinische Einrichtungen nicht individuell auf die emotionalen Bedürfnisse jedes Patienten eingehen. Hier kommt die digitale Community ins Spiel. So wie E-Demokratie-Projekte die Bürger befähigen, Probleme und Unzulänglichkeiten demokratischer Gesellschaften kollektiv zu beheben, so ermöglichen auch E-Medizin-Communities wie der Krebs-Kompass eine kollektive Selbstorganisation und einen enormen Wissensaustausch, die Patienten in die Lage versetzen, zu einem eigenen Verständnis ihrer Behandlung zu gelangen. Von oben verordnete politische Lösungen sind nicht das einzige Mittel, die wachsenden Probleme der wissenschaftlich potenten, aber ökonomisch überforderten und politisch komplizierten Gesundheitssysteme des 21. Jahrhunderts zu bewältigen. Mit Wissen ausgestattete und zur kollektiven Selbstorganisation mittels digitaler Medien befähigte Bürger können eine Macht sein, die für einen positiven und effektiven Wandel sorgt. Der Preis ist eine Anerkennung für Patientengemeinschaften überhaupt und für die besonderen Leistungen des relativ kleinen Kerns von Mitarbeitern, die den Krebs-Kompass ins Leben riefen.
Open-Clothes http://www.open-clothes.com/
Open-Clothes ist eine japanischsprachige Website, die gemeinsames Lernen, gegenseitige Unterstützung und das Abschließen von Geschäften für Unternehmer und Designer in der Modeindustrie fördert – für Menschen, deren Handwerk und deren Betriebe durch die Massenproduktion und Besitzkonzentration in großen, hochkapitalisierten Ökonomien an den Rand gedrängt wurden.
Designern, Textilkünstlern oder Knopfmachern fällt es in einem Zeitalter konsolidierter, hoch automatisierter Zulieferketten zunehmend schwer, ihre Fertigkeiten weiterzugeben, sich mit anderen zusammenzutun und Waren zu kaufen und zu verkaufen. Diese einzigartige Website verbindet die gesamte Zulieferkette der Modewelt – vom Stoff über das Design bis zum Accessoire – in einer lateralen Community statt in einer hierarchischen Bürokratie. Kleinbetriebe, die durch die von den weltweiten Kommunikationsmedien erst möglich gemachte Globalisierung der Modeindustrie bedroht sind, können nun die digitalen Medien zur Selbstorganisation verwenden.
Wenn ermächtigte Bürger die Basis einer erfolgreichen E-Demokratie sind und ermächtigte Patienten das Wachstum der E-Medizin beeinflussen könnten, so könnten ermächtigte Kleinunternehmer digitale Communities als E-Business-Center nutzen, die globale Ressourcen an Individuen weitergeben und zur Wahrung kultureller Traditionen beitragen, anstatt Ressourcen abzuziehen und Traditionen zu ersetzen. Die Mischung aus kleinen E-Businesses, einem b2b-Markt und Diskussionsforen bietet einen Rahmen für eine funktionierende Business-Community. Vorbei die Zeit, da es für Designer und Handwerker, die sich keinem kommerziellen Großkonzern anschließen wollten, an Möglichkeiten mangelte. Wir hoffen, dieser Preis wird auch andere zur Vernetzung und Stärkung von Kleinunternehmern und traditionellen Handwerkern ermutigen.
