www.aec.at  
 
 
 

Back to:
vorherige Seite

Prix1998
Prix 1987 - 2007

 
 
Veranstalter:
ORF Oberösterreich
 


AUSZEICHNUNG
Landscape
Tamás Waliczky


Tamas Walicky's Arbeit "Landscape" ist die konsequente Fortsetzung seiner früheren Arbeiten, in denen er die Grenzen von Zeit und Raum auslotet. "Landscape" ist ein 3D-Raum, der LIve-Action-Film und computergenerierte Bilder vom Regen kombiniert und eine poetische Sicht einer eingefrorenen Winterlandschaft schafft.

Die Grundidee zur Visualisierung der Zeit als "eingefroren" kam mir etwa 1994, kurz nach der Fertigstellung von The Forest, meiner Computeranimation über einen endlosen Wald.

Damals habe ich mehrere Minuten einer computergenerierten Winterlandschaft gerendert und aufgezeichnet, mit Tausenden von Schneeflocken, die alle fest im Raum verankert waren. Ich wollte ein Gitter aus Naturelementen schaffen (es fasziniert mich immer, die künstliche Logik der Mathematik mit den unberechenbaren Formen der Natur zu mischen). Die Illusion der Wahrnehmung war interessant: Statt fallende Schneeflocken zu animieren, wollte ich Bewegung als das Ergebnis eines bewegten Blickpunktes in der unbewegten Umgebung darstellen.

Das damalige Ergebnis befriedigte mich allerdings nicht, und die Animation wurde deswegen auch ad acta gelegt. Aber die oben beschriebenen Gedanken wurden drei Jahre später die Grundlage für Landscape.

Anfang 1996 lud mich der Komponist Mesias Maiguashca ein, an der Produktion seiner neuen Oper The Enemies mitzuwirken. Das Libretto basiert auf der Kurzgeschichte Das geheime Wunder von J.L. Borges.

Wie ich sie verstanden habe, geht es dabei hauptsächlich um die Wahrnehmung der Zeit. Borges leitet sie mit einem Zitat aus dem Koran ein: "Und Gott ließ ihn hundert Jahre lang tot sein, dann erweckte Er ihn und fragte: 'Wie lange warst Du dort?' 'Einen Tag oder den Teil eines Tages', antwortete er." In The Enemies soll ein Verurteilter erschossen werden, aber im letzten Augenblick erfüllt ihm Gott den Wunsch: Das Geschoß bleibt in der Luft stehen, jeder Moment bleibt unvollendet, bis der Mann sein letztes Drama fertiggestellt hat. War es nur eine Illusion, die Folge der schrecklichen Angst, die die Millisekunden bis zum Aufschlag des Projektils unendlich lang werden ließen, oder war es ein wirkliches Wunder?

Die Erzählung liefert keine Antwort, aber die Herausforderung einer Visualisierung dieser Frage hat mich fasziniert. Mesias Maiguashca bat mich, drei computeranimierte Träume à vier Minuten zu gestalten, und meine erste Reaktion war, die alte Idee der "eingefrorenen Zeit" wieder zu aktivieren.

Da der Gedanke auch Maiguashca gefiel, begann ich sofort zu arbeiten. Damals sind wir von Busenbach (einem kleinen Dorf, in dem ich mit meiner Familie vier Jahre gelebt hatte) nach Karlsruhe gezogen, und diese Übersiedlung gab mir den Gedanken ein, Bilder von Busenbach als Hintergrund zu verwenden.

Einerseits war dies ein Abschiedsgruß an Busenbach (ich finde, daß ein Kunstwerk durch die Einbeziehung solcher emotionaler, persönlicher Ebenen angereichert wird, auch wenn das Publikum davon nichts weiß), andererseits brauchte ich einige leicht verständliche Objekte für meine Animation, eine Kirche, ein Pferd, ein Haus usw.

Ich glaube, wir können ein Wunder nur erkennen, wenn es mit unserem normalen Alltagsleben kollidiert. Das Wunder selbst ist kein Wunder mehr - ein paar Tausend computergenerierte Elemente in einem leeren Raum sind nichts mehr als eine künstliche Konstruktion, und daran war ich nicht interessiert. Und weil aus dem einen oder anderen Grund Busenbach in meiner Erinnerung als ein Ort fortlebt, an dem es fast täglich regnet, habe ich die ursprünglichen Schneeflocken meiner Animation in Regentropfen umgewandelt.

