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Prix1996
Prix 1987 - 2007

 
 
Veranstalter:
ORF Oberösterreich
 


GOLDENE NICA
Toy Story
Ralph Eggleston, John Lasseter , Lee Unkrich


"Toy Story" von John Lasseter / Pixar ist der erste abendfüllende Spielfilm, der ausschließlich im Computer hergestellt wurde - und der damit endgültig 3D-Animation als Werkzeug in der Filmproduktion etabliert hat.

"In die Unendlichkeit und noch weiter" - dorthin dringen Walt Disney Pictures und die nordkalifornischen Computergrafik-Spezialisten von den Pixar Animation Studios vor, die mit "Toy Story" die Kunst der Animation in bislang ungekannte Dimensionen tragen: "Toy Story" ist der erste Animationsfilm in Spielfilmlänge, der von den Kreativen nicht auf dem Zeichenbrett, sondern komplett im Computer geschaffen wurde. Vier Jahre dauerte es, bis die Abenteuer von Woody und Buzz in Bild und Ton fertiggestellt waren.

Die Genesis der Figuren.

Wenn man die Produktion eines computeranimierten Trickfilms mit der eines Spielfilms mit echten Schauspielern vergleichen wollte, könnte man die Computertechniker mit dem Team am Set und die Animatoren mit den Schauspielern gleichsetzen. Ich definiere die Animation einer Figur so, daß man diese Figur denken muß", sagt Lasseter. Jede einzelne Bewegung oder Gefühlsregung, die diese Figur macht, sollte so aussehen, als entstamme sie der Gedankenwelt des Animators selbst."

Sobald die Story geschrieben und in einzelne Sequenzen untergliedert ist, sobald die Kameras laufen und die Klappe gefallen ist, ist es die Aufgabe des Animators, den Figuren Leben einzuhauchen. Mimik und Bewegungen der Charaktere werden über Tastendruck gesteuert, durch sogenannte Avars" (Articulated Variables),die, vergleichbar den Schnüren an einer Marionette, in die Modellformeneingearbeitet sind. Dadurch kann der Animator bestimmte Gesten oder Bewegungen wie das Hochziehen einer Augenbraue oder das Verziehen der Mundwinkel isoliert bestimmen, und der Computer setzt das Ganze dann in Beziehung zum Rest des Gesichtes oder Körpers. Woody zum Beispiel erhielt von Bill Reeves, dem technischen Leiter, über 700 solcher Kontrollfunktionen, allein 212 davon für sein Gesicht.

Das Programm, das Pixar eigens für die Computeranimation entwickelt und während der vergangenen neun Jahreständig verbessert und umgeschrieben hat, nennt sich Menv" (Modeling Environment). Es erlaubt den Animatoren, eingescannte Zeichnungen dreidimensional aufzubauen und innerhalb dieser virtuellen Modelle bestimmte Teile mit den Avars zu bewegen. Das Menv-Programm und ein weiteres, seinerzeit von Pixars Programmierern geschriebenes 3D-System namens RenderMan" (das die vollständige Information einer digitalen Szenerie zu einem perfekten dreidimensionalen Bild unter Berücksichtigung von Licht, Oberflächenstruktur und Farbschattierungen montiert) liefen auf den von Pixar entwickelten und produzierten PIC-Rechnern (Pixar Image Computer).

Im Gegensatz zu traditionellen Arbeitsweise bei Disney, wo jeder Zeichner für eine Figur zuständig ist, arbeiten die "Toy Story"-Animatoren auch an allen Charakteren gemeinsam, wobei sie jeweils komplette Sequenzen von drei bis sieben Sekunden Länge fertigstellten. Täglich wurden die Ergebnisse dem ganzen Team vorgeführt, jeder konnte so seine Arbeit im Gesamtzusammenhangsehen und sich mit Kritik und Verbesserungsvorschlägen einbringen. Bei Buzz wiederum mußten die Animatoren auf andere Bewegungsabläufe achten, denn schließlich ist er aus Plastik und sollte sich deshalb steif und methodisch bewegen. Der Computer-Modellbauspezialist Eben Ostby baute an die 800Animationskontrollen in den Space Ranger ein.

Eine der aufwendigsten und schwierigsten, aber auch lohnenswertesten Sequenzen für die Animatoren war die Erkundungsmission der Green Army Men" auf Andys Geburtstagsparty. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie diese Plastiksoldaten sich mit ihren auf einer kleinen Konsole verschweißten Stiefeln bewegen würden, nagelte Pete Doctor ein Paar alte Joggingschuhe auf einem Sperrholzbrett fest. Er und sein Team wechselten sich anschließend dabei ab, mit der Konstruktion über die Studioflure zu hopsen und die jeweils gewagtesten Schritte zuanalysieren.

