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Veranstalter
ORF Oberösterreich
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Art Online
Derrick de Kerckhove
Die Jury des Prix Ars Electronica 98 für die Online-Kunst bestand aus den neuen Mitgliedern Andreas Broeckmann, Robert Gehorsam und John Simon sowie den beiden "Veteranen" Joichi Ito und Derrick de Kerckhove.
Andreas Broeckmann ist Kunsthistoriker und Medientheoretiker, arbeitet in Gemeinschaftsnetzwerken und organisiert Veranstaltungen und Begegnungen zwischen Mensch und Maschine. Er ist Projektmanager bei der V2_Organisation Rotterdam.
Derrick de Kerckhove ist Direktor des McLuhan Program für Kultur und Technologie an der Universität Toronto und Autor zahlreicher Bücher über Technologie und Kultur, zuletzt von Connected Intelligence.
Robert Gehorsam produziert seit 1985 Online-Spiele, Simulationen und Communities in den USA. Derzeit ist er Vizepräsident des Programmierbereichs bei Sony Online Entertainment, Sonys neuer Internet-Spiele-Firma.
Joichi Ito ist Leiter von Digital Garage, das unter anderem Infoseek Japan betreibt und daneben Aufsichtsratsmitglied diverser High-Tech- und Telekommunikationsfirmen. Er schreibt und hält häufig Vorträge über Themen mit Bezug zum Internet und gehört zahlreichen akademischen und staatlichen Studiengruppen an.
John F. Simon, Jr. (www.numeral.com) ist ein Künstler, der Programmiersprachen als Mittel zur Aktivierung von Ideen verwendet. Seine Projekte machen immer Gebrauch von der Fähigkeit des Computers, Möglichkeiten iterativ abzuarbeiten, die Werke werden als Software und Zeichnungen produziert.
De Kerckhove und Ito sind seit der Einführung der Kategorie Mitglieder der Jury. Sie haben den Begriff der "verknüpften Intelligenz" während der Erarbeitung von Kriterien für die Wettbewerbskategorie .Net entdeckt, und zwar dank Joi Ito, der sie auf Idea Futures von Robin Hanson aufmerksam gemacht hatte, dem Gewinner des Prix Ars Electronica in dieser Kategorie im Jahre 1995. So kann man auch eine gewisse Kontinuität in der Erinnerung an die Ereignisse und Ergebnisse der letzten vier Jahre feststellen.
Technisch bietet das Internet beinahe alle drei Monate neue Möglichkeiten für Kunst, und das Interesse am Medium und seinen vielen konvergierenden Strömungen wächst ständig. Auch heuer wurden die Fragen von anzuwendenden Kriterien und Kategorien zunächst innerhalb der Jury diskutiert. Ohne große Divergenzen haben wir uns auf folgende grundlegenden Begriffe geeinigt, die nach Priorität gereiht folgen:
1. Connectivity (C) - die möglichst direkte Verknüpfung und Einbindung von Menschen. 1994 haben wir das als "Webness" bezeichnet, als "Netzgemäßheit", als die Kunst der Intelligenz. Wir waren uns stets darüber einig, daß die am meisten zu schätzende Qualität einer Website ist, daß sie Menschen oder Datenbanken auf neue oder anderswie interessante Weise verknüpft.
2. Interaktionspotential (I). Das Web kann nicht so unmittelbar "interaktiv" sein wie das Internet, einfach wegen seines hölzernen, auf Frage-und-Antwort basierenden Stils der Querbezüge. Ist die neue Generation von Online-Welten oder von JAVA-Mechaniken intelligent genug, den Fehdehandschuh aufzunehmen? Was machen die Künstler, um den Benutzer einzubeziehen? Gedanken zur Intelligenz, zur Konsistenz und zur Originalität des Interface sind hier gefragt.
3. Potential für oder Vorhandensein von Entwicklung neuer sozialer Formationen (S). Dieses Kriterium ist vielversprechend: Da wir über neue Verbindungen zwischen Sprache, Menschen und Technologie sprechen, sollten wir auch Hinweise auf neue Formen, neue Arten von Vereinigungen, neue Analysen und Simulationen von Gruppenverhalten bemerken, entweder in der Form von Künstlichem Leben (A-Life) oder in Simcity-ähnlichen Simulationen. Welche sozialen Werte sind der vernetzten Kommunikation eigen?
4. Zeitgemäßheit (T), auch "Kontextbezug" oder, wie ein Juror das ausgedrückt hat, die Website oder CD sollte eher kontextsensitiv als inhaltsbeladen sein. Die Site muß Anliegen der Gegenwart ansprechen oder einen zeitgemäßen Service anbieten, und der Grad des inneren Zusammenhangs ist hier als Maßstab durchaus geeignet.
