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Prix1999
Prix 1987 - 2007

 
 
Veranstalter:
ORF Oberösterreich
 


ANERKENNUNG
The Shredder
Mark Napier


The Shredder dematerialisiert das Web. Als Browser getarnt fordert er den User auf, eine URL einzugeben, und eignet sich die zugehörige Website als Rohmaterial für seinen eigenen fragmentierten Output an. Auf diese Weise legt er die Empfindlichkeit eines Mediums dar, das auf Software-Anweisungen zur Schaffung eines scheinbar konsistenten Environments beruht. Als gefräßiges öffentliches Kunstwerk ernährt sich der Shredder vom Web, um seine eigenen ästhetischen Anliegen zu propagieren.

Das Projekt untersucht das Web als Kunstmedium. Dieses Medium ist als solches objektlos, und dennoch arbeitet viel der dahinterliegenden Technologie daran, das Vertraute nachzubilden, ein konsistentes „Look-and-Feel“ zu erzeugen, ein Raum- und Ortsgefühl zu vermitteln. Wir „navigieren“ durch das Web. Kunst im Web existiert häufig als ein Objekt innerhalb der Umgebung des Web – als spezifische Website, klar definiert und begrenzt innerhalb eines größeren Raumes.

Der Shredder dematerialisiert die Kunst, nicht nur weil er ein digitales Werk ohne physische Komponente ist, sondern weil der Shredder eine Aktivität ist, kein Ding. Er ist das, was man jemand anderem antut. Er ist nicht lokalisierbar, nicht deterministisch – ein umherstreifendes, mobiles Kunstwerk. In sich selbst ist er inhaltslos und präsentiert sich mit einem leeren Bildschirm. Erst durch seine Mitwirkung schafft und vervollständigt der Benutzer das Kunstwerk.

Indem er shreddert, was nicht materiell ist, wendet der Shredder eine bekannte Aktion aus der „realen“ Welt auf ein Medium an, das mit dem Bekannten bricht. Die sich ergebende Kollision der Gefühle legt die Zerbrechlichkeit der Welt der Webseiten dar, in denen Inhalt nur eine Fiktion der Rendering Engine des Browsers ist, eine Fiktion, die durch einfache Änderung nur weniger Regeln radikal verändert werden kann. Hier treffen die menschlichen Bewohner des Net auf das digitale Interface, hier versuchen sie, die bequemen und vertrauten Nuancen der physischen Welt nachzubauen. Der Shredder drängt sich in dieses Medium hinein wie eine Droge, die die Funktion der Synapsen behindert, und transformiert die durch ihn hindurchgehenden Signale, um eine halluzinatorische Welt zu schaffen – ein Web, das parallel zum echten Web läuft und doch genauso real ist wie jenes.

Der Shredder eignet sich das Design, Grafiken und Texte als Input für seine eigenen ästhetischen Algorithmen an. Er führt eine „Umwidmung“ der ästhetischen Aussagen und der kommunikativen Mitteilungen anderer durch. Als maschinengesteuerte Ästhetik untersucht der Shredder die Rohdaten des einkommenden HTML, analysiert es auf Struktur und Attribute hin und wendet eine Serie von Regeln auf die Rohdaten an, um eine Seite als Output zu liefern, die trotz allem völlig funktional ist: Links können angeklickt werden, um unbegrenzt durch das geshredderte Web zu browsen ...

Der in Perl und Javascript geschriebene Shredder ist kein Browser, sondern ein Filter (ein CGI-Script), der über eine Webseite angesprochen wird, die ein Browser-Interface imitiert. Sein Zweck ist nicht, den Browser zu ersetzen, sondern ihn von innen heraus neu zu erfinden. Wichtig ist, daß das Projekt frei zugänglich ist, es ist öffentlich im technischen Sinne. Es werden keine Plug-Ins benötigt, es gibt nichts herunterzuladen, und der Shredder arbeitet mit Internet-Explorer ebenso wie mit Netscape. Wer einen Browser hat, kann das Web shreddern.