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Prix Ars Electronica
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Prix-Jury

 
 
Veranstalter
Ars Electronica Linz & ORF Oberösterreich

Communities in Verwandlung

Andreas Hirsch, André Lemos, Gunalan Nadarajan, Kathy Rae-Huffman, Steve Rogers

Wir trafen uns an einem heißen, trockenen Linzer Apriltag, um aus den Kategorien Net Vision und Digital Communities eine neue, beide Bereiche umfassende Kategorie zu schmieden. Bei Net Vision (2001–2006) handelte es um die Werke von KünstlerInnen, die das Netzwerk als künstlerisches Ausdrucksmittel benutzen, die also Software und Netzwerke in erster Linie zur Umsetzung eines Konzepts verwenden. Diese Künstlerlnnen zeichneten sich durch hohe technische Fertigkeiten und klares, relevantes konzeptuelles Denken aus, was oft zu umwerfend schönen Ergebnissen führte. Bei der noch ziemlich jungen Kategorie Digital Communities (seit 2004) ging es eher darum, wie Gemeinschaften mithilfe des Netzes ein gemeinsames Anliegen verfolgen und zwischenmenschliche Beziehungen knüpfen, oft um bedeutender Ziele willen. Digitale Gemeinschaften stehen aber oft auch im Zentrum der Arbeiten digitaler KünstlerInnen, sodass wir mit der Zusammenführung beider Welten ein viel breiteres Bild ins Auge fassen konnten. Diese Vereinigung der beiden Welten bedeutete, dass wir nicht nur Arbeiten in Betracht ziehen konnten, die der Verbreitung eines bestimmten Anliegens dienten, sondern auch Arbeiten, in deren Zentrum ein originelles Konzept stand, dem anhand einer digitalen Gemeinschaft Struktur und Stimme verliehen wurde. Im Allgemeinen wurde die Kategorie – mit ein oder zwei Ausnahmen – eher als repräsentativ für die Welt der Communities als für die der digitalen Kunst angesehen. Die Jury hofft aber, in Zukunft mehr auf echter Kooperation beruhende künstlerische Arbeiten zu sehen, die zugleich imstande sind, die Gemeinschaften zu repräsentieren, aus denen sie hervorgegangen sind.

Um bei dem breiten Feld an Einreichungen zumindest über ein paar Maßstäbe zu verfügen, mussten wir klare Kriterien definieren, die ein Werk besitzen muss, um Berücksichtigung zu finden.

Lebendigkeit

Damit eine Community als erfolgreich erachtet werden kann, muss sie sowohl eine gewisse Größe als auch einen gewissen Grad an Beteiligung aufweisen, wobei Größe je nach Projekt natürlich ganz unterschiedliche Dinge bedeuten kann: So wie ein Dorf im Vergleich zu einer Stadt schon mit wenigen Teilnehmern als lebendige Gemeinschaft angesehen werden kann, so ist es auch in der digitalen Welt. Größe ergibt sich aus der Anzahl der tatsächlichen Teilnehmer im Verhältnis zum Ziel und Potenzial des Projekts. Unter Lebendigkeit verstanden wir, dass es sich für die Beteiligten wirklich um ein lebendiges Werk handelt. In dieser Hinsicht achteten wir darauf, wie sich eine Community selbst verwaltet und wie sie Beiträge generiert. Wir bevorzugten eher Projekte, die den BeiträgerInnen die Möglichkeit geben, die Richtung des Werkes zu beeinflussen, als solche, die zentral gesteuert sind.

Originalität

In einem Feld, das sich immer weiter ausdehnt, und in einer Welt, in der es eine Unmenge kommerzieller digitaler Netzwerke und Communities gibt, suchten wir nach den wirklich originellen.Wir suchten nach Communities, die aufgrund der Leidenschaft und Energie ihrer BeiträgerInnen existieren, und nicht solchen mit einem deutlich kommerziellen Potenzial.

Netzwerkspezifik

Unser drittes Grundkriterium war, dass die Arbeit einen klaren und wertvollen Gebrauch vom Netz machen musste. Es gibt zahlreiche wertvolle Communities, die allerdings genauso gut ohne Zugang zur digitalen Welt existieren könnten. Diese nutzen das Netzwerk eher als praktisches, einfaches Kommunikationsmittel denn als ein die Community überhaupt erst ermöglichendes Schlüsselelement.

