GOLDENE NICA
Matrix
Ryoji Ikeda
Ikedas neues Album "Matrix" ist das letzte Element in einer CD-Trilogie, die 1996 mit "+/-" begann. Letztere wirkte bei ihrem Erscheinen wie ein Blitz aus heiterem Himmel – niemand hatte je zuvor digitale Aufnahmeprozesse eingesetzt, um so reinen, so intensiven, so fröhlich stimmenden Klang zu erzeugen. Seit der CD "0°" aus dem Jahr 1998 hat Ryoji Ikeda diese einzigartigen Klangfelder und Mikroklänge, die die post-digitale Komposition so stark beeinflusst haben, weiter verfeinert und damit skulpturenhafte Kompositionen geschaffen, die unsere Beziehung zu Raum und Zeit, zu Klang und Licht so intensiv hinterfragen.
In Ikedas Werken geht es grundsätzlich um Wahrnehmung. Die Klangebenen, aus denen sich "Matrix [for rooms]" zusammensetzt, versetzen sowohl den Hörer wie auch die Hörumgebung in eine andere Dimension. Die Dimensionen verschieben sich in dem Maße, in dem man sich im Raum bewegt; es ist, als würde man den Kopf um den Klang drehen, als wollte man ihn wie ein Gebäude von allen Seiten betrachten. Für Ikeda bildet der Klang „ein unsichtbares Muster, das den Hörraum ausfüllt“, wobei „die Bewegung des Hörers das Phänomen in eine Art intrapersonale Musik umformt.“ Ikeda hat tatsächlich einen Klangraum geschaffen, in den man einfach hineinspazieren und in dem man sich verirren kann.
Im Januar 2000 war Ikeda mit einer unbetitelten 30-Minuten-Performance auf Tournee in Großbritannien, wobei alle fünf Aufführungen – darunter jene in der Queen Elizabeth Hall in London und im Contact Theatre in Manchester – ausverkauft waren*. Bei der Liveperformance kombinierte Ikeda seinen höchst eindringlichen Klang mit Video-Projektionen, die über Time-Codes perfekt mit der Musik abgestimmt waren. Digitale Grafiken, Hochgeschwindigkeits-Videosequenzen und stroboskopische Lichteffekte verbanden sich mit dem Klang zu einer spektakulären und für die Besucher doch intimen Erfahrung.
"The Wire" schrieb dazu:
„Er begann mit "Headphonics", einem Stück, an dem er 1995 zu arbeiten begann. Es ist vielleicht das reinste Beispiel seiner Arbeit: aus ganz einfachen Tönen zusammengesetzt – manche davon sind an der Grenze oder jenseits der Grenze des Hörbaren angesiedelt, mit Schleifen von bestechender Einfachheit, die einander überlagern, um ein extrem fesselndes Netz von Maschinengeräuschen zu knüpfen ...“ Das Video dieser Eröffnungssequenz war ebenfalls entsprechend simpel konstruiert: X- und Y-Achsen, die über einen großen dunkeln Bildschirm mit nur einem pulsierenden Punkt in der Mitte blitzten – es war nachgerade hypnotisierend.
„Dann ging Ikeda in "+/-" über. Bilder von tickenden Zahlen schossen den Bildschirm hinauf wie ein auf den Kopf stehender Wasserfall von Zahlen. Der Übergang zwischen den musikalischen Episoden wurde durch intensive weiße Blitze markiert, die den Zuhörerraum erhellten. Die Verknüpfung zwischen Bildern und Musik war eng und intelligent – in dem Maß, in dem sich das Spektrum der Bezüge in der Musik erweiterte, verabschiedete sich die Bildwelt zunehmend von der Abstraktion und begann, flüchtige Bilder einzuschließen. Es war ein stark physisch geprägtes Ereignis, das den Effekt klanglicher und visueller Repetition auf den Körper testete und die Zuseher gleichsam in eine vibrierende monotone Welt hineinsaugte. Und obwohl dieser Aspekt der Veranstaltung sich sehr persönlich gestaltete, vermittelte doch das Gefühl des Ausgesetztseins gegenüber diesen großen Klängen und Bildern dem Ganzen ein gewisses Guppenerlebnis – es war eine viel stärkere kollektive Erfahrung, als in solch einem Auditorium normalerweise möglich ist.“ (Will Montgomery)
* Diese Performances entstanden im Auftrage und unter der Produktion von David Metcalfe Associates; der visuelle Teil wurde in Zusammenarbeit zwischen Ikeda und anderen Mitgliedern der Dumb Type Art Group – Shiro Takatani [Video], Horomasa Tomari [Video] und Takayuki Fujimoto [Beleuchtung] – entwickelt.
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