Wie man eine Welt der Karikaturen erschafft

Art Director Ralph Eggleston fiel die Aufgabe zu, den Schauplätzen von Toy Story" ein betont realistisches" und glaubwürdiges Aussehen zu geben. Das Ergebnis ist eine von Karikaturen bevölkerte Welt, in der die Figuren selbst künstlich sind, ihre Gestalt und Oberflächenstruktur aber extremrealistisch.

Zu den "Haupt-Drehorten", die Eggleston designte, gehören die beiden unterschiedlichen Welten von Andys und Sids Kinderzimmern, das spacige Interieur des "Pizza Planet" und die mondlichtbeschienene Tankstelle, an der sich Woody und Buzz zusammentun müssen, um zurück zu Andy zu finden. Trotz der hochtechnisierten Produktionsstandards, mit denen Eggleston sichzurecht finden mußte, beeindruckte er Lasseter mit seinem einigartigen Sinn für Farbe und seinem Talent, den designten Oberflächen Tiefe und Gestalt zu verleihen". Nach langen Diskussionen mit dem Regisseur entwarf der Art Director eine Farbpalette für die 28 wichtigsten Sequenzen des Films, auf der er die vorherrschenden Farbschattierungen jeder Szene nach Stimmung und Licht zusammenstellte. Als Inspiration dienten ihm dabei die Gemälde von Maxfield Parrish mit ihren satten Farben und starken Kontrasten.

Andys Kinderzimmer war gedacht als sicherer Heimathafen, eine angenehme und gemütliche Umgebung, in der die Spielzeuge zum Leben erwachen. Alles ist sonnendurchflutet und voll warmer Pastelltöne, und auch die blaue Tapete mit ihren weißen Wölkchen vermittelt ein Gefühl von Weite. Sids Zimmer dagegen ist eine schreckliche Folterkammer für Spielzeuge, in der Hardrock-Poster im Schwarzlicht an den Wänden glühen und das Bett mitrostigem Stacheldraht umwickelt ist und keine gemütlichen Decken oder Laken hat. Das einzige Licht kommt von einer nackten Glühbirne, die über Sids Werkbank hängt.

Augenmerk gilt auch den Details: Die Türleiste wurde mit Staubflocken geschmückt, der Fußboden in Andys Zimmer hat schonein paar Kratzer und Schrammen vom Spielen, und in Sids Zimmer steht eine Kommodevoller Schmutzwäsche. Wegen der organischen Beschaffenheit von Haaren, Haut und Kleidung gehören menschliche Figuren zu den Dingen, die am allerschwierigsten im Computer zu erzeugen sind.

Die menschliche Haut weist eine der komplexesten Oberflächenstrukturen überhaupt auf. Um ein einigermaßen natürliches Aussehen hinzukriegen, müssen bis zu zehn verschiedene Programme, die jeweils eine bestimmte Oberflächeneigenschaft simulieren, übereinander gelegt werden. Erst so können Details wie Sommersprossen, Härchen, Fettglanz, Falten oder Erröten geschaffen werden.

Die gigantische Pipeline.

Jedes Wesen, jedes Spielzeug, Accessoire und jede Landschaft von "Toy Story" existiert ausschließlich in einem virtuellen Raum. Absolut alles. Es ist eine Welt, die nie jemand anfassen oder direkt wird sehen können. Vom heftigen Gewittersturm über den bezaubernden Sonnenuntergang, vom einzelnen Grashalm bis zu den 1,2 Millionen Blättern an den Bäumen in Andys Viertel, von den Telegrafenmasten und Kieswegen bis zum Flackern eines brennenden Streichholzes – künstliche Bilder. Dabei ist der Prozeß der Computeranimation von dem der klassischen Zeichentrickproduktion gar nicht so verschieden, und doch ist er gleichzeitigvöllig anders. Zehn Stadien durchläuft jedes Bild, ähnlich wie beim Zeichen- oder Stop-Motion-Animations-Trick: Storyboards, Szenenschnitt, Produktionsdesign, Modellieren, Layout, Animation, Shading, Ausleuchtung, Rendering und Filmaufnahme.