Es kristallisierten sich mehrere Themen heraus, die die Jury sowohl einten wie mitunter auch spalteten. Das erste Thema, das uns dieses Jahr sehr stark vertreten zu sein schien, war das Thema Sprache. Englisch wird zur Sprache des Netzwerks schlechthin, und obwohl dieser Umstand in mancher Hinsicht als verbindend gesehen werden kann, ist er in vieler Hinsicht auch trennend. Er erzeugt eine digitale Kluft, und zwar weniger zwischen denen, die Zugang zum Netz haben, und denen, die diesen Zugang nicht haben, als zwischen denen, die das Netz verstehen können, und denen, die es nicht verstehen können. Der Reichtum des Netzes wird durch den Umstand gemindert, dass viele nicht nur von den Informationen, die es zu bieten hat, sondern auch von der Möglichkeit, dazu beizutragen, ausgeschlossen sind. Diese Frage wurde heuer von zahlreichen Einreichungen thematisiert, und wir waren froh, einige davon in unsere Auswahl aufnehmen zu können.

Vergänglichkeit, insbesondere die Vergänglichkeit von Communities, war das Thema, das die wohl hitzigste Debatte in unserem Entscheidungsfindungsprozess ausgelöst hat. Wir stellten eine wachsende Anzahl von Arbeiten fest, die den Begriff der Community selbst in Frage stellen, Arbeiten, die einzig und allein kraft eines zufälligen räumlichen oder zeitlichen Zusammentreffens existieren, und solche, die ebenso schnell wieder verschwinden, wie sie entstanden sind. Obwohl wir ausführlich darüber diskutierten, beschlossen wie schließlich, keine dieser Arbeiten in unsere Endauswahl aufzunehmen. Nichtsdestotrotz halten wir dies für ein wichtiges Thema, das in dieser Kategorie weiter verfolgt und diskutiert werden sollte. In der Jury wurde über die vielen Arbeiten gesprochen, die diese Bewegung ursprünglich ausgelöst haben, von denen dieses Jahr aber leider keine eingereicht wurde.

Offene Standards und Lizenzierungsmodelle wie Creative Commons gewannen weiter an Boden und bildeten eindeutig das Zentrum vieler Arbeiten; im Zusammenhang damit nahm auch die Anzahl der Communities zu, die versuchen, einen Beitrag zum Gemeingut zu leisten. Solche Projekte, die meist auf offenen Quellcodes beruhen, sind immer noch am Wachsen, tragen die Diskussion in die Netz-Communities hinein und lassen die Idee von einem digitalen Gemeinwesen allmählich Wirklichkeit werden.

Die Verbindung von digitalen Netzwerken mit Ereignissen des wirklichen Lebens war ein weiterer zentraler Punkt, den wir diskutierten. Wir legten Wert darauf, dass die in Betracht kommenden Arbeiten nicht nur Dokumentationen dieser Ereignisse oder Depots der dabei angefallenen Informationen waren, der Schwerpunkt der Arbeit also anderswo lag, sondern dass das jeweilige Ereignis entweder das Ergebnis einer bereits erfolgreich im digitalen Raum operierenden Community war oder mit seiner Hilfe eine digitale Arbeit angeschoben wurde, die sich dann ihrerseits weiterentwickelte.

Goldene Nica

Overmundo
http://www.overmundo.com.br/

Unsere Goldene Nica geht dieses Jahr an ein Projekt, das, wiewohl erst vor kurzem ans Netz gegangen, bereits über eine große und lebendige Community verfügt, die ihre eigenen Produktions- und Verwaltungssysteme entwickelt hat, um die Beibehaltung seiner lobenswerten Zielen zu gewährleisten. Overmundo ist eine Community, die schöpferischen Ausdruck fördert, um die eigene Kultur zu bereichern und zu sozialer Interaktion anzuregen. Overmundo hostet alle möglichen Formen künstlerischen Ausdrucks und Kommentars, ob mittels Audio oder Video, Bild oder Text. Zusammen ergeben diese Arbeiten eine kulturelle Datenbank, die die Community ständig konsultieren und kommentieren kann, sowie eine Art Kulturkalender für Brasilien. Unter einer Creative-Commons-Lizenz hat die Community ein sehr gut replizierbares Modell für digitale Communities im Kreativbereich geschaffen. Sie hat ein eigenes System zur Bewertung der eingereichten Beiträge (durch Vergabe von „Overpontos“) entwickelt, um sicherzustellen, dass die veröffentlichten Arbeiten immer von höchster Qualität und Relevanz sind. Außerdem hat die für Overmundo verantwortliche NGO die Jury damit beeindruckt, wie sie das Preisgeld zu verwenden beabsichtigt: nämlich um weitere Entwicklungen in Angriff zu nehmen und die Kreativität der Community zu steigern.

