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Prix2002
Prix 1987 - 2007

 
 
Veranstalter:
ORF Oberösterreich
 


AUSZEICHNUNG
Body Movies - Relational Architecture No. 6
Rafael Lozano-Hemmer


"Body Movies - Relational Architecture No. 6" ist eine Installation, die öffentlichen Zugang für die Interaktion fordert. Portraits werden auf die Außenwand eines Gebäudes projiziert, aber sie sind nur innerhalb den projizierten Schatten von Passanten vor Ort sichtbar. Ohne Schatten verblassen die Portraits, die von starken Lichtquellen angestrahlt werden. Durch ein Kamera-basiertes Ortungssystem wird die Platzierung der Schatten in Echtzeit verfolgt, und wenn die Schatten mit den Portraits in einer vorhandenen Szene übereinstimmen, wird vom Steuerungscomputer automatisch ein Befehl zum Szenenwechsel ausgegeben, wodurch der nächste Portraitsatz zum Vorschein kommt.

„Body Movies" war die sechste in einer Serie von Installationen für den öffentlichen Raum, die Rafael Lozano-Hemmer für Städte in Europa und Amerika entworfen hat. Diese interaktiven Projekte in Madrid, Linz, Graz, Mexico City und Havanna erforschen die Schnittstelle zwischen neuen Technologien, städtischem Raum, aktiver Mitwirkung und „fremder Erinnerung“. Für das Festival Europäische Kulturhauptstadt Rotterdam hat die V2-Organisation Lozano-Hemmer mit der Entwicklung eines neuen Stückes der Serie beauftragt.

Vom 31. August bis zum 23. September wurde der Schouwburgplein – ein Platz in Rotterdam – durch die Projektion von riesigen interaktiven Portraits auf die Fassade des Pathé-Kinogebäudes verwandelt. Tausende Portraits, aufgenommen in den Straßen von Rotterdam, Madrid, Mexico und Montreal, wurden mit Hilfe von robotergesteuerten Projektoren gezeigt, die rund um den Platz aufgestellt waren. Allerdings wurden diese Portraits nur innerhalb der projizierten Schatten der Spaziergänger vor Ort sichtbar, deren Silhouetten zwischen zwei und 22 Meter maßen, je nach dem, wie weit diese von den starken Lichtquellen entfernt waren, die auf dem Boden des Platzes angebracht waren.

Wenn der Schouwburgplein leer war, waren auch keine Portraits zu sehen, da die Lichtquellen am Platz sie mit starkem weißen Licht völlig übertünchten. Sobald sich Menschen auf dem Platz bewegten, warfen sie Schatten, innerhalb derer die Portraits sichtbar wurden. Ein kameragesteuertes Tracking-System überwachte die Position dieser Schatten in Echtzeit, und wenn die Schatten zu allen Portraits einer bestimmten Szene passten, gab der Steuerungscomputer ein automatisches Kommando zum Wechsel zu einem neuen Set von Portraits. Auf diese Weise wurden die Menschen auf dem Platz eingeladen, mehrere unterschiedliche narrative Abläufe im wahrsten Sinne zu verkörpern. Bis zu jeweils 60 Leute nahmen gleichzeitig teil und steuerten rund 1200 Quadratmeter Projektionen; ein kollektives Erlebnis, innerhalb dessen dennoch Raum für unabhängige individuelle Beteiligung blieb.

Das Schatten-Interface ist ein direkter Bezug auf Samuel van Hoogstratens Stich „Der Schattentanz“, der in seinem „Inleiding tot de Hooge Schoole der Schilderkonst“ aufscheint. Dieser Stich, entstanden 1675 in Rotterdam, zeigt eine am Boden aufgestellte winzige Lichtquelle und die Schatten von Schauspielern, die je nach ihrer Größe engelhafte oder dämonische Züge annehmen. Diese optischen Geräte, derer sich die holländischen Meistern des Trompe-l’oeuil und der Anamorphose bedienten, bilden den Ausgangspunkt für ein Stück, das sich mit der Untersuchung der Krise der städtischen Selbstdarstellung auseinandersetzt. „Body Movies“ verwandelt ein Kinogebäude in ein Vehikel zum Studium der Distanz zwischen Menschen und urbaner Repräsentation.

Technik

Drei vernetzte Computer steuern die Installation: ein Kamera-Server, ein Video-Tracker und ein mittels MIDI-Signalen gesteuerter Roboter-Controller. Der Kamera-Server ist eine in sich geschlossene Linux-Box, die 20 Mal pro Sekunde Videobilder über Ethernet an einen PC sendet. Die mit einem Weitwinkelobjektiv ausgestattete Kamera ist auf die Fassade des Pathé-Gebäudes gerichtet. Eine eigens in Delphi programmierte Software analysiert das Video und erkennt die Grenzen der Schatten. Das Computer-Sichtsystem stellt fest, ob die Schatten Portraits in der derzeit projizierten Szene überdecken. Wenn ein Portrait sichtbar ist, wird sein Messpunkt weiß und bleibt einige Sekunden so aktiviert. Ein Wave-File-Klang wird als Feedback an die Mitwirkenden auf dem Platz gesendet. VU-Anzeigen im Interface zeigen den Status eines jeden Portraits und den Grad der Dunkelheit über dem jeweiligen Messpunkt.

Wenn alle Messpunkte aktiviert sind, sendet der PC ein MIDI-Signal an die Robotersteuerung, um ein vollständiges Blackout auszulösen, das von einer neuen Serie von Portraits in völlig anderen gefolgt wird. Der PC ist über eine serielle RS485-Verbindung mit den vier Xenon-Projektoren verbunden. Die Bildbibliothek besteht aus über 1200 Portrait in 15 x 15 cm-Duratrans-Rahmen, die über die Rollvorrichtung der Projektoren geschoben werden.

Eine Videoprojektion auf dem Platz zeigt das Computer-Interface, dazu gibt es eine gedruckte Erklärung auf Holländisch und Deutsch. Ein Zugang des Publikums auch zum Interface war wesentlicher Bestandteil des Projekts.