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Veranstalter
Ars Electronica Linz & ORF Oberösterreich
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Systeme, die Unsichtbares sichtbar machen
Marko Ahtisaari, Markus Seidl, Yukiko Shikata, Eva Wohlgemuth
Die Benutzung des Internet hat sich in den letzten zwei, drei Jahren durch die Verbreitung des sogenannten Web 2.0 von Grund auf verändert. Seither haben viele begonnen, sich dadurch „anzubinden“, dass sie der allgemeinen Öffentlichkeit von sich aus Datenbanken und Wissensräume zur Verfügung stellen, oder sie haben außerhalb des physischen Raums zusammenzuarbeiten begonnen. Breitband- und Drahtlostechnologie ermöglichen es, ständig online zu sein und so eine „Connected Identity“ als Individuum oder Kollektiv zu entwickeln. Das heißt, dass das Internet nicht mehr nur zur objektiven Präsentation einiger Resultate, sondern auch zum eigenen Selbstentwurf, als Teil des eigenen geistigen Raums benutzt wird. Wie spiegelt sich diese Situation in den mit dem Internet arbeitenden künstlerischen Visionen und Experimenten wider? Was können wir an diesen Projekten für die Zukunft ablesen? Die Jury hat die 298 Einreichungen drei Tage lang eingehend studiert, um aus ihnen zu lernen und Aufschluss über solche Fragen zu gewinnen.
Dabei bot sich diesmal angesichts der komplexen, rasch verzweigenden Interessen verschiedener Künstler mit breiter gefächerter Perspektive die Gelegenheit zu einigen allgemeinen Überlegungen. Man könnte sagen, dass das Internet heute – wie es der kanadische Robotik-Künstler Norman White unter Bezug auf Gregory Bateson genannt hat – ein System der „Panarchie“ darstellt, in dem widersprüchlichste Dinge nebeneinander stehen und eine wirre Mischung aus „harten Fakten“ und Fantasie, Täuschung und Erkenntnis bilden. Laut Bateson könnte diese Komplexität oder Diversität aber auch ein Zeichen kultureller Gesundheit sein, denn als ungesund beschreibt er diejenigen Systeme, die gleichartige kulturelle Bedingungen oder zu wenige Arten aufweisen. Trotz aller Diversität fanden wir Juroren, obgleich aus unterschiedlichen Gebieten schöpfend, dennoch gewisse gemeinsame Kriterien. Diese waren: (1) Weiterentwicklung der „Webgemäßheit“, (2) Verknüpfung verschiedener Realitätsebenen, (3) Innovationsgrad des Ansatzes, (4) kritische Reflexion aktueller sozialer und technologischer Situationen.
An den Einreichungen ließen sich einige Tendenzen ablesen. Viele Projekte stützten sich „parasitär“ auf existierende Internetdienste, etwa auf gemeinsam genutzte Fotoarchive wie flickr. Diese Projekte boten zwar neue, in Echtzeit durchgeführte und online gestellte visuelle Bearbeitungen der Bilderflut, konzentrierten sich aber vorwiegend auf eine attraktive (wiewohl beliebige) visuelle Darstellung ohne Einbeziehung der Nutzer oder einer Community. Es gab auch eine große Gruppe textbasierter Arbeiten, die persönliche Tagebücher oder Weblogs miteinander verknüpften oder in Visuals transformierten, allerdings ohne dass die zufällig abgerufenen Texte oder Visuals durch die typografische Gestaltung an Mehrwert gewannen. Diese Projekte bezogen keine kritische Stellung zum Prozess der Organisation und Reorganisation von Daten. Es gab auch etliche kommentierende Arbeiten zur Online-Werbung, darunter auch Remixes und Wiedergaben existierender Online-Spots. Doch auch in diesem Sektor setzten sich nur wenige Arbeiten mit der Frage der „Webgemäßheit“ auseinander. Sehr viele Projekte beschäftigten sich mit der Vernetzung physischer Komponenten. Diese Tendenz wurde bereits letztes Jahr als eine „neue Richtung netzwerkbasierter Kunst“ (Statement der Jury 2005) bemerkt, aber dieses Jahr haben sich die physischen Aspekte auf eine Vielzahl von Räumen und Ausdrucksformen ausgedehnt, die zu öffentlicher Interaktion ermuntern.