Auszeichnungen

Electronic Frontier Foundation
http://www.eff.org/

Electronic Frontier Foundation bedarf keiner großen Einführung: Es ist eine Community, die schon seit Jahren Standards für Gemeinschaftsaktionen in der digitalen Welt setzt. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass ohne ihre Aktivitäten viele der in diesem Jahr von der Jury gesichteten Projekte gar nicht hätten existieren können. Vor allem im Hinblick auf das diesjährige Festivalthema „Goodbye Privacy“ ist das Engagement der Community für den Schutz von Privatsphäre und Meinungsfreiheit von allergrößter Relevanz. EFF hat überhaupt erst das Bewusstsein für viele Grundprobleme digitaler Communities geschaffen und hat für sie mit der ganzen Macht gekämpft, die sie durch die eigene digitale Community von Anwälten, Analytikern und Technologen mobilisieren konnte. Die Jury ist stolz, EFF dieses Jahr eine Auszeichnung zuerkennen zu können – als längst überfällige Anerkennung der wichtigen Arbeit, die sie geleistet hat und immer noch leistet.

dotSUB
http://dotsub.com/

dotSUB ist eine Community, die Videoarbeiten untertitelt, deren Mitglieder also eine überaus wichtige und wertvolle kollektive Arbeit leisten. Die Community untertitelt ein breites Spektrum derzeit im Netz existierender Videos und macht sie dadurch einem weit größeren Publikum zugänglich. So trägt sie auch zur Überwindung der wachsenden digitalen Kluft zwischen denen, die Englisch verstehen, und denen, die kein Englisch verstehen, bei. Das Projekt versucht, die Arbeit der Community nicht unbedingt zu Geld zu machen, wenn aber Urheber des Filmmaterials aus dieser Arbeit Kapital zu schlagen versucht, profitiert auch die Community davon.

Das Projekt verdient die Auszeichnung unserer Meinung nach, weil es viele der in diesem Jahr besonders stark vertretenen Themen anspricht: Förderung der Sprachenvielfalt im Netz, kollektive Produktion, Sammlung vielfältigen Medienmaterials als Teil einer Community und gemeinschaftliches Engagement zugunsten breiter Bevölkerungsschichten. dotSUB bietet dafür eine nicht nur elegante, sondern auch einfache und intuitiv zu nutzende Lösung. Dass das von der Community eingebrachte Material keinen Beschränkungen unterliegt, dass Rocketboom und Spiderman nebeneinander existieren können, ist dem Unternehmen zugute zu halten und trägt zur Lebendigkeit und zum Engagement seiner Nutzer bei.

Anerkennungen

Women on Web
http://www.womenonweb.org/

Bei diesem Projekt geht es um das politisch brisante und oft immer noch tabuisierte Thema Abtreibung. Es bietet Unterstützung und Information für bedürftige Frauen und – falls nötig – auch Online-Beratung sowie Zugang zu medizinisch sicheren Abtreibungsmöglichkeiten. Women on Web benutzt sein einfaches, aber effizientes Interface auch dazu, Geschichten von Frauen zu präsentieren, die abgetrieben haben, und bereit sind, darüber zu sprechen – Geschichten, die in vielen Sprachen und von Frauen unterschiedlichster Herkunft erzählt werden und damit als wichtiger Unterstützungsmechanismus fungieren. Das Projekt setzt das Onlinemedium ganz exzellent ein, und zwar sowohl in der Ausführung als auch in der sinnvollen Nutzung der Fähigkeit des Netzes, Verbindungen zwischen Menschen herzustellen.

dropping knowledge
http://www.droppingknowledge.org

Seit dem Initialereignis „Table of Free Voices“, an dem 100 Gesellschaftsvisionäre aus der ganzenWelt teilnahmen, hat sich dropping knowledge zu einer lebendigen Community entwickelt, in der sozial relevante Themen diskutiert werden. Es ist eines der vielen Projekte dieses Jahres, die die reale mit der virtuellen Gemeinschaft zu verbinden versuchten. Hier geschieht das in globalem Maßstab. Wir betrachteten diesen diskursiven Zugang zur Wissensproduktion als innovativ und halten fest, das wir das Projekt nicht als Einzelereignis, sondern als eine ständige, mit realen und virtuellen Mitteln fortgeführte Gemeinschaft sehen.

