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Prix1999
Prix 1987 - 2007

 
 
Veranstalter:
ORF Oberösterreich
 


GOLDENE NICA
What Dreams May Come
Barnet Bain, Digital Domain , Mass Illusions , POP , Stephen Simon , Vincent Ward


"What Dreams May Come" ("Hinter dem Horizont"), eine Produktion, an der neben POP, Shadowcaster, Giant Killer Robots, Mobility und Lunarfish die Studios von Digital Domain und Mass Illusions, beide USA, federführend beteiligt waren, erzählt in beeindruckenden Bildern erzählt der Film die Geschichte des Lebens nach dem Tod von Chris (Robin Williams). In der zum Prix Ars Electronica eingereichten "Painter's Sequence" verwandelt sich die reale Landschaft Schritt für Schritt in ein Gemälde des 19. Jahrhunderts, in dem sich der Hauptdarsteller bewegt. Eingesetzt wurde dafür neben komplexer 2D- und 3D-Software eine eigens entwickelte Software, die mit einer hybriden Technologie (Motion Paint) kombiniert wurde.

Es ist schwer, das Leben nach dem Tode in Bilder umzusetzen, selbst wenn die größten Künstler der Welt versuchen, den Weg zu weisen. Es erforderte die höchsten Anstrengungen von mehreren Effekt firmen, darunter Mass.illusions, Pacific Ocean Post (POP), Digital Domain, Illusion Arts, CIS und Cinema Production Services, Inc., bis die inspirierten Visio nen des Regisseurs Vincent Ward in What Dreams May Come ("Hinter dem Horizont") zum Leben auf der Leinwand erwachten.

Ellen M. Somers, Visual Effects Producer/ Supervisor, war zuvor acht Jahre Produktionsleiterin bei Boss Film (wo sie beim wenig erfolgreichen Alien3 auch Ward kennengelernt hatte) und Produk tionschefin bei Warner Digital gewesen. Eigentlich hatte Somers sich eine Ruhepause nach dem Ab schied von Warners gönnen wollen, als die Produ zenten von Dreams, Interscope Pictures, sie im März 1997 überredeten, doch bei dem Film einzusteigen und die erforderlichen Effekte zu bewerten, die zur Fertigstellung des Films nötig werden würden.

Somers' Hartnäckigkeit sollte sich zu einem der Hauptingredienzien beim allgemeinen Erfolg der Bildwelt von What Dreams May Come entwickeln. Das gesamte Effekte-Paket war bereits an Mass.illusions (Judge Dredd) vergeben worden, das von Cinergi, dem krisengeschüttelten Zwerg unter den Großstudios, finanziert wurde. Aber als kurz vor Produktionsbeginn Cinergi im September 1997 an Disney verkauft wurde und aus Mass.illusions ausstieg, war Somers in der außergewöhnlich schwierigen Lage, andere Effekthäuser hereinnehmen zu müssen, um einen Film zu retten, von dem noch kein Meter gedreht war.

Somers versuchte, die Arbeit entlang biblischer Linien aufzuteilen. POP übernahm 118 Einstellun gen, darunter die viktorianischen Landschaften aus "Maries Welt" und "Bridge City", die umwerfende "Venezianische Bibliothek", den Schiffsfriedhof und die umgedrehte Kathedrale. Die Minitaurmodelle für die Höllenumgebung wurden von Mike Joyces Cinema Production Service, Inc., beigesteuert. Digital Domain wiederum halste sich 54 Einstellungen auf, die von Character Animation bis zur Rekon struktion einer mit Mohnblumen übersäten Land schaft reichten.