Wie bei jedem anderen Animationsfilm auch fangen die Künstler mit handgezeichneten Storyboards an, die dann zu Handlungssequenzen zusammengestellt werden. Die Arbeitstexte oder die bereits fertigen Dialoge der Sprecher werden jeweils in die Bilder hineingeschrieben. Diese Handlungssequenzen entwickeln sich dann nach und nach in ein Patchwork von Storyboards, einzelngezeichneten Details und Bewegungsfolgen, teilanimierten Computerdateien bis hinzu fertig aufgebauten Bildern. Nachdem die meiste Arbeit bei Pixar digital auf verschiedenen Rechnern getan wird, war Video für die beiden Cutter Robert Gordan und Lee Unkrich das hilfreichste Medium in diesem Stadium: Video läßt sich problemlos auf dem Bildschirm abrufen, einzelne Bilder können "eingefroren" und bearbeitet werden. Sämtliche animierten Objekte und Figuren werden im Computer dreidimensional modelliert, um einvollständiges 3D-Bild ihrer Oberfläche zu erhalten.

Dabei geht der Computer in ähnlichen Schritten vor wie ein klassischer Modellbauer: Von der eingescannten Zeichnung wird zunächst ein 3D-Gerüst – nicht unähnlich einem Knochenskelett - entworfen, das anschließend mit Haut" überzogen wird. Insgesamt wurden auf diese Art und Weise für "Toy Story" an die 2.000 Modelle hergestellt. Schauplätze (Zimmer, Hallen, Straßen etc.) und Möbel oder andere Einrichtungsgegenstände wurden mit computergestützten Design-Programmen modelliert. Diese Modell-Pakete", vergleichbar vielleicht mit den Blaupausen eines Architekten, setzen Größe und Beschaffenheit jedes Gegenstandes in Beziehung zu allem anderen in dieser künstlichgeschaffenen Welt.

Die Layouter sind als nächstes für die cinematografische Auflösung einer Szene und für Kamerabewegung verantwortlich. Sie erwiesen dem traditionellen Kino ihre Referenz, indem sie bewußt Einstellungen von Regisseuren übernahmen und ihre Kameras dann nach diesen tauften. Wenn die Animatoren schließlich eine Szene aus der Layout-Abteilung bekommen, sind die Umrisse der Charaktere meist aus groben Polygon Shapes ("Polys") oder von gerüstartigen Figuren angedeutet. Diese vereinfachte Darstellung erlaubt dem Computer ein wesentlich schnelleres Arbeiten, als wenn er jedesmal das komplette 3D-Bild aufbauen müßte,und die Animatoren können sich rein auf das Schauspielen" der Figurenkonzentrieren. Sobald eine Szene animiert ist, bekommt sie Tiefenschärfe, Ausleuchtung und schließlich die komplette Colorierung mit den Schatten und all den phantastischen Lichteffekten. Shaders sind mathematische Programme, durch die der Computer Oberflächenstrukturen bestimmen kann. Viele der verwendeten Oberflächen sind nicht im Computer direkt entstanden, sondern über gescannte Fotos oder Bilder. Der Überwurf auf Andys Bett zum Beispiel ist nach einem echten Stück Stoff designt, das eingescannt wurde. Und der Teppich im Flur von Sids Haus wurde direkt aus Stanley Kubricks Thriller "The Shining" herausgenommen. Jedes einzelne dieser Bilder wurde als eigene Oberflächen-Datei bearbeitet.

Insgesamt gab es bei "Toy Story" über 2.000 solcher Dateien. Die dramatischsten visuellen Effekte erhält eine Szene dann bei der Ausleuchtung, dem letzten Prozeß der Computergrafik. Hier entwirft die Beleuchter-Crew" die entsprechende Stimmung durch Verwendung jeder denkbaren Lichtquelle, die auch ein normales Drehteam benutzen würde - inklusive einer virtuellen Sonne und eines virtuellen Mondes. Den Vorgang, bei dem die letzten Details und Farbtupfer eines Bildes dreidimensional aufgebaut werden, nennt man Rendering. Dabei werden Informationen jedes einzelnen Bildbestandteils gesammelt und zusammengefügt. Der Computer stellt ein 3D-Bild zusammen, indem er zunächst sämtliche verfügbaren Informationen über die Umrisse aller vorkommenden Objekte(Modelle), ihre Positionen (Animation), ihrer Oberflächenstrukturen (Shader)und ihrer Ausleuchtung sammelt und grafisch umsetzt. Dann streicht er wie mit einem großen Pinsel über das Bild und verleiht jedem Pixel von jedem sichtbaren Objekt seine Farbe. Für das Rendering des fertigen Films liefen die Computer bei Pixar (Sun SPARCsation-Rechner) insgesamt über 800.000 Arbeitsstunden rund um die Uhr in einem eigenen Raum, der den Spitznamen "Sun Farm" trug. Der letzte Arbeitsschritt der Produktion besteht schließlich im Überspielen der fertigen Bilder auf Filmmaterial.