ANERKENNUNG
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Der Unterschied zwischen net.art (Netz-Kunst) und jeder anderen Kunstform scheint in der „Interaktivität“ zu bestehen, zumindest bekommt man diese Definition immer wieder zu hören. Nun,„Interaktivität“ wie sie normalerweise verstanden wird, ist eine Enttäuschung, ein Falsifikat. Wenn Benutzer eine Website erreichen (egal ob es sich um net art handelt oder nicht),wählen sie mit ihren Mausklicks eine der vom Künstler vorgegebenen Routen aus – sie entscheiden lediglich, was sie zuerst ansehen und was später, und das ist noch lange keine Interaktivität. Genauso gut könnte man eine Ausstellung in einem Museum als „interaktiv“ bezeichnen, bloß weil man sich aussuchen kann, in welchem Raum man beginnt und welche Werke man in welcher Reihenfolge wie intensiv betrachtet.
Allerdings hat sich in letzter Zeit etwas verändert und 0100101110101101.ORG versucht zu zeigen, dass Kunst im Web tatsächlich „interaktiv“ werden kann: Das Publikum muss Kunst interaktiv benützen; wir müssen ein Kunstwerk auf unvorhersehbare Weise verwenden – auf eine, die der Künstler nicht vor- (her)gesehen hat –, um es aus seiner normalen Routine zu erretten (sei es Studio / Galerie / Museum oder Homepage / hell.com /Moma) und um es auf neuartige, andere Weise zu nutzen. Die ersten bei 0100101110101101.ORG aufgetauchten Dateien waren sozusagen Hybride – Seiten anderer Netzkünstler, die auf zufällige Weise gemixt wurden. Dieser Teil unserer Website dreht sich um ein Konzept des Zufalls, sodass das Interface sich bei jedem Besuch ändert. Die Werkzeugleiste wird unnütz, die Rücktaste verliert ihre logische Funktion: Jede Seite steht in der unvorhersehbaren Sequenz des Zufalls. 0100101110101101.ORG lädt die Websites der bekanntesten Netzkünstler herunter und manipuliert sie nach Lust und Laune – eine interaktive Anwendung. In der Nacht zum 9. Juni war Art.Teleportacia an der Reihe: die erste Netzwerkgalerie, die im Web aufgetaucht ist, und der erste Versuch, Netzkunstwerke zu verkaufen. Die Ausstellung hieß „Miniatures of the heroic period“ und bestand aus Seiten mit Arbeiten von fünf der bekanntesten Netzwerkkünstler der Welt, die um jeweils 2000 Dollar zu haben waren. 0100101110101101.ORG hat die Galerie heruntergeladen, den Inhalt manipuliert und in einer „Anticopyright“- Version wieder hochgeladen – offensichtlich ohne jemanden zu fragen und unter flagranter Verletzung des Copyrights der Ursprungssite. Der Ausstellungsname änderte sich zu „Hybrids of the heroic period“ und die fünf „Original“ - Werke wurden durch ebenso viele Hybriden ersetzt, die durch die Mischung von Seiten der Webkünstler mit zufälligem Schrott aus dem Netz entstanden sind. Art.Teleportacia geht im Wesentlichen von drei Prinzipien aus: 1. Ein Netz-Kunstwerk kann verkauft werden wie jedes andere auch. – 2. Jedes Netzkunstwerk wird durch Copyright geschützt und niemand außer dem Künstler selbst kann es ohne Zustimmung des Autors herunterladen oder sich dort hinlinken. 3. Die „Signatur“ eines Netzkunstwerks liegt einzig im Location Bar, d. h. die URL ist die einzige Garantie für Originalität.
Durch die Duplizierung von Art.Teleportacia hat 0100101110101101.ORG all die Annahmen der Galerie widerlegt und die darin liegenden Widersprüche offensichtlich gemacht: Technisch gesehen lädt jeder Besucher mit einer Site ganz automatisch den gesamten Inhalt, den er sieht, in den Cache-Speicher herunter. Kurzum, er hat ihn schon in seinem Besitz, und deshalb ist es unsinnig, Seiten zu verkaufen, die bereits auf der Festplatte von Millionen Leuten gespeichert sind – vernünftiger wäre es, dem Publikum den schnellsten Weg zum Downloaden zu zeigen. Aus: Rhizome, Juni 99 http://www.rhizome.org/cgi/to.cgi?t=1486
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