Der Großteil der Einreichungen kam aus einem engen Spektrum von Ländern, und wir möchten Künstler aus Regionen wie dem Nahen Osten, Afrika, Russland, Indien und vor allem China dazu anregen, unbedingt ihre Projekte zum Wettbewerb einzureichen. Dies würde den Gesamtbestand an webbasierten Arbeiten wesentlich bereichern, vielfältiger machen und mit anderen Ausdrucksformen infiltrieren. Wir mussten auch ein Fehlen an genderspezifischen Themen und an Frauenfragen feststellen. Ebenso wurden wenig Spiele eingereicht, die den Online-Status der Teilnehmer wirklich mitberücksichtigen oder mit Live-Feeds arbeiten.
Insgesamt gab es keine großen bahnbrechenden Einreichungen oder System verändernden Bewegungen wie etwa Creative Commons (2004) oder Processing (2005), die wir allerdings ohnehin eher für Ausnahmen halten. Wir waren also zufrieden, viele elaborierte und innovative Projekte vorzufinden.
Schlussendlich vergaben wir die Goldene Nica, die zwei Auszeichnungen und die elf Anerkennungen aus den folgenden Gründen: (1) Sie machen das Unsichtbare des Internet / durch das Internet sichtbar: gelöschte oder marginalisierte Inhalte, persönliche Existenzen, sozio-politische Situationen oder menschliche Potenziale. (2) Sie stellen Gemeinschaftssysteme, wenn auch kurzlebige und für kleine Gruppen bestimmte, über heroische individuelle Schöpfungen, wobei wir das System höher bewerteten als den Inhalt. (3) Sie zeigen erweiterte Verwendungsmöglichkeiten des Netzwerks, verknüpfen die physische mit der virtuellen Welt, laden zu emotionaler und direkter Beteiligung ein. (4) Ihre zur Zusammenarbeit anregende Umgebung wirkt inspirierend, fördert eine kreative Nutzung der Systeme. (5) Sie lassen noch nicht sichtbare, erst in der tatsächlichen Anwendung entstehende Möglichkeiten erahnen. Kurzum, wir entschieden uns für Systeme, die vielfache „Unsichtbarkeiten“ sichtbar machten.
Goldene Nica
The Road Movie exonemo (JP) http://exonemo.com/RM
The Road Movie wurde für Moblab ( http://moblab.org) entwickelt. Es ist ein prozessuales mobiles Kunstprojekt, bei dem deutsche und japanische Künstler vom 18. Oktober bis 6. November per Bus durch Japan tourten. Von fünf im Bus installierten Webcams wurden alle fünf Minuten Aufnahmen von der jeweiligen Umgebung gemacht und in Form eines „Origami“-Faltmodells des die Landschaft reflektierenden Busses im Internet zum Herunterladen und Ausdrucken bereitgestellt. So konnten selbst weit entfernt lebende Besucher das Road Movie an jedem Punkt der Reise miterleben und entfernte Schauplätze direkt im eigenen Wohnzimmer Gestalt annehmen lassen. Der gesamte Ablauf des Projekts – das Aufnehmen der Bilder an den verschiedenen Schauplätzen, ihre Weiterleitung an den Server und das Streamen der Origami-Dateien sowie deren Verknüpfung mit der Google-Weltkarte – war nur durch den gegenwärtigen Stand der Web-Technologie möglich. The Road Movie besteht aus zahlreichen Schichten: dem Bus, der physisch unterwegs ist, den Dateien im Netz und den weltweit in Privaträumen Gestalt annehmenden Miniaturbussen. Das Projekt regte die Nutzer zum kreativen Mitspielen an. Es gab Feedback von Online-Besuchern, und Hostcenter und Schulen organisierten während der Reise Origami-Workshops und -Installationen. Der Bus fungierte als Reflektor der gesamten Reise bei Tag und bei Nacht, einschließlich der Interaktionen mit der lokalen Bevölkerung. Durch die ziemlich einmalige Verknüpfung von physischer und virtueller Welt, von privat und öffentlich, global und lokal, innen und außen, Freizeit und Arbeit, eröffnete The Road Movie eine neue Dimension der Interaktion in vernetzten „öffentlichen Orten“.
