Overmundo, offiziell seit März 2006 online, ist gleichermaßen eine Community wie ein Softwaretool. Ziel des Projekts ist es, die brasilianische Kultur in ihrer Vielschichtigkeit und geografischen Diversität sichtbar zu machen und zu fördern. Entwickelt wurde Overmundo von einer vierköpfigen Gruppe (Hermano Vianna, Alexandre Youssef, Ronaldo Lemos, José Marcelo Zacchi), die mit Fördermitteln von Petrobras, der staatlichen brasilianischen Erdölgesellschaft (dem größten Kunstsponsor Brasiliens), die Aktivitäten weiterer 35 Mitarbeiter koordinierten.

Overmundo ist die größte Community Brasiliens, die sich der intensiven Beschäftigung mit brasilianischer Kultur verschrieben hat. Mithilfe von Web-2.0-Tools posten Einzelpersonen und Gruppen Artikel, Bilder, Filme, Musik und Texte, die ihre Umgebung und ihre Community beschreiben und so Kulturereignisse und -szenen aus dem ganzen Land überregional sichtbar machen. Schon ein kurzer Blick in einen einzigen Artikel auf der Website zeigt, wie vielfältig und breit gefächert die dort stattfindenden Diskussionen sind. Nicht zu übersehen ist auch die große Vielfalt an Positionen, die bei Overmundo zusammen kommen: verschiedene Altersgruppen, Geschlechter, Rassen, Regionen und vor allem Weltanschauungen.

Bei Overmundo ist die Community König: Sie produziert den gesamten Inhalt und sie entscheidet auch darüber, was davon veröffentlicht wird und was mehr Aufmerksamkeit verdient. Zu diesem Zweck setzt Overmundo eine Reihe von Web 2.0-Tools ein. Die Strategie ist vor allem von Kuro5hin (www.kuro5hin.org) inspiriert. Jeder bei Overmundo eingereichte Beitrag kommt zuerst in eine „redaktionelle Warteschleife“ (Fila de Edição), wo er zunächst einmal 48 Stunden in „Quarantäne“ verbringt. Während dieser Zeit können alle User Vorschläge und Kommentare dazu abgeben. Die Entscheidung, ob diese berücksichtigt werden und zu einer entsprechenden Änderung des Beitrags führen, liegt bei den Autorinnen und Autoren, nur sie können Änderungen vornehmen.

Nach der 48-stündigen Probezeit wandert der Beitrag in die „Abstimmungsschleife“ (Fila de Votação). In dieser Phase können die User darüber abstimmen, wie ihnen der Beitrag gefällt. Um schließlich auf der Website veröffentlicht zu werden, muss ein Beitrag eine gewisse Mindestmenge an „Overpontos“ erhalten haben. Ist diese Mindestmenge erreicht, wird der Beitrag an einer mittleren Position veröffentlicht. Von dieser Stelle aus kann er dann durch weitere Stimmen nach oben und vielleicht sogar an die erste Stelle vorrücken. Erhält ein Beitrag keine Stimmen, verfallen die Overpontos mit der Zeit, sodass er wieder nach unten rutscht.

Overmundo verfügt weiters über ein „Karma“-System, mit dem sich User Reputationspunkte verdienen können. User mit mehr „Karma“ erhalten mehr Overpontos als solche mit weniger Karma und sind daher auch mit größeren editorischen Rechten ausgestattet. Mithilfe des Karma-Systems kann Overmundo eine dezentralisierte Leitung für die Website entwickeln. Die 30 User mit dem meisten Karma werden mittlerweile zu einem eigenen Diskussionsforum eingeladen. Unser Ziel ist es, in naher Zukunft die gesamte Leitung der Website in die Hände dieser 30 User zu legen, die sich mit den wechselnden Karmawerten immer wieder neu zusammensetzen.

Zur Zeit entwickeltOvermundo zwei Sonderprojekte. Das eine davon ist Overmixter (www.overmixter.com.br), eine Kooperation mit CC-Mixter (www.ccmixter.org), der Remixplattform von Creative Commons. Das zweite ist Overfeeds, ein RSS-Feed-Aggregator, der Postings von Weblogs sammelt, die sich mit Kultur in Brasilien beschäftigen. (www.overmundo.com.br/overfeeds/). Die Postings auf diesen Weblogs werden direkt an Overfeeds, eine eigene Rubrik der Website weitergeleitet, und dort von der Overmundo-Community bewertet. Die Postings mit den meisten Stimmen erhalten auf der Overfeeds-Seite die größte Aufmerksamkeit.

Overmundo dient mittlerweile bereits als Vorbild für andere Initiativen, und zwar sowohl in Brasilien als auch andernorts. Da die technische Infrastruktur für Overmundo zum Großteil ganz neu entwickelt wurde (und vollständig als Free Software lizenziert ist) und die restlichen Bestandteile auf anderer Free Software beruhen, kann der Code von anderen Initiativen frei adaptiert werden. Als erste nichtbrasilianische Initiative hat iCommons (www.icommons.org) den Overmundo-Code adaptiert.

Gleichzeitig begann Overmundo auch mit der Produktion frei distribuierbarer kollektiv erarbeiteter Inhalte (lizenziert unter Creative Commons). Das jüngste Beispiel ist das Overmundo Radio Programm. Diese einstündige Radiosendung wird monatlich aus den spontanen Beiträgen über das ganze Land verstreuter Mitarbeiter zusammengestellt. Die Sendung wird dann allen interessierten nicht-kommerziellen Radiostationen des Landes überlassen oder zugesandt: Community und Piratensendern, Podcasts und Internetradios. Für 2007 plant Overmundo die Entwicklung einer Fernsehsendung nach demselben Modell.