smart X tension http://www.mulonga.net
Das von Migration und Trennung durch politische und geografische Grenzen bedrohte Volk der Tonga in Zimbabwe hat seine einzigartige Musiktradition dazu genutzt, seine Kultur zu erhalten. Österreichische und Tonga-Musiker haben mithilfe eines batteriebetriebenen Keyboards/Recorders die physisch getrennten Mitglieder der Kultur miteinander verbunden. Musik ist vielleicht die älteste Kommunikationstechnologie; sie bringt Menschen in einem kollektiven künstlerischen Prozess zusammen, der noch immer eine einzigartige emotionale Anziehungskraft besitzt und imstande ist, geografische und kulturelle Grenzen zu überwinden: „Tonga.Online ist ein Projekt über Medien, IC-Technologie und Kunst, in dessen Zentrum das an der Grenze zwischen Zimbabwe und Sambia lebende Volk der Tonga steht. Ziel des Projekts ist es, die Stimme der Tonga im Internet zu verbreiten und die Minderheit der Tonga mit den avanciertesten Informations- und Kommunikationswerkzeugen auszustatten.“
Das Projekt wird in einem Teil der Welt durchgeführt, in dem das Preisgeld viel bewirken kann. Wir hoffen, es wird gelingen, einen noch größeren Teil der Tonga zu erreichen und durch noch mehr gemeinschaftsbasierte digitale Ressourcen zum Erhalt der Community und der Kultur gegen die starken Separierungskräfte beizutragen. Wir hoffen auch, dass der Erfolg dieser Community, die digitale Mittel ebenfalls zur Stärkung einer gefährdeten „realen“ Gemeinschaft verwendet, andere in vielen Teilen der Welt anspornen wird, Musik und digitale Technologie zur Bewahrung traditioneller Kulturen und zur Gemeinschaftsbildung einzusetzen und den gemeinschaftszersetzenden Tendenzen technologischer und geopolitischer Zwänge zu widerstehen.
Anerkennungen
Cabinas Públicas de Internet / Peru http://cabinas.rcp.net.pe
Eine Koalition aus Computertechnikern, Universitätslehrern und Fachleuten aus der Telekommunikationsindustrie haben über 50.000 Peruaner im Umgang mit IKT ausgebildet. Nachdem sich die ursprüngliche Koalition aus dem Projekt zurückgezogen hatte, sind viele der Ausgebildeten zu Kleinunternehmern geworden, die in lokalen Kiosken Internetzugänge anbieten.
Children with Diabetes http://www.childrenwithdiabetes.com
Nicht viele Kinder mit Diabetes haben Gelegenheit zu regelmäßigem Kontakt mit Kindern, die sich in derselben beängstigenden Situation befinden. Die Community bietet nicht nur Hilfe, sondern bringt Kindern wie Eltern durch die Artikulation ihrer Probleme und die gegenseitige Hilfe bei ihrer Lösung auch ein Stück Selbstermächtigung; wesentlich ist auch die Verfügbarkeit professioneller medizinischer Beratung. Auch das ist wieder eine der Ressourcen, die im physischen Miteinander schwer zu realisieren, wenn nicht unmöglich wäre.
Daily Prophet http://www.dprophet.com
Diese boomende Community junger Leser und Schreiber, deren Gemeinsamkeit in ihrer Begeisterung für die Harry-Potter-Bücher besteht, regt junge Leute nicht nur zum Schreiben und zur Entwicklung ihrer Fantasie an, sondern zeigt auch die Wichtigkeit eines fairen Umgangs mit literarischem Allgemeingut und die Notwendigkeit, es vor übermäßig restriktiven Eigentumsrechten zu schützen. Wie auch andere Fans entwickeln diese jungen Leute ihre eigenen Geschichten aus den Harry-Potter-Stoffen, wodurch junge Popkultur-Konsumenten auch zu Produzenten werden können. Literatur war seit jeher von dem Recht abhängig, auf die Werke anderer aufbauen zu können, und nicht von der Errichtung legistischer Mauern um geistiges Eigentum. Das käme sogar noch besser zum Ausdruck, würde den Kindern erlaubt, ihre Texte unredigiert zu publizieren.
DakNet: Store and Forward http://www.firstmilesolutions.com
DakNet errichtet mit Hilfe der bestehenden Infrastruktur regulärer Busrouten eine Kommunikationsinfrastruktur, die im ländlichen Indien sonst nicht zur Verfügung stünde. „Digitale Postboten“ verwenden WiFi, um drahtlos Emails abzuholen und auszutragen, und so einige von den Vorteilen der IKT unter Menschen zu bringen, denen sie sonst aufgrund ihrer fehlenden Anbindung versagt blieben.