Rassismus streichen
http://www.rassismusstreichen.at/

Rassismus ist in vielen Teilen der Welt immer noch ein Problem, dessen Botschaften sich oft in Graffitiform in unseren Stadtlandschaften niederschlagen. Rassismus streichen ist eine in Wien ansässige Community, die es ihren ehrenamtlichen Mitarbeitern und der breiteren Öffentlichkeit mit gut replizierbarer Technik ermöglicht, das Problem zu thematisieren bzw. ein Bewusstsein dafür zu entwickeln. Rassismus streichen versucht auf diese Weise, die Stadtverwaltung unter Druck zu setzen, etwas dagegen zu unternehmen. Dies wird deshalb als wichtig angesehen, weil rassistische und neo-nazistische Schmierereien rein technisch gesehen ein Vergehen sind. Das Projekt funktioniert so, dass jeder auf der Site mittels einfacher JPEGs ein Graffiti melden kann, was die Aktivisten in die Lage versetzt zu handeln.

cafebabel.com
http://www.cafebabel.com

Mit seiner Mischung aus professionellem Online-Journalismus, der Analyse aktueller paneuropäischer Politik und Graswurzelaktivitäten kommt die Community von Café Babel ihrem erklärten Ziel, die Stimme der Eurogeneration sein zu wollen, schon ziemlich nahe. Das Projekt beruht auf partizipatorischem Journalismus und profitiert von einer lebendigen und sehr leidenschaftlichen Userschaft. Wie viele andere nennenswerte Einreichungen in diesem Jahr beginnt es auch, den realen und virtuellen Raum zum beiderseitigem Vorteil zu verbinden.

Wiener Tafel
http://www.wienertafel.at/

Die „neue Armut“ wird – auch in wohlhabenden Ländern – immer mehr zu einem großen Problem. Eines der Grundprobleme der meisten Sozialinitiativen ist die konkrete und zeitgerechte Verteilung der Hilfe an die Bedürftigen. Mit der Formierung und Koordinierung einer realen Gemeinschaft von Freiwilligen, die tagtäglich das Essen von den Tischen der Reichen auf die Tische der Armen bringen, geht das Projekt Wiener Tafel über andere wohlmeinende Sozialprojekte weit hinaus. Statt über Hilfe zu reden, wird hier effektiv Hilfe geleistet – eine Hilfe, die ohne den klugen Einsatz von IKT nicht möglich wäre. Das erfüllt genau die Anforderungen einer „digitalen Gemeinschaft“ im besten Sinn des Wortes.

mySociety
http://www.mysociety.org/

mySociety versteht sich als „ein gemeinnütziges Projekt, das Websites baut, die Bürgern einfache und unmittelbar einsichtige Vorteile im Umgang mit dem öffentlichen Leben bringen und das zugleich dem öffentlichen und freiwilligen Sektor vorführt, wie sich das Internet am effizientesten zu Verbesserung menschlicher Lebensverhältnisse nutzen lässt“. Das Projekt erreicht diese Ziele nicht nur kraft des Potenzials von Open-Source-Entwicklungen, sondern auch durch die Arbeit eines engagierten Teams an leistungsstarken Open-Democracy-Tools.

Activism-Hacking-Artivism (AHA)
http://www.ecn.org/aha

Activism-Hacking-Artivism steht wie mehrere nennenswerte Projekte in diesem Jahr für die Verbindung von realer und virtueller Welt. Die hacktivistische italienische Kunstcommunity nutzt die Macht des Netzes zur Verbreitung wahrhaft offener, zensur- und copyrightfreier Massenmedien wie Video, Radio, Computer und Text. Bei der Arbeit der Gruppe geht es aber nicht nur um das Netz, sondern auch darum, die so entstehende Community zur Organisation von Ausstellungen zu nutzen, die in vielen italienischen Städten und seit 2004 auch in Deutschland stattgefunden haben. AHA konzentriert sich dabei auf die Aktivitäten der unabhängigen, gegenkulturellen Medienbewegung Italiens und die mit der italienischen Net.Culture verbundenen KünstlerInnen, HacktivistInnen und TheoretikerInnen.