5. Ästhetischer Wert (E). Es gibt sicherlich genug Raum für Schönheit on-line, und am schönsten ist, was dazu beiträgt, die Natur, die Besonderheit des Web darzustellen. Einer hat vorgeschlagen, die Schäbigkeit einer Website positiv zu werten, so, als hätten wir dort draußen nichts anderes als einen Haufen verkabelter Buñuels, die die Technik in hochherrschaftlicher Manier einfach ignorieren. Technisch gesehen, muß die Website jedenfalls Leistung und Reichtum an nützlichem Detail ausgewogen präsentieren, und, jawohl, auch Homepages dürften durchaus attraktiv sein, weil sie schließlich den ersten Eindruck prägen. Aber es gibt auch noch eine andere Seite der Netzwerkästhetik, und zwar den reinen Formalismus, der in den Einreichungen in zunehmenden Maße spürbar wird. Andreas Broeckmann erinnert uns daran, daß diese "Form Art" von Alexej Shulgin erfunden und eingeführt wurde. Wir hatten in diesem Bereich so viele Einreichungen, daß wir der Ansicht sind, dieses neue Genre sollte als eigene Kategorie angesehen werden.
Wir haben auch ein wenig darüber diskutiert, eigene Kategorien für VRML-Sites, Worlds, CD-Rom-Online, Webcam-Kunst und JAVA-Anwendungen einzuführen, aber wir haben sie letztlich doch nicht systematisch angewendet, weil wir Angst hatten, dadurch etwa eine Anerkennung in einer unterrepräsentierten Kategorie zu forcieren und gleichzeitig die Möglichkeit zu verlieren, auf gute Werke hinzuweisen, die sich in stärker vertretenen Gruppen befanden und das Web insgesamt vielleicht besser ausnutzen.
Die Preise
Goldene Nica
IO_Dencies questioning urbanity - http://www.khm.de/people/krcf/IO/
IO_Dencies, ein interessanter Name und eine interessante Site, die beide mit der im Fluß befindlichen Natur der Online-Kommunikation spielen, erhielt die Goldene Nica zugesprochen, nicht nur, weil sie etwas in jedem der Kriterien zu bieten hat (CISTE), sondern weil es Raumgefühl zeigt und eine neue Metapher zur Betrachtung des Web vorschlägt.
Tatsächlich bietet IO_Dencies den Leuten die Möglichkeit, den menschlichen, Informations- und technologischen Verkehr in einem gegebenen Bereich zu beobachten (in diesem Falle in einem großen Bezirk Tokios). Zu einer gewissen Zeit kann mit Hilfe einer Anzahl von "Attraktoren" dieser simulierte Verkehr vom Surfer interaktiv gesteuert werden.
Wenn wir beispielsweise den KFZ-Verkehr in Shibuya als erstes Analysematerial betrachten, so erhalten wir eine Simulation auf Basis eines ziemlich neuen und jederzeit updatebaren Datenstroms und können die Richtung oder das Volumen des Verkehrs mit Hilfe eines per "Click-&-drag" einzusetzenden "Attraktors" - aus einem Menü von zwölf möglichen Flußkontrollmechanismen - verändern.
Die Attraktoren selbst stellen wiederum eine erstaunliche kleine "Verkehrsgrammatik" dar. Sie machen uns auf kreative Weise auf die Logik des Datenstroms aufmerksam und können auch kooperativ eingesetzt werden, was die soziale Komponente der Site weiter im Wert steigert.
Wir können uns recht nützliche Anwendungen im Bereich der kommunalen Entscheidungsfindung dafür vorstellen. So könnten etwa Benutzer gemeinsam an der Entwicklung und Gestaltung ihrer wichtigsten Kommunikations- und Transport-Infrastruktur arbeiten. Die Leistung der Site muß man als durchschnittlich werten, aber dies wird durch die starke Metapher mehr als wettgemacht, die sie für Web-vermitteltes Management präsentiert:
Jeder, der irgendwo auf der Welt im Web hängt, könnte im Prinzip kreativ und intuitiv mit allen in Daten konvertierbaren Vorgängen auf der ganzen Welt interagieren und mit anderen Leuten an Strategien und Lösungen arbeiten.
IO_Dencies erlaubt uns nachzudenken über bisher unbekannte Formen von Macht für Menschen, die in Gruppen arbeiten.
Die Auszeichnungen Xchange und PostPet erhielten Auszeichnungen, weil sie einerseits gut den oben angesprochenen Kriterien entsprachen, aber auch Ansätze für eine neue Art von Verbindungen und Emotionen zeigten.
