AUSZEICHNUNG
Quarxs
Maurice Benayoun
Wenn Sie "Quarxs" von Maurice Benayoun anschauen, müssen Sie sich immer wieder daran erinnern, dass diese Quarks pseudo-real und pseudo-wissenschaftlich sind. Die Szenen sind so perfekt animiert, dass Sie vergessen, dass es sich um einen künstlichen Film in einem virtuellen Kontext handelt.
Am Anfang hat sich Gott geirrt!
Das war der Ausgangspunkt für QUARXS: Die Idee, daß das Computerzeichnen Mittel in die Hände des Menschen legte, die es ihnen ermöglicht, sich eine viel bessere oderviel schlechtere - auf jeden Fall andere - Welt vorzustellen. Eine Welt, für die die großen Prinzipien der Physik, der Biologie, der Optik sich verhöhnt, verneint, in ihr Gegenteil verkehrt finden. Und wenn diese Welt, die dem widerspricht, was die Wissenschaft und die Erfahrung uns lehren, mit der unseren zusammenstoßen würde? Wenn diese Wesen, die sich entwickeln, wachsen und sich kraft dieser paradoxen Gesetze vermehrten, sich mit unserem alltäglichsten, banalsten Umfeld konfrontiert fänden? Dann würden sie dazu gebracht werden, Erklärungen zu liefern für eine große Anzahl jener Vorfälle, die unser Leben säumen, und jener kleinen Zwischenfälle, die manchmal unerklärt bleiben; dann müßten sie jene Vorkommnisse erklären, die keinerlei völlig rationale Erklärung verdienen, und auch jene Phänomene, die dabei gewinnen, wenn man sie neu interpretiert.
Dieses Wieder-Lesen der Welt spürt die Eindeutigkeiten auf und ruft manchmal ebenso existentielle wie belanglose Interpretationen hervor. Die treibenden Kräfte, die das Benehmen der "Quarxs" lenken, sind trotz allem diejenigen, die auch das Lebendige lenken. Wie sich ernähren, sich vermehren, vor den Verfolgern verstecken (dem Menschen, dem Wissenschafter?), um letztlich unterzugehen? Vielleicht ist dieser Untergang gar nicht endgültig, denn hier (wie anderswo) ist keine Wahrheit endgültig. Das ist vielleicht ein Zugeständnis, das man den Gesetzen des Genre machen muß.
Inzwischen sind sie aber da! Bis jetzt haben wir gut auch ohne sie gelebt, sie könnten uns jedoch helfen, eine oftmals zu absurde Welt zu ertragen, indem sie uns vollkommen unzufriedenstellende Nicht-Erklärungen vorschlagen. Der Realismus des Bildes verstärkt noch zusätzlich die Pseudo-Glaubwürdigkeit der Demonstration und der Beobachtung. Das Dekor stellt die beunruhigende Wunderlichkeit her, die dem Phantastischen so lieb ist.
Aber hier keine Angst! Der Zuschauer fällt auf die Täuschung nur herein, weil er diese neue Übereinkunft, die Darstellung betreffend, akzeptiert, die das Computerbild auf halbem Weg zwischen dem photographischen Bild (dem des Kinos und des Videos) und der traditionellen Zeichentrickfilmtechnik situiert. Hier handelt es sich nicht um eine Welt des Cartoons. Niemals werden die Quarxs ein menschenähnliches Benehmen haben, auch nicht ein karikaturenhaftes. Sie behalten vom Menschen nur jene Grundmotivationen, die ihn dem Tierreich annähern.
Die "Quarxs" sind aus dem Wunsch heraus entstanden, ein Programm zu gestalten, dessen Personen direkt der Funktionalitätdes 3DComputerbildes entsprungen sind. Der "Elastofragmentoplast" und der "Spatio Striata", zum Beispiel, führen häufig binäre Rechenvorgänge (Schnittpunkt des Volumens) aus, ebenso benutzt der "Polymorpho Proximens" synthetische Interpolationen (Verwandlung eines Objektes in ein anderes), um sich zu verstecken, und der "Mnemochrom", ein Bakterium mit hoch entwickeltem Sozialleben, scannt die Bilder der Meister, Punkt für Punkt, Zelle für Zelle, nach Art der Elektronenbündel, die den Video- oder den Computerschirm abtasten.
Können sich Computerwesen wie andere Wesen bewegen?
Nach dem traditionellen Ansatz entsteht die Animation der Person aus der Beobachtung von echten Bewegungen. Ich beobachte ein im Zeitraffer gefilmtes Tier, ich leite davon Animationsphasen ab, die ich verändere, um deren expressiven Charakter zu verstärken und ihre Lesbarkeit zu verbessern. Die Animationschlüssel werdenanschließend benutzt, um Bild für Bild eine typische Tierbewegung zu simulieren.
Für die Schaffung von einigen 'Quarxs' haben wir den Prozeß verändert, um ihren besonderen Charaker zu berücksichtigen. Die so geschaffene Animation entsteht nicht durch die Beobachtung der Wirklichkeit, sondern durch die Anwendung von EDV-Prozessen. Beim Beispiel des 'Spatio Striata' bildet man einen Torus (einen Schwimmreifen ... ), man multipliziert ihn, um eine Serie von aneinandergereihten, regelmäßig verschobenen Tori zu bilden. Das Ganze gleicht also einem kannelierten Rohr ... jeder Torus wird dann mit einer vollkommen regelmäßigen Rotationsbewegung versehen (360° pro Sekunde zum Beispiel).
Das anfängliche 'Rohr' scheint sich dann auf zyklische Art zusammenzuziehen (die Ringe machen abwechselnd horizontale und vertikale Phasen durch). Aber wenn man eine regelmäßige Zeitverschiebung indie Drehung von einem Ring zum folgenden einführt, erhält man eineWellenbewegung, die der eines Regenwurms täuschendähnelt, obwohl wir nie den Umriß seiner Fortbewegung nachgemacht haben. Wir haben ganz einfach auf experimentelle Art die Fortbewegungslogik nachgebildet. Hier ist es die Bewegung, die Form schafft!
Man kann nicht sagen, daß solche Prozesse in der traditionellen Zeichentrickfilmtechnik nicht auswertbar wären, aber sie eignen sich besonders gut für die numerische Animation.
Technischer Hintergrund
20.33 min
HW: SGI
SW: Softimage
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