Auszeichnungen
Tsunami Harddisk Detector Michael Stadler (AT) http://www.ninsight.at/tsunami
Der Tsunami Harddisk Detector ist eine die existierende Computerinfrastruktur nutzende reine Software-Lösung zum Aufspüren von Tsunamis. „Die an dem Projekt beteiligten Computer (Knoten) sind über ein Peer-to-Peer-Netzwerk (P2P) miteinander verbunden und bilden damit eine verteilte Rechenplattform mit hoher Zuverlässigkeit. Einige der beteiligten Computer fungieren als Superknoten, die eine Datenanalyse der mit ihnen verbundenen Knoten durchführen. Im Notfall werden die Knoten umgehend von den Superknoten informiert. Wer sich also zum Mitmachen entschließt und die Client-Software installiert, wird automatisch vor potenziellen Tsunamis gewarnt.“ Technisch gesehen, werden dabei mittels Software die Vibrationen der internen Festplattenkomponenten überwacht. Das Projekt kann als ein rein wissenschaftliches Unternehmen gesehen werden, zeigt jedoch bei näherem Hinsehen in einigen Punkten auch eine künstlerische Vorgehensweise, die als visionär für das Netz gelten kann. Es ist eine der wenigen Einreichungen, die im Web mehr sehen als nur das Service des Internet. Das Projekt kombiniert zwei bekannte Elemente (P2P-Networking und Festplattengeschwindigkeitsmessung) auf neue Weise und zu neuem Nutzen. Es operiert nicht von Punkt zu Punkt, sondern funktioniert nur, wenn eine kritische Masse von Knoten am Netzwerk teilnimmt. Vom einzelnen Knoten aus betrachtet, hat man den Vorteil, dass man im Notfall eine Warnung bekommt, wenn man Daten und Bandbreite zur Verfügung stellt. Ein einzelner Knoten kann diese Aufgabe nicht erfüllen, er unterbindet sie aber auch nicht, wenn er fehlt. Das ist Netz.
un_wiki Wayne Clements (UK) http://www.in-vacua.com/un_wiki.html
un_wiki ruft Textzitate aus dem Löschprotokoll von Wikipedia. The Free Encyclopedia (http://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Special:Log&type=delete) auf. Das Löschprotokoll ist die letzte Station auf dem Weg zur Zerstörung von Einträgen oder Teileinträgen, die eine der drei Regeln von Wikipedia verletzt haben: „neutraler Standpunkt“, „Quellenangaben“, „keine Theoriefindung“ (http://en.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Deletion_policy). Das klingt unspektakulär und ist es auf den ersten Blick auch. Nimmt man sich etwas Zeit, um auf die zehn bis 15 Textsplitter zu warten, die un_wiki meist auswirft, gewinnt man einen ganz anderen Eindruck. Dieser Strom von Textsplittern, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie im kollektiv verwalteten Raum von Wikipedia allesamt unpopulär waren, zeigt die dunkle Seite von Wikipedia, das, was dort nicht zu sehen ist. Es ist ein Strom von Artikelanfängen, die sich nicht um einen neutralen Standpunkt bemühten, die nach Wikipedia-Standard keinen Platz hatten. Ungeachtet der offenen Politik bei Wikipedia können Artikel nur von Administratoren gelöscht werden. un_wiki berührt auf sehr einfache, unkommentierte Weise einen wunden Punkt von Wikipedia. Es zeigt nicht nur kürzlich gelöschte Artikel, sondern auch ein Archiv früher gelöschter Artikel. Mit einer sehr einfachen Umwandlung eines existierenden Datenstroms in eine von Menschen lesbare Form werden Einträge, die von den Wikipedia-Administratoren zu Müll erklärt wurden, wieder sichtbar gemacht.