OScar – reinvent mobility
http://www.theoscarproject.org/

Das OScar Project begann zwar mit dem einfachen Ziel, eine Open-Source-Blaupause für ein Auto zu entwickeln, das einem schlichten, funktionalen Konzept zur Verbreitung von Mobilität folgen sollte, ist aber ein gewaltiges Unternehmen, wenn man bedenkt, mit welchen Schwierigkeiten es verbunden ist, dass das fertige Fahrzeug sowohl rechtlichen als auch praktischen Ansprüchen genügen und ohne die Hilfe großer, hoch spezialisierter Fabriken herstellbar sein muss. Betrachtet man sich die bisherige Arbeit des 1999 begonnenen Projekts, macht man Bekanntschaft mit einer engagierten Community enorm fähiger Köpfe, die den Problemen mit großer Ernsthaftigkeit zu Leibe rücken. Sie steht seit letztem Jahr jedem offen, der einen Beitrag leisten will.

Herinnerdingen
http://www.herinnerdingen.nl/

Herinnerdingen – „Erinnerungsdinge“ – ist nicht nur eine hoch emotionale, sondern zugleich auch reflexive und schöne Arbeit. Sie macht genuin vom Potenzial des Netzwerks Gebrauch, indem sie Kindern, die jemanden verloren haben, die Möglichkeit gibt, Hilfe zu finden und zu erkennen, dass sie mit ihrer Trauer nicht allein sind. Über das extrem einfache, rein intuitiv zu handhabende Interface, das zu den einzelnen Geschichten führt, können BesucherInnen einen kleinen Eindruck gewinnen, ohne sich lange mit Bedienungsproblemen herumschlagen zu müssen. Kinder werden immer stärker Teil vernetzter Communities, und wir haben etwa im Zusammenhang mit den schrecklichen Ereignissen an der Virginia Tech gesehen, dass die Trauer bei vernetzt aufgewachsenen Menschen andere Ventile findet. Herinnerdingen gibt Kindern, die sonst allein trauern würden, eine Gemeinschaft in der Welt, in der sie sich am wohlsten fühlen.

Radia Network
http://radia.fm/

Das Radia-Netzwerk ist eine Community unabhängiger Radiostationen, die sich zu einer gemeinsamen kulturellen Initiative zusammengeschlossen haben. Die über ganz Europa verstreuten Radiostationen produzieren reihum wöchentliche, das Radio als Kunstform ergründende Auftragsarbeiten, die dann von allen Partnerstationen ausgestrahlt werden. Die Arbeiten streben keine gemeinsame Sprache an, sondern zelebrieren vielmehr die Vielfalt und Breite der einzelnen Beiträger. Sie nutzen die durch das Netzwerk eröffneten Möglichkeiten nicht nur zum Austausch der Arbeiten und Ideen der einzelnen Stationen, sondern auch der künstlerischen Communities, die das Publikum des jeweiligen Beiträgers und im weiteren Sinn auch des Ganzen repräsentieren.

Gothamberg
http://transition.turbulence.org/Works/gothamberg/about.php

Gothamberg ist eine sehr elegantes Stück Community-Kunst, das sich mit den Erfahrungen und Gefühlen beschäftigt, die das Leben inWohnblocks mit sich bringt. Es repräsentiert keinen bestimmtenWohnblock, sondern verwendet das Bild eines bestimmtenWohnblocks, eben Gothamberg, um sie alle zu repräsentieren. Die Arbeit entwickelt sich mit den ihre Erinnerungen und Eindrücke beisteuernden Künstlern, wobei die neuesten Erinnerungen am leichtesten zugänglich sind, aber alle irgendwie in der gemeinsamen Arbeit präsent sind, weil sie anderen die Möglichkeit gaben, an bereits vorhandene Geschichten anzuknüpfen. Diese Arbeit war für uns das best durchdachte Beispiel digitaler Community-Kunst unter den diesjährigen Prix-Einreichungen. Sie bringt etwas von der Eleganz und Schönheit von Net-Art-Projekten in ein gemeinsames Community-Kunstwerk ein.

Translate.org.za
http://translate.org.za/

Translate.org ist eine Non-Profit-Organisation, die sich um die Übersetzung und lokale Einbindung von Open-Source-Software in den elf offiziellen Sprachen Südafrikas kümmert. Daneben betreibt sie aber auch die Übersetzung von Tools wie Creative-Commons-Lizenzen und thematisiert somit einerseits die mit der Durchsetzung des Englischen als De-facto-Sprache der elektronischen Datenverarbeitung immer wichtiger werdende Frage der Sprache, während sie andererseits der kreativen Community unter die Arme greift. Neben den Softwareübersetzungen hat Translate.org auch Schriften sowie eine eigene Tastatur für die Community entwickelt, der die Organisation angehört.

Das Jury-Statement wurde von Steve Rogers verfasst.

 
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