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Veranstalter
Ars Electronica Linz & ORF Oberösterreich
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Risikoinvestment in die interaktive Medienzukunft
Horst Hörtner
Neues ist immer spannend, schon alleine der Neugier wegen. Das Programm „Artists and Research in Residence“ von Ars Electronica – [the next idea] – ist neu in diesem Jahr. Neu aber sind vor allem die Inhalte der Einreichungen. Nicht bereits realisierte Projekte werden bewertet, sondern Ideen und Konzepte, deren Umsetzung erst in der Zukunft liegt. Die Zielgruppe von [the next idea] sind die Kreativen im Alter zwischen 20 und 27 Jahren – weltweit, also vorwiegend jene Altersgruppe, die bislang beim Prix Ars Electronica kaum ein Forum besaß, da sie entweder zu alt für die Einreichungen zu u19 war oder weil sie ihrer Jugend wegen noch kaum Gelegenheit und Chance hatte, Projekte drittfinanziert umzusetzen und sie in einer der Kategorien des Prix Ars Electronica einzureichen.
[the next idea] ist also den nächsten Ideen gewidmet; Ideen derer, die sich heute schon durch innovative, originelle, visionäre, medienadäquate, verrückte und machbare Ideen auszeichnen – gewissermaßen als „Risikoinvestment“ in die interaktive Medienzukunft ... durchaus auch unter dem Motto „no risk, no fun!“
moony
Akio Kamisato / Satoshi Shibata / Takehisa Massimo Akio Kamisato, Satoshi Shibata und Takehisa Massimo haben das [the next idea]-Projekt moony vorgeschlagen, das dem Interagierenden erlaubt, virtuelle Schmetterlinge „in die Hand“ zu nehmen, mit ihnen zu spielen, sie zu streicheln, mit diesen dreidimensional dargestellten „flüchtigen Wesen“ zu interagieren. Vorgeschlagen wird eine horizontale Wasserdunsterzeugungsplatte, über die Schmetterlinge in den aufsteigenden Wasserdunst projiziert werden. Das Tracking soll mittels Kamera- und Bilderkennungstechnolgie (Arme und Hände) gelöst werden.
Das Dokumentationsmaterial, das in Form eines Videos zu einem Display-Prototypen vorlag, überzeugte die Jury auch von der Existenz einer Realisierungschance. Human-Computer-Interaction gilt in vielen Sparten als eine der Schlüsseltechnologien der Zukunft. Neue, bisher unvorstellbare Schnittstellen an der Grenze zwischen realem und virtuellem Raum sind notwendig, um die Potenziale unserer digitalen Lebensbegleitung voll auszuschöpfen. HCI ist längst nicht mehr nur Forschungsgegenstand der Universitäten. Die Entwicklung neuer benutzerfreundlicher Hard- und Software entscheidet über Erfolg und Misserfolg von Produkten und damit über die Gestaltung unserer Lebensbereiche. Vom Auto zum Handy, von der Waschmaschine bis zur Zapfsäule an der Tankstelle oder dem Tisch im Wartezimmer ... Computer, versteckt in den Alltagsgegenständen, übernehmen immer weiter reichende Aufgaben. Und dafür braucht es intuitivere und mächtigere Bedienoberflächen.
moony ist ein Konzept einer solchen „intuitiven“ Bedienoberfläche. Vor allem aber ein Experiment. Das emotionale Element nicht außer Acht lassend, entwickelte das Team eine „Bedienoberfläche für virtuelle Schmetterlinge“ in der heute vermutlich besten Art und Weise. „Vermutlich“ deshalb, weil diese Idee noch vor der Umsetzung steht. Eine „Bedienoberfläche für virtuelle Schmetterlinge“: verrückt oder genial – wer will das heute sagen? Der Prix Ars Electronica ist mit seiner neuen Kategorie [the next idea] aber dazu angetreten, gerade dieses Risiko auf sich zu nehmen.
Einige weitere Konzepte dieser Kategorie waren:
Ctrl-Shift von Jason Quinn Corace (USA) ist ein radikales, soziales Experiment: die Überantwortung des freien Willens an eine digitale Community. Ctrl-Shift referenziert auch unsere eigene Ausgeliefertheit der digitalen Kommunikation gegenüber.
SinkTop von Yuji Nakada und Tomofumi Yoshida (J) ist eine sehr gelungene Persiflage auf die neuesten Entwicklungen im Pervasive Computing, das gerade um sich greift. Diese Einreichung stellt die Frage nach der Effizienz diverser technologischer Errungenschaften.
Centralia Community von Brett Jackson (USA) ist ein Konzept für neue Geschäfts- und Ausbildungsmodelle. In einem Online-Game werden Competition- und Profile-Management automatisiert. Leistung und „Auszeichnung“ gehen ungeschminkt einher und gelten der Jury als eine interessante Anregung für neue didaktische Entwicklungen.
Touchy Chattels von Martin Zeplichal (A) ist ein künstlerisches Konzept zum Thema Pervasive Computing. Denkende Dinge konkurrenzieren miteinander um die Gunst und Aufmerksamkeit des Benutzers.
Visual Resonator von Junji Watanabe und Maki Sugimoto (J) ist ein Konzept zur Entwicklung völlig neuer Formen der Kommunikation, die vordergründig unsinnig erscheinen, erzwingt die erdachte Apparatur doch ein „Vier-Augen-Prinzip“. Die an sich natürliche Face-to-Face-Kommunikation wird unterbunden, obwohl sich die Gesprächspartner im selben Raum befinden. Erst die gemeinsame Betrachtung eines bestimmten Objekts öffnet ad hoc einen Kommunikationskanal. Vielleicht die ideale Flirtmaschine für Schüchterne.
Ein Wunsch der Jury noch zum Abschluss: Die thematische Bandbreite der Konzepte ist ebenso groß wie die geografische. Asien, Nord- und Lateinamerika, Europa, Afrika, Australien ... Angesichts der Vielzahl internationaler Einreichungen fällt auf, dass ein Land besonders spärlich vertreten war: Österreich. Der Wunsch der Jury also: mehr Projekte aus Österreich und mehr Projekte jener – freien und unabhängigen – Gruppen, für die diese Kategorie vor allem auch gedacht ist.
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