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Prix1997
Prix 1987 - 2007

 
 
Veranstalter:
ORF Oberösterreich
 


ANERKENNUNG
Seeing is Believing
Kazuhiko Hachiya


„Seeing Is Believing" ist eine Installation, die aus verschiedenen Elementen besteht, und im folgenden möchte ich erläutern, was mich dazu motiviert hat, jedes dieser Projekte und Werke zu schaffen.

MEGA DIARY - EIN GLOBALES OFFENES TAGEBUCHPROJEKT IM NETZ
Eines Tages hatte ich einen Traum. Ich träumte, ich befände mich in einer Bibliothek - einer ganz speziellen Bibliothek, denn sie enthielt nichts anderes als die Tagebücher aller Menschen, die jemals auf dieser Erde gelebt hatten. Ich habe mich - hie und da blätternd - nach und nach durch diese Aufzeichnungen aus dem Leben der Menschheit gelesen. Sie stammten von den unterschiedlichsten Leuten aller Altersstufen und Länder, manche davon noch am Leben, andere schon lange tot. Ich las, und ich war ebenso beeindruckt wie bewegt, ich lachte und ich weinte.
Zwei Wochen später initiierte ich das „Mega Diary"-Projekt, konzipiert für hundert Leute, die hundert Tage lang Tagebücher führen und sie untereinander im Netz austauschen sollten. Die Tagebücher sollten gesammelt und täglich über Nifty Serve und das Internet gezeigt sowie einmal wöchentlich landesweit im „ Visible Information Radio" auf UKW ausgestrahlt werden. „Mega Diary" hat mich angespornt, darüber nachzudenken, wie unterschiedlich doch das Alltagsleben der einzelnen Menschen ist und wie wenig uns diese Tatsache normalerweise bewusst ist. Und noch etwas hat mir das Projekt klargemacht: Ein Monolog kann manchmal ein besseres Kommunikationsmittel sein als ein Dialog.

EMPTY ENTITY -
THE INVISIBLE ELECTRIC LIGHT DISPLAY
Obwohl wir normalerweise dazu tendieren, es zu vergessen: Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit sind unmittelbar mit der physischen Struktur der Lebewesen verknüpft. Der sichtbare Strahlungsbereich ist von Spezies zu Spezies anders; das menschliche Auge kann elektromagnetische Wellen zwischen 400 und 800 Nanometer Länge wahrnehmen. Und dennoch existiert Licht auch jenseits dessen, was wir sehen...
In diesem Stück besteht jedes Display aus acht Buchstaben, die sich jeweils aus 16x16 (256) acht-Emitter-Dioden(LED) zusammensetzen. Vier solcher Displays sind im Raum angebracht. Da 15 der 16 LEDs Infrarotlicht abstrahlen, sieht das unbewaffnete Menschenauge nur ein flackerndes Licht, das die wenigen übrigen LEDs, die im sichtbaren Bereich leuchten, abstrahlen. Mit besonderen Brillen allerdings kann der Betrachter Buchstaben auf den Displays erkennen. In dieser Ausstellung werden die Beiträge, die diese vielen Menschen zum „Mega Diary"-Projekt beigesteuert haben, ausgestellt. Diese Tagebücher sind auch metaphorisch das beste Beispiel für Dinge, die zwar für uns gleichzeitig sichtbar und unsichtbar und dennoch von großem Wert sind.

THE SHEEP: THE TOOL TO SEE THE INVISIBLE
In Antoine de Saint Exuperys „Der Kleine Prinz" gibt es eine Szene, in der der Prinz den Erzähler bittet, doch ein Schaf für ihn zu zeichnen. Der Erzähler zeichnet mehrere Schafe, aber keines gefällt dem Prinzen. So entsteht zuletzt das Bild einer Schachtel, und der Erzähler sagt: „Dies ist seine Schachtel, und das Schaf, das du wolltest, ist drin/" Und da gefällt dem Prinzen erstmals das Bild.
In dieser „Schachtel", die dem Besucher als Sehhilfe dient, ist zwar kein Schaf, wohl aber eine monochrome Beobachtungskamera und ein Flüssigkristall-Monitor. Wenn man durch die Schachtel schaut, sieht man ein Stück des Unsichtbaren. Danach aber ist alles eine Frage der Vorstellungskraft: Selbst wenn man die „Schachtel" nicht mehr auf hat oder wenn das „Mega Diary"-Projekt zu Ende geht, sollte man doch seine Phantasie benutzen und an jene Menschen denken, die man so kannengelernt hat. Schließlich ist man ihnen ja nicht mehr fremd, wenn man ihre Tagebücher gelesen hat.
Meiner Ansicht nach ist das, was man sehen kann, nur ein Bruchteil der Wahrheit. Das jedenfalls fühlte ich während des „Mega Diary"-Projekts. Wenn ich jemandes Tagebuch über längere Zeit hinweg lese, beginne ich, dem Autor gegenüber eine emotionale Beziehung zu entwickeln und mich ihm näher zu fühlen, auch wenn ich ihn gar nicht kenne. Meine Beziehung, mein Verbundensein mit dieser Person, wird getragen von einer Mischung aus Respekt und „Glauben".