ANERKENNUNG
Traces
Simon Penny
Traces ist ein Projekt für eine vernetzte CAVE-Installation (für immersive VR-Räume). Aber soweit dem Autor bekannt, unterscheidet es sich in seinen Zielen und in seiner Art von allen anderen CAVE- und VR-Projekten. Die Wurzel des Projekts liegt in meinem seit langen andauernden Unbehagen über die entfremdende Körperlosigkeit der VR-Erfahrungen, die in starkem Kontrast zu den rhetorischen Aussagen über Virtuelle Realität steht, die es dem Anwender ja ermöglichen sollte, körperlich mit digitalen Welten zu interagieren. Bereits in meinem Essay Virtual Reality as the End of the Enlightenment Project (in Culture on the Brink, hg. von Druckrey und Bender, Bay Books, 1994) habe ich festgehalten, daß bei konventionellen VR-Installationen mit am Kopf getragenen Displays (Head mounted Displays – HMD) der Körper sozusagen zerschnitten wird und die visuelle Erfahrung zu Lasten des Körpersinns geht. Der Körper wird auf einen einzigen Kartesischen Punkt reduziert, der Körper bleibt sozusagen draußen vor der Tür.
Als ich das erste Mal einen CAVE benutzte, war ich tief beeindruckt von der Unmittelbarkeit, mit der die Gefühle bei der Kollision mit virtuellen Objekten in die Eingeweide fuhren. Mir wurde klar, daß das Gefühl der Körperlosigkeit der VR mit HMDs z. T. darauf beruht, daß bei einem Blick nach unten der eigene Körper einfach nicht da ist! Im CAVE hingegen sieht man seinen Körper mit VR-Objekten kollidieren. Wegen meines Interesses für Fragen der Körperlichkeit wurde der CAVE ein attraktiver Ort zur weiteren Arbeit. Aber es war klar, daß nur die Hälfte des Problems gelöst war – der Anwender konnte virtuelle Objekte auf eine körperbezogenere Weise erfahren, aber er war letztlich doch nur auf einen Punkt aus der Perspektive der Maschine reduziert. Deshalb wurde es notwendig, ein Input-System zu konstruieren, das die Gesamtheit des Körpers beschreibt. Nach umfangreichen Forschungsarbeiten haben wir ein Multi-Kamera-Erfassungssystem entwickelt, das ein Echtzeitmodell des Körpers des Anwenders generiert. Dieses Körpermodell bietet derzeit zwar nur eine geringe räumliche, aber dafür eine hohe zeitliche Auflösung, d. h. der Benutzer erfährt keine Latenz oder Zeitverschiebung zwischen den eigenen Bewegungen und den erzeugten virtuellen Strukturen.
In Traces werden so gut wie alle klanglichen und visuellen Erfahrungen auf der Basis des Benutzerverhaltens in Echtzeit generiert. Anders als bei anderen VR-Projekten habe ich hier kein Interesse an illusionistischen Texture-Mapping-Modellen, an der Illusion eines unendlichen virtuellen Raums oder am Aufbau „virtueller Welten“. Die gesamte Aufmerksamkeit konzentriert sich auf den Verlauf des körperlichen Verhaltens des Anwenders.
Traces wird eine telematische, vernetzte Erfahrung sein. Es geht aber nicht darum, die Illusion von körperlicher Nähe zu schaffen, sondern der Schwerpunkt liegt auf der technologisch vermittelten Natur der Kommunikation. Die Benutzer sehen einander nie direkt, sie sehen nur das vermittelte Ergebnis des Verhaltens des jeweils anderen. Der Benutzer interagiert mit spinnwebfeinen räumlichen Spuren, die die Dynamik und das Volumen der Körper zum Ausdruck bringen, aber durchscheinend und ephemer sind.
Mitarbeit: Andre Bernhardt, Jeffrey Smith, Jamie Schulte und Phoebe Sengers. Traces wurde als Gewinner des Cyberstar mit Unterstützung des GMD sowie der Carnegie Mellon University entwickelt.
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