AUSZEICHNUNG
Digitaline
Bériou
In Bérious Computeranimation "Digitaline" erzeugen wirklichkeitsgetreue Finger durch absolut irreale Verformungen eine verblüffende Bilderwelt.
Wie es Dr. Bériou bereits im ersten Bild seines Films ankündigt, ist Digitalis ein gefährliches Herzmittel. Aus der pharmakologischen Untersuchung geht hervor, daß sich Digitalis vorzugsweise im Herzmuskel ansammelt und daß seine Wirkung mehrere Tage anhält ...
Der Fingerhut, aus dem diese Substanz gewonnen wird, ist eine ausdauernde Pflanze, die auf siliziumhältigen Böden wächst. Sie verdankt ihren Namen der Form ihrer Blüte, die an einen Finger erinnert. Halten wir uns außerdem vor Augen, daß die elektronischen Komponenten, die das Herz der Computertechnologie ausmachen, ebenfalls aus Silizium entstanden. Vielleicht ist das der Grund, warum wir - ein atemberaubender Gedankensprung - von digitallsierten Bildern sprechen.
Es ist sehr gut möglich, daß Bériou genau diesen Weg eingeschlagenhat, um von den Kieselsteinbrüchen zu synthetischen Bildern überzugehen. "Digitaline" ("Digitalis") muß daher als Beschreibung des Weges verstanden werden, der aus diesem geheimnisvollen Steinbrucharbeiter einen Autor gemacht hat, der in dieser noch stammelnden Welt der synthetischen Bilder für radikale Neuerungen steht. Als solches ist Digitaline' sowohl Öffnung als auch Schlüssel zum gesamten Weg von Bériou.
Aber der Weg, den Bériou allen anderen vorzieht, ist das Labyrinth. Das Labyrinth ist die symbolische Figur in der existenziellen Suche, und der Finger steht für das blinde und tastende Interface, das die Welt entdeckt, erforscht und erfindet. Niemand wird bestreiten, daß die fünf Abschnitte von "Digitaline" an die fünf Finger dieser forschenden Hand erinnern.
Der erste Abschnitt illustriert die grundlegende und diskret erigible Spannung im anfänglichen Jubel. Die zweite Phase zeichnet die fiebrigen Windungen der Hand auf der Wand des Labyrinthes und die komplizenhafte Andersartigkeit ihres Kontaktes.
Die Phase der Krämpfe erinnert unweigerlich an den löchernden Bohrer und an die Vorstellung, daß er sich in der Form der erforschten Welt symmetrisch widerspiegelt. Die dargestellte Doppelschraube bezieht sich auf die Doppelhelix, die das menschliche Genom bildet.
Der vierte Teil veranschaulicht den Traum des Ikarus, die Erhöhung des Geistes und die halluzinierte Vision der Osmose. Die Legende besagt, daß er da die mythische Schlange, die die Mäander des Labyrinthes bewohnt, gesehen hätte.
Als Abschluß bleibt nichts als die ringförmige Auflösung und dersymbolische Fall, um daran zu erinnern, daß der Flug nur eine erhabene Vision war, von der Bériou ausgehen kann, um sein zukünftiges Werk ganz und gar zu umschlingen.
Von Erzählungen über unterirdische Erkundungen hin zu Bildern imaginärer Insekten, von Körperlabyrinthen hin zu rahmensprengenden, kraftvollen Zeichnungen, wird das Werk des Bériou nun den vorhersehbaren Abhang unmöglicher Metamorphosen, unbewußte Polaroids und vielgestaltige Erscheinungen hinunterwanken.Gegenwärtig arbeitet er an einem weiteren Film, für den er mit der gleichen Hartnäckigkeit wie früher in den Wänden seinesGedächtnisses gräbt.
(Bériou, Pseudonym)
Technischer Hintergrund
HW: Apollo
SW: SV 4 (Synthetic Video)
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