Del.icio.us http://del.icio.us Del.icio.us ist ähnlich wie Wiki ein Beispiel eines einfachen Werkzeugs, das durch den Austausch von Bookmarks die Herstellung sozialer Verbindungen, die Verbreitung von Wissenskapital und die Bildung von Interessensgemeinschaften fördert. Dahinter steckt keinerlei Geschäftsinteresse, nur die Absicht, Vergnügen zu bereiten und ein nützliches öffentliches Gut zu schaffen.
DjurslandS.net http://www.djurslands.net
Die digitale Kluft tut sich mitunter ebenso innerhalb von Ländern wie zwischen ihnen auf. In einer von den großen Providern nicht versorgten ländlichen Region Dänemarks haben sich Bürger in dieser digitalen Community zusammengetan, um selbst einen Drahtlos-Anschluss zu organisieren – ein ländliches Pendant zu NYCwireless. Wir hoffen, die Anerkennung spornt geografische Gemeinschaften dazu an, die Drahtlos-Kommunikationstechnologie selbst in die Hände zu nehmen und das Netz zur Selbstorganisation von Kommunikationsinfrastrukturen zu nutzen, wenn kommerzielle Unternehmen versagen.
iCan http://www.bbc.co.uk/ican
Diese von der BBC entwickelte Website ist ein gut durchdachtes Werkzeug, das seinen Nutzern die Möglichkeit bietet, Gruppenbildungen rund um staatsbürgerliche Instrumente in den Bereich des Handelns zu überführen. Online organisierte Bürgeraktionen haben zu friedlichen Demonstrationen mit über 1000 Teilnehmern geführt, wobei erfolgreiche Beispiele in einem Landesteil und für eine Interessenslage als Infrastruktur für Aktionen in anderen Gegenden und für andere Interessen herangezogen wurden. Wir würden uns freuen, wenn daraus in Zukunft ein offeneres System würde, das nicht nur BBCNutzern offen steht und Links nicht nur auf BBC-Sites, sondern in das gesamte Netz aufweist. iCan ist ein ausgezeichnetes Vorbild für andere öffentliche Medien, die ihren Auftrag zur Verbesserung der Bürgerbeteiligung zu nutzen versuchen.
kuro5hin http://www.kuro5hin.org
kuro5hin ist ein in den USA stationierter Community-Weblog mit Reputationssystem und einem im Allgemeinen hoch stehenden Diskurs über Technologie, Politik und eine Fülle anderer Themen. Die vom kuro5hin-Gründer Rusty Foster frei zugänglich gemachte Open-Source-Scoop-Software erlaubt es jeder anderen Gruppe, Artikel zu posten, sich organisiert in laufende Diskussionen über die Artikel einzuschalten und die Inhalte unzensuriert mit einem Nutzerbewertungssystem zu filtern. Sowohl die Gruppenpublikationstools als auch die nutzergenerierten Reputationssysteme sind neue, viel versprechende Formen sozialer Software. kuro5hin ist ein Meilenstein, eine Inspiration und ein Werkzeug, das andere verwenden und weiterentwickeln können.
Kythera-Family.net http://www.kythera-family.net
Eine Diaspora-Website für eine weltweite Community, deren Mitglieder oder Vorfahren von der griechischen Insel Kythera stammen. Die Insel ist heute nur noch von etwa 2.500 meist älteren Menschen bevölkert, aber auf der ganzen Welt leben mehr als 100.000 Auswanderer und ihre Nachkommen, die meisten davon in Australien. Die von Kythera-Emigranten gegründete Site bewahrt ein kulturelles Gedächtnis – mündlich überlieferte Geschichten, Biografien, Fotos – und stellt den Kontakt zwischen den verstreuten Kytherern her. Das Wesen der Diaspora bringt es mit sich, dass es eine weltweite Gemeinschaft der Kytherer in dieser lebendigen Form ohne Technologie nicht gäbe.