Die Produktion begann mit der Aufnahme von gewöhnlichen Kleinbildern in Busenbach. Zuerst entschied ich, welche Orte ich in der Animation verwenden wollte, und legte für jeden einen einige Meter langen Weg für die Kamerabewegung fest. Dann ging ich diesen Weg entlang und machte jeden Meter ein Foto. Gemeinsam mit meiner Animationsassistentin Christina Zartmann habe ich diese Standbilder dann über Morphing-Techniken in bewegte Bilder umgewandelt: Die Fotos wurden eingescannt, und zwischen die einzelnen Aufnahmen wurden mehrere hundert Morphbilder gelegt. Bei einigen Szenen haben wir auch die Bilder in drei Schichten geteilt, bei der Pferdeszene etwa wurde das Bild in Vordergrund, Pferd und Hintergrund zerlegt und zwischen diesen dreien gemorpht. Dies erlaubte uns, eine bessere 3D-Illusion zu schaffen und die Regentropfen nicht nur an der Oberfläche zu halten, sondern auch zwischen Pferd und Hintergrund ablaufen zu lassen.

Mehrere Leute haben mich gefragt, warum ich nicht einfach traditionelle Film- oder Videotechniken verwende, um diese Hintergrundbewegungen aufzunehmen, sondern statt dessen lieber morphe.

Die Antwort ist einfach: Wenn ich beispielsweise 700 Kader (28 Sekunden) eine lange kontinuierliche Bewegung als Hintergrund aufnehme, habe ich große Probleme, wenn ich die Geschwindigkeit der Bewegung später ändern will, ebenso, wenn sich Ungenauigkeiten in der Aufnahme zeigen und ich sie korrigieren möchte. Und wenn ich das aufgenommene Material in Ebenen zerlegen möchte, muß ich das 700 Mal tun - eine Aufgabe, an die ich lieber nicht denken möchte. Für die gleiche Szene mit 700 Kadern habe ich sieben Fotos gebraucht, der Rest der Bilder wurde im Computer generiert.

Deswegen konnten auch die Bewegung gut kontrolliert und alle Parameter leicht und nach Belieben verändert werden. Sobald die Hintergrundbewegung fertig war, haben wir für unsere virtuelle Kamera eine Kamerafahrt gleicher Länge definiert, wobei wir darauf achteten, daß die gleiche Brennweite und Richtung eingestellt waren wie bei der ursprünglichen Kleinbildkamera.

Dann haben wir ein paar Hunderttausend 3D-Regentropfen generiert und sie nach dem Zufallsprinzip im Raum verteilt. Um des realistischen Effekts willen reflektiert und verzerrt jeder Tropfen das Hintergrundbild und ist auch bis zu einem bestimmten Grad transparent. Natürlich wurde auch die Größe der Tropfen variiert.

Der letzte Schritt war dann das Rendering: Der Computer hat jeden Kader gerendert, den Hintergrund (zumeist also drei Ebenen) zusammen mit den computergenerierten Tropfen berechnet. Die Fertigstellung von Landscape nahm sechs Monate in Anspruch. Unglücklicherweise war die Komposition der Oper noch nicht fertig. Als der Komponist und ich zum ersten Mal die Möglichkeit hatten, die Musik und die Animation gemeinsam zu betrachten, hatte ich jedoch meine Arbeit bereits fast fertig.

Nach mehreren Tests kamen wir gemeinsam zu dem Schluß, daß die Bilder leider nicht gut genug zur Musik paßten. Deswegen mußte ich meinen Plan ändern und eine weitere Animation für The Enemies machen (die Oper hatte im Oktober 1997 bei der Eröffnung des ZKM Karlsruhe Premiere); Landscape wurde als neues, unabhängiges Animationstück fertiggestellt. Der Soundtrack von Landscape wurde von Alex Kammerlocher eingespielt - Bach auf dem Akkordeon. Ich habe ihn das erste Mal in Karlsruhe als Straßenmusikanten gehört, und ich fand den Kontrast zwischen der klassischen Musik und dem doch etwas rustikalen Instrument interessant.

Ich habe ihn ins ZKM-Studio eingeladen, wo wir ein etwa eineinhalbstündiges Konzert von Bach’scher Musik auf dem Akkordeon aufgenommen haben. Einen Ausschnitt davon habe ich für Landscape verwendet.

Konzept: Tamás Waliczky und Anna Szepesi
Regie: Tamás Waliczky
Assistentin der Computeranimation: Christina Zartmann
Assistentin: Manuela Abel
Musik gespielt von: Alex Kammerlocher
Produziert von: ZKM Institut für Bildmedien, Karlsruhe
Copyright: Tamás Waliczky und Anna Szepesi, 1997
Technik: Software: Softimage, Eddie, Photoshop
Hardware: SGI Indigo Elan, Indigo2 Extreme, Abekas Diskus