Der Beitrag von Mass.illusions bestand aus 99% der "Gemalten Welt", 58 Einstellungen, die eine wilde Blumenlandschaft aus noch fließenden Farbpig men ten zeigten, die Chris Neilsons erste Begeg nung mit dem Leben nach dem Tode einrahmt. Es war absolut entscheidend, daß diese Sequenz die Kinogänger emotional fesselt, denn sonst würdensie sich aus dem Film verabschieden, noch bevor die emotionale Schlagkraft des Werkes überhaupt eine Chance hätte, sich zu entfalten. Ward - selbst ausgebildeter Maler - hatte intuitiv erfaßt, daß das Leben im Jenseits anheimelnd-bekannt und doch gleichzeitig fremd wirken mußte, und hatte seine Inspiration von den deutschen Romantikern, besonders von Caspar David Friedrich, bezogen.

Noch vor Drehbeginn durchwühlten die Bildprodu zenten zahllose Kunstbibliotheken - stets auf der Suche nach Illustrationen im Sinne jener Bilder, die Ward vorschwebten. Und schließlich halfen die Ge mälde Friedrichs und anderer Künstler des 19. Jahr hunderts, die Vision Wards zu definieren und in den Köpfen aller bildnerischen Mitarbeiter zu verankern, vom Production Designer Eugene Vanetti zum Kame ramann Eduardo Serra und zu Dutzenden von Visual-Effects-Künstlern.

"Wir haben Josh Rosen als Art Director für Mass.illusions angeworben und ihn in diese Posi tion eingesetzt. Obwohl alle bei Mass.illusions mit dem Pro jekt beschäftigten Mitarbeiter - selbst die Soft ware leute - eine künstlerische Aus bildung hatten, bot doch erst Joshs künstlerische Leitung die Ge währ, daß das von uns gesuchte Gefühl hinübergebracht werden könnte. Josh war ein absoluter Glückstreffer - ein Software entwickler, den wir wäh rend eines Urlaubsjahres in Italien aufgespürt hatten, wo er Illustrationen für ein Buch gezeichnet und nebenbei Fresken gemalt hat. Wir haben auch Sid Dutton von Illusion Arts und Michael Lloyd angeheuert, um Hintergrund gemälde zu produzieren. Und schließlich gingen wir vor allem deshalb zu POP, weil ich wußte, daß dort einige Künstler beschäftigt waren, die Vincents Kriterien genau erfüllen würde, etwa Deak Ferrand, der später wirklich eine Integrationsfigur in dieser Produktion wurde. Insgesamt war die Suche nach dem richtigen Personal aber so etwas wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen."

Somers' Unterstützung hat eine wichtige Rolle da bei gespielt, das Team von Mass.illusions - darunter die Visual Effects Supervisors Joel Hyneck und Nicholas Brooks, die Produzentin Donna Langston sowie die Softwareentwickler Pierre Jasmin und Pete Litwinowitcz - so lange im Projekt zu halten, bis sie bewiesen hatten, daß ihre bislang unerprobte Strategie für die Effekte der "Gemalten Welt" tat sächlich funktionierte. Andere hatten einen traditionelleren Ansatz vorgeschlagen, etwa eine Blue-box-Aufnahme der Schauspieler und ihre Einbet tung in eine digitale Landschaft, die über Multi-Ebenen oder 3D-Matte-Gemälde erstellt werden sollte. Das hätte wohl auch funktioniert, aber es hätte Ward nicht die geforderte Freiheit und jenes Gefühl der Wirklichkeit gegeben, das er so verzweifelt gesucht hat.

Als Motion Control und Bluebox-Verfahren ausgeschieden worden waren, weil Ward und der Kame ramann Eduardo Serra komplexe und sehr flüssige Kamerabewegungen im Glacier National Park in Montana planten, verließ sich Somers' Team auf traditionelles Tracking und auf Lidar-Aufnahmen des Drehorts, um die Kamerabewegung und Ob jekte zu verorten, damit die Einstellungen später in die flie ßende Farbe getaucht werden konnten. "Lidar ist so etwas Ähnliches wie eine Radaraufnahme - man verwendet es beispielsweise beim Deichbau -, und wir erhielten dadurch eine Punktwolke von Daten, die als Grundlage eines dreidimensionalen Draht modells der Landschaft diente. Mit Hilfe der traditionellen Markierungspunkte vor Ort konnten wir dann dieses Gittermodell mit der Einstellung ab gleichen und so die Kamerabewegungen und die Topographie nachbauen."

