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Prix1999
Prix 1987 - 2007

 
 
Veranstalter:
ORF Oberösterreich
 


ANERKENNUNG
Scanner++
Joachim Blank, Karl Heinz Jeron


SCANNER++ ist ein Gerät, das die Außenwelt faksimiliert. Es gleicht äußerlich einem Kopiergerät. Joachim Blank und Karl Heinz Jeron haben zwölf handelsübliche Scanner im A4-Format zu einem Quadrat von 4 x 3 Geräten zusammengestellt und auf einem 40cm hohen Metallgestell montiert, das durch eine Abdeckung mit zwölf Panzerglasplatten begehbar wird. Die Ausstellungsbesucher können das Gerät begehen, sich auf ihm niedersetzen oder es mit Gegenständen belegen. Sie nehmen die Rolle der Bildvorlagen und Objekte ein, die ein Scanner in geringer Tiefenschärfe erfaßt und in ein digitales Abbild verwandelt. Der Scanner macht Fotos oder Texte zu Bilddateien. Hier macht er Momentaufnahmen vom Publikum und sammelt die Spuren von Händen, Füßen oder Kleidungsstücken, scharf oder verwischt – und immer unvorhersehbar, denn alle Scanner werden von einem Computer gesteuert und in unterschiedlichen zeitlichen Abständen nach einer zufälligen Choreographie gestartet. Was dann gerade in Berührung mit dem Bildschirm steht, wird automatisch gescannt, gefiltert und umgestaltet, einem lokalen Webserver zur Verfügung gestellt und nach kurzer Verzögerung mit einem Datenbeam auf einer Projektionsleinwand sichtbar gemacht. Der Ausstellungsraum wird sowohl durch die Scanner als auch durch die Helligkeit der Leinwand erleuchtet, auf der ein WWWBrowser zu sehen ist. In ihm bilden sich in der Form eines 4 x 3 Java-Applets die verfremdeten Scanning-Ergebnisse ab, die der auf dem Steuercomputer installierte Webserver an den Datenprojektor weiterreicht. Die auf dem Webserver abgelegten Daten werden zugleich auf die Website http://sero.org/scanner übertragen.

Die Ausstellungsbesucher erzeugen so den Inhalt der Website. Die leichte Verzögerung und starke Verfremdung der Daten erlaubt ihnen zwar nicht die vollständige Kontrolle über das Bildangebot, aber die Einflußnahme auf seine Inhalte. Die Internetbesucher hingegen können auf das gesamte Archiv der erzeugten Dokumente zugreifen: Die neuen überlagern transparent die alten Scans. Der Besucher „klickt“ sich durch das Angebot hindurch. Aktionen und Intentionen der Ausstellungsbesucher sind ihm durch die technische Verfremdung und Fragmentierung verschleiert. Er wird zum passiven Archäologen einer Interaktion von Technik und Zufall.

SCANNER++ steht im Kontext einer Projektreihe zum Thema Informationsrecycling/I(nformation)-Smog“. Frühere Arbeiten von Blank & Jeron, wie etwa without_addresses bei der Documenta X ( http://sero.org/without_addresses) oder DUMP YOUR TRASH! (http://sero.org/dyt) nutzten das Internet als Kopiermaschine, indem solche Dokumente, die im Netz bereits vorhanden waren, durch verschiedene Verfahren in neuer Form aufbereitet wurden. Durch minimale Interaktion der virtuellen Besucher – Texteingaben oder Mausklicks auf einer Navigationsfläche – wurden Netzinhalte durch Softwareagenten automatisch im Layout umgestaltet und in dieser Form auf der Website zur Verfügung gestellt. Ihre Darstellung erinnert ihrer standardisierten Entstehung zum Trotz an persönliche Dokumente und auratische Gegenstände wie Briefe oder beschriftete Steintafeln, einem Erscheinungsbild in dem die Dokumente bestellt und handwerklich real gefertigt werden können.

Bei SCANNER++ wird diese Methode umgekehrt. Das Projekt geht vom realen Raum aus und überführt ihn durch die Technik des „Scannens“ (lat. = hervorheben) in digitale Information. Diese vielleicht selbstverständlichste, aber auch radikalste Weise des Übergang von analoger in digitale Information erscheint wie eine Metapher für die Lesbarmachung der Welt im Zeitalter der „Informationsgesellschaft“. Indem die Simulation des Raumes und der in ihm vollzogenen Handlungen, die SCANNER++ auf den ersten Blick verspricht, mehrfach in Frage gestellt und hintergangen wird, wirft das Projekt die Frage nach dem tatsächlichen Wert sowohl der Information als auch der ästhetischen Interaktion auf, die in ihm fast schon paradox halb objekthaft, halb prozessual dargestellt werden.

Text: Gerrit Gohlke, Blank & Jeron