Post Pet - http://www.postpet.de
PostPet verbindet zumindest zwei, möglicherweise auch mehrere Personen in einem Kommunikationsnetzwerk mittels elektronischer Haustiere.
Als Siegereinreichung von Sony bei der Milia 98 in Cannes erlaubt PostPet dem Benutzer, ein Haustier aufzuziehen, das seine Email holt und versendet, auch wenn es manchmal nicht ganz so funktioniert, wie es sein Besitzer erwartet.
Ob das Tierchen brav die Mail abliefert und zurückkommt oder ob es dem Besitzer davonläuft, hängt ganz davon ab, wie er es aufzieht. Die Tiere können rebellieren oder den Besitzer im Stich lassen, und sie reagieren auf Prügel ebenso wie auf Streicheleinheiten.
Natürlich sind die Tierchen erwartungsgemäß "süß" - nicht daß das unbedingt für oder gegen sie spräche, aber immerhin kann man den ästhetischen Schlag dadurch abmildern, daß man aus den ungezählten Optionen der CD-ROM online sein ganz persönliches Haustier in seinem ganz persönlichen Umfeld bastelt, und all das in Farbe.
Die Software erlegt der Betriebsfähigkeit des Mail-Interface keine allzu große Bürde auf, und sie ist benutzerfreundlich und ausbaufähig. PostPet verstärkt die wachsende Tradition der japanischen Hacker bei der Konstruktion von simuliertem Leben, seien es nun Tamagochis, lebensechte digitale Mädchen oder die vielen digitalen Haustiere, wie sie von Toshio Iwai, Naoko Tosa, Murakami und anderen geschaffen werden. Zu den interessantesten Aspekten von PostPet gehört die - wenn auch primitive - Untersuchung eines digital gestützten emotionalen Verhaltens. Man kann das Verhalten des eigenen Haustiers so konfigurieren, daß es mehr oder weniger genau das reflektiert, was man selbst ist. So könnte das von diesen typischen Netzwerkkreaturen vermittelte Potential zur Entdeckung oder Schaffung neuer Emotionen tatsächlich zwischenmenschliche Beziehungen auf einzigartige Weise verbessern.
Xchange - http://xchange.re-lab.net/
Xchange ist ein Künstlernetzwerk für experimentelle Audio-Projekte im Internet, eine internationale Gemeinschaft von Individuen und Gruppen in Städten wie Riga, London, Berlin, Budapest, New York und Sidney.
Eine Mailing-Liste und eine Website werden für die Verbindung und Kommunikation über Netz-Audio-Projekte ebenso verwendet wie für theoretische Diskussionen über Internet-Radio. Bei wöchentlichen Live-Sendungen im Netz unterstützt die Kommunikation über IRC Chat Lines die Koordination dieser Zusammenarbeit.
Dazu gehören Umleitung, Sampling und Aufsplitten von Live-Audio-Strömen ebenso wie die Weitersendung des Netz-Audio-Inhalts über terrestrische Radiofrequenzen. Als Projekt kombiniert Xchange die ökonomische/effiziente Nutzung verschiedener Internet-Protokolle mit einer dynamischen, experimentellen Anwendung bestehender Technologien.
Künstlerische Kreativität und anspruchsvoller Einsatz technischer Werkzeuge gehen Hand in Hand mit einem starken Gemeinschaftsgeist und mit kollektiver Praxis, wie beides in dieser Form nur im Internet möglich ist.
Anerkennungen
Radio Internationale Stadt (RIS) - http://www.icf.de/
RIS ist eine Online-Datenbank und ein Audio-Archiv, das nicht nur für Hörer ein offenes und nützliches Werkzeug darstellt, sondern von Audio-Künstlern und unabhängigen Produzenten jederzeit frei dazu verwendet werden kann, ihre Sound-Files einer Online-Hörerschaft zur Verfügung zu stellen.
RIS, geschaffen vom Hauptprogrammierer der inzwischen verschwundenen "Internationale Stadt Berlin", eines unabhängigen Service-Providers, der die deutsche Netz-Kunst-Community bis Frühjahr 1998 unterstützt hat, ist ein hervorragendes Beispiel für ein serviceorientiertes Projekt, das die Entwicklung des Internet als kreativen und heterogenen Kulturraum erleichtert und unterstützt.
1996 und 1997 hat der Rigaer Netradio-Kanal OZOne RIS für die Netzausstrahlung seiner Sendungen benutzt, ein Beweis dafür, daß Kooperation und Flexibilität auch abenteuerliche techno-kulturelle Lösungen möglich machen.