The International Lomographic Society http://www.lomography.com
Spaß und gemeinsame Leidenschaften sind ein wesentlicher Bestandteil des Online-Lebens; Steckenpferdreiter bildeten schon immer die kritische Masse vieler digitaler Communities. So verdanken sich z. B. alle digitalen Drahtlos-Technologien auch den Bemühungen früher Amateurfunker. Lomography ist eine weltweite Community, die von begeisterten Anhängern einer preiswerten russischen Kamera organisiert wird. Die visuelle Kommunikation ist wie die Musik ein globales, Sprachgrenzen überschreitendes Verständigungsmittel.
Nabanna http://www.ictpr.nic.in/baduria/welcome.html
Nabanna, ein von der Unesco implementiertes Projekt, versorgt Frauen in ländlichen Gemeinden der indischen Provinz Westbengalen mit IKT-Zugang und IKT-Kenntnissen, wobei die Technologie eher an ihre Bedürfnisse angepasst wird als umgekehrt. Diese Site ist ein Beispiel für einen möglichen Umgang mit den speziellen Erfordernissen von Frauen, Landgemeinden und nachhaltiger Entwicklungsarbeit, bei dem Aneignung von Fähigkeiten und Ermächtigung der Beteiligten im Zentrum eines adäquaten Technologieeinsatzes stehen.
NYCwireless http://www.nycwireless.net
NYCwireless ist eine gezielte Zusammenführung individueller Bemühungen zum Ausbau von Drahtlos-Netzwerken und zur Bildung von Gemeinschaften rund um diese Netzwerke. Die Zusammenarbeit mit ISPs, die eine gemeinsame Nutzung von Bandbreiten ermöglicht, stellt eine Alternative zur Bandbreitenzuteilung von oben dar; die Zusammenarbeit mit lokalen Geschäftsverbänden und städtischen Agenturen in traditionell unterversorgten Vierteln gibt breiten Bevölkerungsschichten Zugang zu drahtlosen Breitbandverbindungen. Die Sammlung und Darstellung einzelner Knoten fördert selbstorganisiertes kollektives Handeln – die Art, die auch das Web entstehen ließ.
Télécentre Communautaire Polyvalent Tombouctou
Das Télécentre versorgt nicht nur einen abgelegenen Teil der Welt mit globalen Kommunikationsmöglichkeiten, es ist auch zu einem physischen Versammlungsort der Community geworden, an dem sich Studierende, Handwerker und Fremdenführer treffen. Projekte zur Erhaltung des Kulturerbes (die Digitalisierung alter Handschriften) führen Generationen zusammen. Dieses Projekt ist ein Beispiel für einen wesentlichen Aspekt der digitalen Kommunikation – es ist gleichermaßen ein Zentrum zum gegenseitigen Austausch technologischer Fähigkeiten, wie es Zugang zur IKT bietet, es fördert eine unmittelbare Gemeinschaft und ebnet den Weg in den Cyberspace.
Wikitravel http://www.wikitravel.org
Wikitravel ist ein weiteres Beispiel für die Verwendung einer einfachen Technologie zur Selbstorganisation eines öffentlichen Guts nach eigenen Bedürfnissen und aufgrund eigener Erfahrungen. Als Alternative zu kommerziellen Reiseführern stellt diese Community ein Werkzeug zur Verfügung, mit dem Reisende ihre Entdeckungen und Meinungen austauschen können. Erwähnung verdient die Open-Content-Lizenz des Projekts, die die Weiterverbreitung in einer Reihe anderer Medien begünstigt. Wie Wikipedia ist auch Wikitravel eine gemeinschaftlich erstellte und betreute öffentliche Ressource. Welche gemeinsam geschaffenen öffentlichen Güter sind neben Enzyklopädien und Reiseführern noch denkbar? Überrascht uns!
Redigiert von Howard Rheingold
|
|
|