Erstaunlicherweise begann tatsächlich jede einzelne Einstellung in der "Gemalten Welt" als Photographie, auch wenn sie letztlich so aussieht, als wäre sie soeben von einem Meisters des 19. Jahr hunderts frisch in Öl gemalt. Aber nachdem Robin Williams und Cuba Gooding Jr. unretouchiert bleiben muß ten, wurden sie mühsam aus jeder einzelnen Auf nahme herausgefiltert. Danach wurde mittels eines von Mass.illusions geschaffenen Kan ten erken nungs systems jede Aufnahme in 15 bis 30 Ebenen zerlegt, die wiederum mit Partikel system-Pinsel -strichen bearbeitet wurden, um den Effekt einer gemalten Welt zu erzielen. Tausende von Blüten und Blättern mit tropfender, fließender Farbe zu betupfen verlangte nach prozeduraler ebenso wie manueller Steuerung.

"Mass.illusions hat dann ein Werkzeugset aus diversen Pinselstrichen zusammengestellt, das es er laubte, die Farbe, Trennung, Dicke und Dynamik der Pinselstriche als solche über Art Handgriffe zu steuern, womit man bei einigen Einstellungen beispielsweise Farbe über einzelne Grashalme hinunterlaufen lassen konnte. Das Erstaunliche daran ist, daß wir an einem Zehn-Meter-Kran eine Kamera hängen haben, die sich in jeder dem Kameramann nur erdenklichen Ebene bewegt, und daß wir trotzdem jedes einzelne Blatt, jedes einzelne Detail in dieser Szene mit individuellen Pinselstrichen bearbeiten können! Das ist schon genial." Kevin Mack, Visual Effects Supervisor bei Digital Domain, hat das einzige nur in der "Gemalten Welt" vorkommende Lebewesen beigesteuert, den "Ge mal ten Vogel", der als 3D-animiertes Element zur Komposition an Mass.illusions weitergegeben wurde. Daneben hat DD noch weitere 54 Einstel lung bearbeitet, darunter die Landschafts rekon struktion in jener Sequenz, in der Chris durch das Mohnfeld fliegt, und Cuba Golding Jr. eine geisterhafte Unschärfe hinzugefügt. Aber ihre wichtigste Szene, so Somers, "war der ,Herbstbaum', der auseinanderfällt, als Chris Verbindung zu Annie bekommt und merkt, daß irgendetwas schrecklich falsch gelaufen ist. Der Herbstbaum wurde nicht als Modell gebaut, sondern man hat ihn organisch wachsen lassen durch eine Serie von Algorithmen innerhalb eines sogenannten L-Systems."

Die bemerkenswerte Bildwelt von What Dreams May Come legt Zeugnis ab von der Entschlossenheit einer kleinen Gruppe von Filmschaffenden und Effektkünstlern, das Paradies und die Verdammung überzeugend auf Zelluloid darzustellen. Der Film ist auch eine Synthese zweier sehr unterschiedlicher Kunstformen. "Eins haben Filmemacher und Maler gemeinsam: Beide versuchen die Welt zu beschreiben", schließt Ward. "Ich stelle mir gerne vor, daß dieser Film Künstlern einen neuen Weg eröffnet, die Welt zu sehen, und eine völlig neue Palette von Möglichkeiten, sie zu beschreiben. Ich hoffe, daß sich letztlich Künstler dazu entschließen werden, mit Live-Action-Filmgemälden zu arbeiten statt mit stehenden Hintergrundgemälden - und vielleicht haben wir das ja initiiert."