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Prix2000
Prix 1987 - 2007

 
 
Veranstalter:
ORF Oberösterreich
 


AUSZEICHNUNG
Audiovisual Environment Suite
Golan Levin


"Audiovisual Environment Suite" - Kunst mit Interaktivität oder Interaktivität als Kunst. Ohne den Neuling mit vorgefertigten Einstellungen eines automatischen Kunstgenerators zu überfahren, wird hier vereinfacht, was früher eine unüberschaubar komplexe Reihe von Reglern war, und erlaubt dem Anwender, direkt mit jenen visuellen und klanglichen Elementen zu interagieren, die ihn interessieren.

Die Audiovisual Environment Suite ist eine Sammlung von fünf interaktiven Kunstwerken, die es ermöglichen, dynamische Animation und Klänge auf direkte, herausfordernde, gestische und kommunikative Weise zu schaffen und aufzuführen. Wenn auch der Computer ein ausgezeichneter Ausgangspunkt für abstrakte visuelle Experimente ist, so wird doch häufig die Bedeutung des Klanges als expressives Element jenseits der Musik und der eigentlichen Tonaufzeichnung übersehen. In dieser Arbeit habe ich versucht, visuelle und auditive Abstraktionen so zu verbinden, dass in einer expressiven Stimme eine einzigartige Form der Vereinigung entstehen konnte. Diese Arbeit ist insofern bedeutend, als sie die Vision einer kreativen Arbeit am Computer darstellt, in der ephemere dynamische Medien aus der expressiven „Stimme“ eines menschlichen Benutzers „herauswachsen“.



Vom künstlerischen Gesichtspunkt gesehen bewegen sich die Stücke der Audiovisual Environment Suite in der Tradition des 20. Jahrhunderts, wie sie von Pionieren wie Marcel Duchamp, Sol Le Witt und Myron Krueger etabliert wurde, deren Kunstwerke selbst wiederum generative Systeme für andere Medien werden. In Marshall McLuhans Terminologie ausgedrückt, werden solche Systeme charakterisiert durch das „äußere Medium“ (in diesem Falle die gestische Performance und die Interaktion), dessen Formen erst die Artikulation anderer Ausdrucksformen in einem „inneren Medium“ ermöglichen (in diesem Werk eben synthetische Klänge und Bilder): Solche Meta-Kunstwerke von jenen Artefakten zu unterscheiden, die wir gemeinhin „Werkzeuge“ oder „Instrumente“ nennen, ist weitgehend eine Frage der Semantik und des Zusammenhangs; meine Absicht bei der Schaffung der Software-Systeme für die Audiovisual Environment Suite war, ein Set von Vehikeln zur Erforschung und Präsentation eines strikt persönlichen audiovisuellen Vokabulars zu schaffen und gleichzeitig neue provokante Möglichkeiten der Mensch-Maschine-Interaktion vorzuschlagen.



Zwei Ziele haben meine Design-Entscheidungen bei diesen interaktiven Arbeiten beeinflusst: Zum einen sollte das Interface eines solchen Systems unmittelbar erfassbar sein, gleichzeitig aber auch unendliche Ausdrucksmöglichkeiten bieten. Nur selten sind Software-Systeme leicht zu erlernen und gleichzeitig extrem leistungsfähig, denn dies setzt voraus, dass einerseits die Bedienregeln einfach sind, sie aber gleichzeitig einen unbegrenzten Raum von Ergebnismöglichkeiten mit einschließen. Dies ist beinahe ein Widerspruch in sich selbst und nur schwer zu realisieren. Dennoch gibt es alltägliche Beispiele solcher Systeme, etwa den Bleistift oder das Klavier: Zwar begreift jeder Vierjährige sofort ihre grundlegenden Funktionsprinzipien, nichtsdestotrotz kann ein Erwachsener fünfzig Jahre damit zubringen, (sich) an ihnen zu üben, und dennoch erkennen, dass sie noch viel weitergehende expressive Möglichkeiten in sich bergen und noch größere Meisterschaft beim Umgang mit ihnen erreichbar sein könnte. Solche Systeme haben darüber hinaus die außergewöhnliche Eigenschaft, dass ein Individuum durch ihren Gebrauch irgendwann eine einzigartige, sehr persönliche Stimme des Ausdrucks in diesem Medium entdecken oder vermitteln kann.



Außerdem ging es mir beim Design dieser Systeme darum, neue Metaphern bei der Verknüpfung von Klang und Bild zu erforschen, die es einem visuellen Performance-System erlauben, mit einem ebenso expressiven, unendlich variablen Klangperformance-System zusammenzuwirken und nicht nur einfach eine Playback-Maschine für vorgefertigte Samples und Grafiken zu sein. Die unendliche Plastizität einer synthetischen Leinwand verlangt, dass auch jedes klangliche Gegenstück dazu genauso formbar und unendlich in seinen Möglichkeiten ist; und die Audiovisual Environment Suite stellt meine Antwort auf diese Herausforderung dar.