Anerkennungen
dun.AV – Danube Panorama Project Michael Aschauer (AT) http://www.danubepanorama.net
Auf dem Gebiet der Bildorganisation und des Reisetagebuchs erschien uns dun.AV – Danube Panorama Project sowohl visuell als auch metaphorisch bedeutsam. Die Donau ist immer zugleich ein geografisch-historisches Bindeglied wie auch eine Scheidelinie gewesen. Basierend auf dem Wunsch, aus unbedeutenden Augenblicken ein größeres Panorama zu zeichnen und es vielleicht auch festzuhalten, bewegt sich dieses Projekt zwischen dem besonderen und dem allgemeinen Blick. Es handelt von Zeit und Ort, von Translokation und vom Unterwegssein. Man kann eine Serie von (vielleicht – zumindest von der Kamera) durchlebten Augenblicken vor und rückwärts durchstreifen, denn das Projekt archiviert sie in fast endlosen Zeitbändern. Mit dieser Methode stellt es die bestehende Auffassung des „Panoramas“ in Frage, nicht nur durch dezentralisierte, sich ständig verändernde Perspektiven (=Antiperspektive), sondern auch durch die Verbindung unterschiedlicher politischer, sozialer und kultureller Räume in einer Linie.
cyclone.soc Gavin Baily, Tom Corby (UK) http://www.reconnoitre.net/rec_main/docs/cyclone.htm
cyclone.soc versucht die emotionalen Turbulenzen von Diskussionen durch deren Anordnung in Unwetterformationen und sich verändernden labyrinthischen Spiralstrukturen darzustellen. Das Projekt verbindet zwei aktuelle Phänomene miteinander: (1) schweres Wetter – es arbeitet mit Wetterdaten, die das Auftreten und den Verlauf von Wirbelstürmen nachzeichnen – und (2) die Polarisierung von Debatten in bestimmten Online-Newsgruppen. Das Projekt bildet die schriftlichen Auseinandersetzungen in politischen und religiösen Newsgroups auf die Isobaren einer dynamischen, interaktiven Visualisierung von Wirbelstürmen ab. Deren komplexe Strukturen werden dazu herangezogen, die in diesen Diskussionen auftretenden Reibereien und Wirbel darzustellen.
Tank-FX Sandro Catallo, Markus Cremers (DE) http://www.tank-fx.com
Tank-FX verknüpft den virtuellen mit dem realen Raum. Das Projekt verarbeitet eine vom User hochgeladene Sound-Datei, indem es sie durch einen realen 11 x 7 Meter großen Stahlbetontank im deutschen Oberhausen schickt. Die so mit Hall versehene Datei geht wieder an den User zurück. Durch Bereitstellung eines außer Gebrauch befindlichen Wassertanks als physisches Effektgerät lädt die Arbeit User zum freien Experimentieren ein.
