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Prix2000
Prix 1987 - 2007

 
 
Veranstalter:
ORF Oberösterreich
 


ANERKENNUNG
Discoder
Yae Akaiwa, exonemo , Kensuke Sembo


Ein Discoder ist ein Gerät, das HTML-Code und die dazugehörigen Verhaltenscodes zerstört – ein Widerspruchs-Provider fürs Web. In diesem Projekt spielt der Benutzer mit der HTML-Metastruktur des Internet herum. Die verschiedenen Tags in HTML verschieben sich und die Integrität des HTML-Quellcodes wird verändert, als würden Käfer daran nagen. Der Benutzer wird nicht nur von den Sicherheit gebenden mathematischen Illusionen des HTMLInterface befreit (durch die Demontage des Codes), sondern auch von den subtilen Suggestionen eines normativen Verhaltens, das dem Individuum vom Computer auferlegt wird.

Der Discoder kennt zwei Modi: einen „privaten“ und einen „offenen“ Modus. In Ersterem gibt der User die URL einer Website ein, die er zu zerstören wünscht (alle Seiten im WWW sind discoder-bar) und setzt dort sein Zerstörungswerk nach Lust und Laune fort. Im offenen Modus hingegen kann er zusammen mit Freunden eine Seite gemeinschaftlich zerlegen. In beiden Fällen dient die Tastatur, dieses allgegenwärtige Symbol unseres auf Text basierenden Lebens, als Instrument der Zerstörung. Beim Schreiben produzieren die Tasten Geräusche wie eine Schreibmaschine. HTML-Code wird plötzlich zur Nährlösung, in der alle Arten von Bugs wachsen, die das Antlitz des virtuellen Terrains verändern (HTML-Quellcode wird von ASCII-Text kahl gefressen wie Bäume von Maikäfern, was zu den erstaunlichsten Veränderungen in der Struktur von Webseiten führt).

Der User ist nicht auf Zufallsattacken auf Websites beschränkt – auch gezielte Schüsse sind möglich. Da der Einfluss des jeweiligen Bug auf die Site in Echtzeit numerisch überwacht werden kann, könnten Strategien für gezielte Angriffe entwickelt werden. Zahlen, Buchstaben, Symbole, Rück- und Löschtaste sowie andere Tasten haben bei Discoder jeweils eine neue Funktion, und diese haben zusammen mit dem jeweiligen Einsatzort im HTML-Code auch Auswirkungen auf früher eingepflanzte Bugs, sodass der Bug „wächst“ (zu Großbuchstaben und weiter zu selbstständigen HTML-Tags) und die angeknabberten Seiten umbaut.

Es gibt eine unendliche Anzahl unvorhersehbarer Effekte, die vom Discoder ausgelöst werden, besonders wenn im offenen Modus eine nicht näher festgelegte Anzahl von Usern teilnimmt und sich Bugs auf die Sedimente früherer Fraßspuren stürzen – gerade dann erzeugt Discoder seine allerüberraschendsten Resultate.

Durch die Invasion von unsinnigen Elementen (= Bugs) und durch einen Prozess der Destruktion wird Discoder ein Mechanismus für eine neue Schrift. Die Websites von exonemo basieren übrigens nicht auf HTML. Das Fadenkreuz von Discoder ist auf die Vektoren gewöhnlicher Standardisierung und auf die zunehmende Codifizierung unseres Leben gerichtet.