Übersicht
Die Konkreten Dichter der 6oer-Jahre und ihre Vorläufer im Dada und Futurismus haben die visuelle Erscheinung des Textes als ein Hauptelement Inder Erzeugung von Bedeutung angesehen. Ihr Interesse an solchen Experimenten erwuchs aus der festen Überzeugung, dass die traditionellen Formen schriftlicher Kommunikation mit ihren klinisch reinen Abständen, ihrem rechtwinkeligen Layout und den nüchternen Letternformen nicht mehr der kulturellen Schizophrenie der modernen Zeit entsprächen. Obwohl sie im traditionellen Raum der Druckerpresse arbeiteten, gelang es diesen Künstlern und Poeten dennoch, die visuelle Präsenz des Textes auf eine Weise zu erforschen, die selbst für unsere MTV-verklärten Augen noch immer frisch erscheint. Als konkrete Dichter am Eingang eines neuen Jahrhunderts haben wir das Active Text Project in Angriff genommen, ein kontinuierliches Experiment zur radikalen Gestaltung von und Interaktion mit der visuellen Erscheinung von Texten auf eine Weise, die unsere post-millenniale Hingabe an die Daten reflektiert. Die Benutzer können Glyphen, Wörter oder ganze Passagen in Bewegung setzen, sie auseinander ziehen, sie aufblasen, sie mit dynamischen Verhaltens weisen infizieren und sie neu zusammensetzen - alles im Versuch, die gängigen Begriffe von Textpräsentation und -rezeption zu dekonstruieren.

It's Alive!
Die erste größere Applikation in unserem Projekt ist It's Alive!. Dieses Programm erlaubt dem Anwender, als Autor dynamischer und interaktiver Texte in einer fließenden Umgebung aufzutreten. Die Funktionalität des Programms lässt sich am besten zusammenfassend als mutierter Nachkomme von Adobe AfterEffects und einer Textverarbeitung beschrei ben. Der User kann wie üblich Texte eingeben, editieren und layouten. Im Unterschied zu r Textverarbeitung jedoch - bei der man zur Bearbeitung selbst elementarster visueller Parameter wie Schriftart, -große und -färbe ständig zwischen Text und Pulldown-Menus hin und her wechseln muss-gibt it's Alive! dem Anwender kontinuierlich variable Steuerungsmöglichkeiten, die ebenso kontinuierlich ein Feedback liefern.

TextOrgan
TextOrgan - zu gleichen Teilen digitales Graffiti und digitale konkrete Poesie - ist sozusagen der Rave-Ableger von It's Alive!. TextOrgan verwendet das Environment von It's Alive!, fügt ein MIDI-Keyboard für den schnellen Zugang zur gesamten Funktiona lität hinzu und erlaubt dem Benutzer, den Text entweder direkt einzugeben oder aber aus einem Set von vorgefertigten Textpassagen auszuwählen, die auf den Bildschirm fließen. So kann schnell eine immens reiche Collage aus performance-spezifischer Poesie und gefundenen Texten aufgebaut wer den.
TextOrgan wurde zur Anwendung in Verbindung mit einem Diskjockey bei Musikereignissen entwickelt. Bereits vor dem Event können der DJ und der TextOrganlst eine Selektion von Texten treffen und diskutieren, welche Art von Stimmung oder Themen sie letztlich entwickeln wollen. Der TextOrgamst kann auch einfache Signalinformationen wie Tonhöhe und Intensität entweder aus den Umweltgeräuschen oder direkt aus den Decks des DJs übernehmen. Dies ermöglicht es, einige Teile der Textdynamik automatisch an den Beat anzupassen oder mit der Musikintensität an- und abschwellen zu lassen.