SwarmSketch Peter Edmunds (AU) http://swarmsketch.com
SwarmSketch ist eine attraktive Site, die rund um einen hoch interaktiven Zeichenprozess neue Gemeinschaften entstehen lässt. User können bei jedem Besuch der Zeichnung, deren Wochenthema auf zufällig ausgewählten Suchbegriffen beruht, einen Strich von begrenzter Länge beitragen. Es ist besonders schön zu sehen, wie um diese von Einzelnen gezeichneten „Bilder“ eine große Community entsteht. Die Ergebnisse setzen sich nicht aus vorformatierten Mustern, sondern aus manuellem persönlichem Input zusammen und besitzen damit die ganz eigene Qualität von Strichzeichnungen, die verblüffende Ähnlichkeiten mit künstlerischen Produkten auf diesem Gebiet aufweisen. Das soziale Gebilde der zahlreichen Mitwirkenden, die über das Abschwächen, Hervorheben und Hinzufügen von Strichen entscheiden, schafft eine neuen Typus der Online-Zeichnung. Man kann sich auch einen Überblick über den gesamten Zeichenprozess und eine Statistik jeder Zeichnung geben lassen, die interessante Einblicke in die Reaktionen des Menschen in der Gesellschaft gewähren.
Hasan M. Elahi (US) Tracking Transience http://trackingtransience.net
Tracking Transience ist eine Live-Dokumentation der realen Person Hasan Elahi. Seine Perspektive ist die eines „Terrorverdächtigen“ in unserer Überwachunsgesellschaft. Er macht sich rund um die Uhr live über das Netz lokalisierbar, um einen zynischen Kommentar zu Schuld und Unschuld abzugeben. Seine Arbeit macht ihn zu einer Art Zielscheibe für Online-Spione auf der ganzen Welt. Mithilfe der Google-Weltkarte kann jeder Tag für Tag verfolgen, wo er sich aufhält. Mit seinem Online-Leben oder seiner aufgezeichneten Vergänglichkeit zeigt uns Elahi das komplexe Verhältnis von Spion und Zielobjekt, Nation und Individuum, Überwachung und Behütung, Voyeurismus und Exhibitionismus, dem wir uns nicht entziehen können.
COLORS Project h.o (JP) http://www.colors-expo2005.org/index.en.html
Das COLORS Project versucht die weltweite Blogging-Aktivität zu erfassen, indem es sie bei ihrer emotionalen Seite packt. Es stellt Aufgeregtheit (rote Figur mit erhobenen Armen), Glück, Friede, Angst, Sorge, Ärger in Form von figurativen Icons dar, die um eine symbolische Weltkugel (ähnlich der in St. Exupérys Der Kleine Prinz) angeordnet sind. So versucht es basierend auf der emotionalen Tagesverfassung der User den täglichen Gefühlszustand der Welt zu visualisieren. Es lässt uns erkennen, dass unser Tagesgefühl, auch wenn es nur einen kleinen Teil dessen bildet, was in der Welt geschieht, dennoch zur Farbe beiträgt, die die Welt an diesem Tag hat. Es verwandelt die gemischten Gefühle des Einzelnen in eine Orte und Nationen übergreifende gemeinsame Fantasie.
Dentimundo Ricardo Miranda Zúñiga (US) http://www.dentimundo.com
Dentimundo stellt einen eigenartigen Schwebezustand von Fakten und Fiktionen her. Es ist ein Projekt, das den Grenzverkehr zwischen den USA und Mexiko einer genaueren Betrachtung unterzieht. Es leistet USBürgern, die nach billigen Lösungen für ihre Zahnprobleme suchen, praktische Hilfe, indem es ihnen ein Verzeichnis mexikanischer Zahnbehandlungsmöglichkeiten bietet. Mit seinem genauen Blick auf ein Grenzgebiet, das als gefährliche Grauzone angesehen wird, enthüllt das Projekt eine andere Seite der Realität: den Medizintourismus oder die zeitweilige Flucht von USBürgern nach Mexiko. Die Arbeit operiert brillant mit dem Umstand, dass Amerikaner für die gesunden weißen Zähne, die eine zivilisierte Nation symbolisieren, die Grenze nach Mexiko überschreiten. Mit ihrer fröhlichen Musik und humorvollen Art schlägt sie eine tiefe kritische Bresche nicht nur in die ökonomischen Grenzen zwischen den USA und Mexiko, sondern auch die innerhalb der beiden Länder.