Während Xchange ein vom E-Lab in Riga koordiniertes internationales Netzwerk ist, ist RIS ein Projekt von Internationale Stadt / Thomas Kaulmann. Das Netzradio-Projekt OZOne hat RIS anfänglich deswegen eingesetzt, weil die Leute in Riga erst 1997 ihren eigenen Server kaufen konnten (Hinweis von Andreas Broeckmann). Daß Xchange mit RIS verglichen wurde, diesem aber wegen seiner höheren Connectivity vorgezogen wurde, läßt uns bemerken, daß auch andere Kandidaten für die ersten Preise in Erwägung gezogen wurden und deswegen auch die Liste der nun folgenden Anerkennungen anführen sollten.
Web Stalker- http://www.backspace.org/iod/
So gab es beispielsweise starke Argumente dafür, Web Stalker auf einen Preisträgerplatz zu reihen. Und tatsächlich hat sein eleganter Einsatz der nur dem Web eigenen Ressourcen einen genaueren Blick auf seine Fähigkeit erzwungen, die Konfiguration aller mit einer gegebenen URL verknüpften Links darzustellen. Letztlich waren wir uns darüber einig, daß Web Stalker - weil es demonstrierte, daß auch die Kerntechnologie selbst eine Kunstform sein kann - sich von allen anderen Beispielen der "plastischen Web-Darstellung" unterscheidet. Insgesamt war es vielleicht bloß nicht ganz so zeitgemäß und interaktiv wie die ausgewählten Preisträger. Aber es führt die eigens seinetwegen geschaffene Kategorie der "Browser-Kunst" unangefochten an.
The Color of Email - http://virt.uals.com/
Diese Seite war ein weiterer Bewerber um die Spitze. Eine nachgerade bösartig clevere Site, eine neue Waffe im wachsenden Arsenal des Informationskrieges. Man kann seine Gegner im wahrsten Sinne des Wortes mit ferngesteuerten Fax-Kommandos für kontinuierlichen oder automatisch zeitgesteuerten Massenausdruck bombardieren. Man kann auch Email für denselben Zweck einsetzen. Die Site ist technisch eindrucksvoll - wenn auch nicht ästhetisch -, sie bietet einen Beweis für neue Verhaltensmuster und ist - wenn auch auf eine verquere Weise - verbindend. Aber es handelt sich um ein Kriegsgerät, und wollen wir nicht von diesen Spielzeugen abkommen? Deshalb bekommt es auch eine besondere Anerkennung in der Kategorie der Neuen Waffensysteme.
Space Invaders - http://www.oceanofk.org/andyland/
Weil wir schon im Kapitel Feindseligkeit sind, sollten wir noch zwei Sites anführen, die von gesunden aggressiven Tendenzen in der Online-Welt zeugen: Space Invaders kokettiert mit der Popularität des gleichnamigen Videospiels und verwendet politische und kommerzielle Logos, wenn Raumschiffe den User angreifen. Es ist fröhlich unsinnig und clever und erhält die höchsten Ehren der Kategorie "Politische Satire".
Net Escape - http://play.at/net-escape
Ein weiteres unsinniges Spiel, aber auch eine geschickte Anwendung von Web-Ressourcen und VRML-Funktionen ist Net Escape, bei dem man der unbändigen Gefräßigkeit eines virenähnlichen Wesens nur dadurch entgehen kann, daß man so schnell wie möglich auf Hyperlinks klickt und surft. Es ist ein schnelles Spiel, und nicht zuletzt deswegen erhält es eine Anerkennung als beliebteste Site in der VRML-Kategorie.
Mehrere Jury-Mitglieder konnten sich nicht besonders für 3D-Welten und andere Lebensformen im Netz erwärmen. Und es bedurfte schon einiger Überzeugungsarbeit, um Roomancer als die ausgereifteste unter den Einreichungen auszuzeichnen, die 3D-Details und Avatare anbieten. Die Meinungen darüber waren geteilt, ob diese Formen nun tatsächlich künstlerische oder lediglich kommerzielle Einrichtungen seien, und ob sie überhaupt schon ausgereift genug seien, um für technische oder ästhetische Verdienste anerkannt zu werden.
Roomancer - http://www.moove.de/ und Biota - http://www.biota.org/
Während Roomancer einige Anerkennung in der Kategorie "3D-Welten" erhielt, haben wir fast bedauert, eine eigene Kategorie für die spärlich vertretenen A-Life-Formen schaffen zu müssen, damit Biota in die Anerkennungen gelangen konnte. Außerdem könnte man einwenden, daß Biota zwar ästhetisch ansprechend, technisch kompetent und ziemlich einmalig im Web ist, aber vielleicht doch nicht die geforderte Connectivity bietet. Wir waren uns jedenfalls darüber einig, daß dieses Genre unterstützt gehört.
