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Prix1995
Prix 1987 - 2007

 
 
Veranstalter:
ORF Oberösterreich
 


AUSZEICHNUNG
Las Meninas
Michael Tolson


Bei "Las Meninas" von Michael Tolson sollen zwei Beobachtungsstationen zu voyeuristischem Verhalten verleiten. An einem niedrigen Podest kann man mittels Sensor künstliche Lebewesen mit Nahrung versorgen. Das Ergebnis sieht man durch ein Fernglas, das auf ein Spiegelbild des Monitors gerichtet ist.

"Las Meninas" ist ein Stück über Intimität, Beobachtung und die Interaktion des Beobachters mit einem aktiven, lebenden Raum. Es besteht aus zwei Komponenten, die zwei Sichtweisen desselben virtuellen Raumes darstellen. Dieser virtuelle Raum existiert in einem Computer, der ein simuliertes Ökosystem (künstliches Leben) beherbergt. Das System ist von den Wesen bevölkert, die sich darin entwickelt haben. Ihre mitentwickelten, entstehenden Verhaltensweisen, die auch Beiträge der Beobachter miteinschließen, sind ein Abbild der Dynamik des Systems.

Die Dynamik des Systems wird durch den Energiefluß durch das System angetrieben; dieser hat die Form von abstrakter Nahrung, die interaktiv zugeführt werden kann. Unsere Beteiligung an diesem Raum ist gleichzeitig aktiv und voyeuristisch. Unsere Erfahrung des Raums ist verdoppelt, wobei jeder Einblick buchstäblich eine Umkehrung des anderen ist. Dieser verdoppelte Raum ähnelt dem verdoppelten Raum der stereotypischen Portraits der späten Renaissance, in denen sich das Objekt in einem intimen, eingeschlossenen Raum mit einem Fenster im Hintergrund befindet, der sich in eine endlose, projektive Landschaft öffnet. Als Beobachter sind wir an beiden Räumen beteiligt. Die Simulation läuft auf einer Silicon Graphics Workstation. Eine Population mobiler Wesen bewegt sich im Raum umher. Künstliche neurale Netze, die aus genetischen Algorithmen entwickelt wurden, bestimmen die Verhaltensweisen dieser Wesen. Sie fressen und bewegen sich. Ihr Futter wird von den Beobachtern beigesteuert.

Das Video-Output des Systems ist eine stereoskopische Feldfolge (120 Hz). Es gibt zwei Beobachtungsstationen. Die erste hat die Gestalt eines niedrigen Podestes (ca. 1 m). Im Podest befindet sich ein nach oben gerichteter Monitor. Eine stereoskopische Brille (Flüssigkristallverschluß) wird oberhalb vom Monitor fixiert. Somit entsteht ein virtueller Raum zwischen der Monitoroberfläche und der Brille. Außerdem wird ein Polhemus-3D-Sensor, der aufgenommen und innerhalb des Raumes bewegt werden kann, ebenfalls am Podest montiert. Der Beobachter sieht gleichzeitig die Wesen, die sich innerhalb ihrer virtuellen Welt bewegen, und die eigene Hand, die den Sensor hält und ebenfalls in dieser Welt eingetaucht ist. Dieser Sensor bestimmt, wann und wo die Nahrung in die Welt dieser Wesen zugeführt wird.

Der Stereo-Video-Output wird auch an einen zweiten Monitor geschickt, der am gegenüberliegenden Ende des Installationsraumes in einer Ecke an der Decke montiert wird. Diesen Monitor sieht man nur als Spiegelbild in einem in der gegenüberliegenden Ecke montierten Spiegel. Ferngläser, die auf den Spiegel gerichtet und auf den Monitor eingestellt werden, werden auf einem Stativ ungefähr in der Mitte des Raumes montiert. Diese Ferngläser werden speziell präpariert, so daß sie einen Flüssigkristallverschluß enthalten, sie sind somit stereoskopisch. Da der Monitor in einem Spiegel reflektiert wird, ist der Parallax umgekehrt. Somit wird der projektive Raum zu einem Außen- statt zu einem Innenraum, und der Monitor wird zum Fenster und nicht zum Grund eines Teiches. Der Galerieraum ist sonst leer. Ein wichtiges Element des Werkes ist das Unbehagen. Beide Beobachtungsstationen sind so gestaltet, daß man eine leicht unbequeme, für einen Voyeur typische Haltung einnehmen muß. Bei einer Station muß man sich bücken oder hinknien, bei der anderen muß man sich beugen, um durch die Ferngläser schauen zu können. Traditionell versucht virtuelle Wirklichkeit, das kartesianische Auge aus dem Körper zu befreien; es ist das Ziel dieser Installationen, dieses Auge in den Körper zurückzudrängen.

Denkende Haut -­ Neurale Vermittlung der Reaktion-Diffusion

1952 veröffentlichte Alan Turing einen bahnbrechenden und weitreichenden Artikel: "The Chemical Basis of Morphogenesis". In diesem Artikel postulierte er einen Mechanismus für die Generation von Mustern in der embryonischen Haut der Tiere und in anderen generativen Prozessen. Dieser Mechanismus basiert auf "Reaktion-Diffusion" ­ ein gekoppeltes Ensemble von Differentialgleichungen, wovon jede ein nichtlineares Reaktionsglied und ein Diffusionsglied hat. Er postulierte abstrakte chemische Reaktante, die "Morphogene" heißen, die durch ein Medium bei verschiedenen Geschwindigkeiten diffundieren und miteinander interagieren, und er zeigte, wie ein solches Modell die in der Natur gefundenen Muster reproduzieren könnte.

Die "Denkende Haut" ersetzt die expliziten Reaktionsglieder der Gleichungen Turings durch neurale Netze, in denen Inputs und Outputs auf Konzentrationen von abstrakten Reaktanten abgebildet werden, die sich über einem Substrat diffundieren. Diese Netzwerke werden durch die Verwendung von genetischen Algorithmen "gezüchtet". Netzwerke werden in großen, mitentstehenden Populationen von mobilen Wesen gezüchtet, die sich aus abstrakten Reaktanten "ernähren" und diese auch umwandeln, wodurch sie interne Energie sammeln und diese Energie dann in Arbeit transformieren und schließlich wieder als "Nahrung" umgewandelt der Umgebung zurückführen. Während Spezien sich miteinander entwickeln, entstehen Muster makroskopischen Verhaltens aus den mikroskopischen, doch indirekt gekoppelten Verhaltensweisen der einzelnen Organismen. Die Zielrichtung dieser Forschung ist die Entwicklung neuer Techniken zur Generation "reaktiver Oberflächen" und für synthetische Morphogenese oder "A-Form".