Streamfishing AND-OR / Beat Suter, René Bauer (CH) http://streamfishing.cyberfiction.ch
Streamfishing stellt die Suchbegriffe eines bestimmten Suchmaschinentyps in Echtzeit aus und lässt sie in schönem, schlichtem Design einfach in einem Strom vorüberziehen. Die den Wünschen und Interessen der User entsprungenen Themen dieses Stroms können frappierend, banal oder sogar interessant sein, und es sind je nach Tageszeit mehr oder weniger Wörter. Hält man Ausschau nach seinem eigenen Suchbegriff, kann man ihn im Strom der anderen finden. Die durch Suchmaschinen gestützte Arbeit ist nicht nur ein Reflektor der Gedanken, die sich Menschen machen, sondern könnte auch ein kollektiver Ideenbeschleuniger sein.
Personal World Map Roxana Torre (AR/NL) http://www.personalworldmap.org
Personal World Map ist eine hoch interessante visuelle Darstellung der Verbindung von geografischer und finanzieller Realität. Die globale Realität ist nämlich weniger durch physische Entfernungen als durch Transport/Flugkosten determiniert. Das Projekt verändert unsere bisherige Wahrnehmung von der festen geografischen Gestalt des Planeten, der Größe von Ländern und Regionen, ihrer Grenzen, räumlichen Verhältnisse und Entfernungen. Mit seiner Hilfe ist es möglich, die Auswirkungen ökonomischer und zeitbedingter Realitäten auf diese scheinbar „stabile“ Karte zu visualisieren. Größenverhältnisse erscheinen nicht mehr nur räumlich und werden nicht mehr nur in Metern gemessen. Das Ferne, Unerreichbare muss nach anderen Maßstäben gesehen werden. Ein Morpheffekt, eine plastische Veränderung findet statt und verwandelt die Erdoberfläche. Sie ist nicht mehr unbedingt rund.
Virtual Marathon Team The Virtual Marathon (SG) http://www.virtual-marathon.net
Diese Arbeit distanziert sich kritisch von der immer schneller werdenden Spiele-Industrie und -Technologie. Jeder kann ganz einfach daran teilnehmen, indem er mit zwei Fingern im Internet über diverse Marathonstrecken „läuft“. Es sind keine besonderen Fertigkeiten vonnöten, der Spieler muss einfach nur laufen. Wie schnell er ist, hängt von der physischen Entfernung des Spielers zu den über die Welt verteilten Servern ab. Mit dieser Abbildung des physischen Aspekts des Internet erinnern uns die Künstler daran, dass das Internet kein flacher und glatter, sondern ein „strukturierter“ Raum ist, je nach den jeweiligen Verbindungskonditionen. Beim Rennen zeigen die Läufer zunehmend ihren Kampfgeist. Dieser „Marathon“ ist virtuell, aber der Läufer erlebt bei diesem „ulitmativen Online-Spiel“ starke physische Reaktionen. Virtualität tut weh.
Zone*Interdite Christoph Wachter, Mathias Jud (CH) http://www.zone-interdite.net
Zone*Interdite baut ein praktisches, partizipatives Informationsarchiv über militärische Sperrgebiete auf, die dem allgemeinen Blick entzogen sind. Das Projekt versucht zu vermitteln, was hinter den Zäunen wirklich passiert. Es spioniert auch geheime und politisch verschleierte Dinge aus. Das Bild des weißen Flecks auf der Landkarte hat sich verändert. War dieser in früheren Zeiten eher ein Problem der geografischen Lage, gekoppelt mit dem Fehlen ausbeutbarer Rohstoffe, so bedeutet er heute die Abgrenzung eines voll zugänglichen Terrains als „privat“. Mit diesem Versuch, das Unsichtbare sichtbar zu machen, fordert uns das Projekt auf, unsere Wahrnehmung auf die verborgenen Teile der Welt auszudehnen.
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