AkaKURDISTAN - http://www.akaKURDISTAN.com und Lekso?s Codebox - http://www.codebox.com/
Zwei großartige Anwendungen des Web für etwas, das wir die Kategorie der "kollektiven Erinnerung" nannten, führten uns nach Kurdistan, in seine Schönheit, seine Bräuche, aber auch sein Leiden, während uns die andere jenes unschätzbare Ge- flecht aus persönlichen Aufzeichnungen und kodifizierter Geschichte nahebrachte, das uns in multimedialer Form über eine wenig bekannte, häufig vergessene und dennoch kritisch gelegene Kultur - jene Albaniens - in Leksos Codebox informierte. Ist das Leksos Stimme, die wir bei den bezaubernden Rezitationen der Statements in Versform hören, die den lebhaften Schwarz-weiß-Fotos unterlegt sind? Wir könnten uns dafür auch die Kategoriebezeichnung "Sozial bedeutsame persönliche Geschichte" vorstellen.
Backspace - http://bak.spc.org/
"Backspace" ist sowohl ein physischer Raum am südlichen Themseufer in London als auch ein Online-Raum, der viele internationale Künstlerprojekte umfaßt. Die Homepage - die den Tidenstand der Themse vor den Fenstern von Backspace zeigt - öffnet den Zugang zu einigen der besten und interessantesten net.art-Projekten, die derzeit zu sehen sind. Das Backspace-Studio wurde als Sponsorleistung einer Webdesign-Firma den örtlichen Künstlern zur Verfügung gestellt, als das Unternehmen einen Stock höher zog und ihre alten Bürocomputer und andere Ausrüstung einfach da ließ. Backspace ist eine höchst dynamische lokale Netzkunst-Community und ein überzeugendes Beispiel für die Tatsache, daß ästhetischer Erfindungsgeist und Radikalität nicht unbedingt unter einer sich einstellenden Institutionalisierung leiden müssen.
Name.Space - http://name.space.xs2.net/
Paul Garrins Name.Space-Projekt fordert die größte US-amerikanische Internet-Agentur auf, die Zuweisung von Domain-Namen für das Internet - die sich derzeit noch immer auf Abkürzungen wie .com, .org, .edu und auf Ländercodes wie .at, .nl, oder .uk beschränkt - allgemein zu öffnen. Garrin behauptet, daß diese künstliche Einschränkung des Namensraums technisch unnötig ist und gerade das derzeitige System der kommerziellen Nutzung der Registrierung von Domain-Namen verfassungswidrig sei. Garrins NameSpace-Projekt erlaubt die Registrierung einer unbegrenzten Zahl von Top-Level-Domain-Namen wie .art, .radio, .news, .sex oder .gender. Neben der politisch wichtigen Frage, wem denn das Internet gehöre, stellt NameSpace auch das hierarchische und lineare System der symbolischen Abgrenzung des Internet durch diese Namen in Frage und schlägt eine offene, multidimensionale und heterogene Kartographie für das Netz vor. Als kritisch-taktische Intervention in die Politik des Internet verdient es Unterstützung.
Net Rezonator - http://www.hilab.mag.keio.ac.jp/~nr/
Das war eine von einem halben Dutzend Einreichungen, die sich mit dem Online-Musizieren (oder zumindest der Klangerzeugung) durch mehrere Benutzer im Netz beschäftigten. Es wurde wegen seiner Eleganz ausgewählt und deswegen, weil es tatsächlich nicht nur bei uns gut funktionierte, sondern auch mit anderen unidentifizierten Mitspielern anderswo im Web.
All diese Preisträger wurden aus über 450 Einreichungen ausgewählt (413 waren beim Eintreffen der Jury aufgelistet, über 40 kamen noch auf Vorschlag von Jurymitgliedern hinzu). Das waren doppelt so viele wie im Vorjahr, und es gab - wie zu erwarten stand - auch doppelt so viele, die nichts mit der Ausübung von Kunst oder mit Web-Intelligenz zu tun hatten. Deshalb eine Bitte an zukünftige Einreicher: Sie mögen doch ernsthaft über die Verschwendung ihrer eigenen Zeit ebenso wie jener der Jury nachdenken, wenn sie Homepages einreichen, die nur sich selbst oder ihre Dienstleistungen anbieten und keinerlei weitergehenden Nutzen haben!
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