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Prix1997
Prix 1987 - 2007

 
 
Veranstalter:
ORF Oberösterreich
 


GOLDENE NICA
Music Plays Images X Images Play Music
Toshio Iwai, Ryuichi Sakamoto


Die Musik-Performance "Music Plays Images X Images Play Music" von Toshio Iwai und Ryuichi Sakamoto steht in der Tradition einer Entwicklung, die auf die Beziehung zwischen Klang und Bild abzielte. In diesem Stück spielen Computergraphiken Klavier und Klaviere malen Computergrafiken.

Die Idee für diese gemeinsame Performance entstand in Zusammenhang mit Toshio Iwais Installation "Piano ­ as image media" am ZKM, Karlsruhe 1995. Das nach Iwais Rückkehr nach Japan und bei einer Begegnung mit Ryuichi Sakamoto konzipierte "Music Plays Images x Images Play Music" ist ein multimediales Konzert, das das System von Iwais Klavierstück verwendet und Sakamotos musikalische Performance in Echtzeit visualisiert. Während eines Jahres stand Iwai, der in Tokyo lebt, in E-Mail-Kontakt mit dem in New York ansässigen Sakamoto. Im Zuge dieser Korrespondenz erweiterte sich ihr Konzept beträchtlich ­ aus der anfänglichen Idee "Sakamoto spielt Iwais Klavier als Bildmedium" wurde eine Performance, die musikalische Klänge auf verschiedenste Art mit visuellen Bildern verknüpft.

Die eigentliche Aufführung fand am 16. Dezember 1996 im Art Tower Mito in Mito City, Japan, statt. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit war weit mehr als eine neuartige Kombination aus Musik und Bild. Viele Elemente ­ die tatsächliche Präsenz von Sakamoto und Iwai; jene Maschine, die man landläufig Klavier nennt; die akustischen Klänge, die damit erzeugt wurden; und die virtuellen Bilder, die aus dem Computer stammten ­ wurden auf mannigfaltige Weise verbunden und entwickelt. Das dabei entstehende Feedback ergab einen völlig neuartigen Raum der Musikalität und Visualität. Darüber hinaus wurde dieses Experiment über das Internet weltweit übertragen ­ der erste Versuch dieser Art, das interaktive Medium Internet in eine solche Aufführung einzubeziehen. Internet-User auf der ganzen Welt konnten via Remote-Control auf dem in Mito stehenden Flügel spielen, während Sakamoto mit ihrem Spiel interagieren konnte.

Die Bühne
Zwei Konzertflügel stehen auf der Bühne, eine semitransparente Leinwand von zehn Metern Breite und acht Metern Höhe hängt über ihnen. Die Deckel der beiden Klaviere sind entfernt, ihr Inneres und die Tastaturen sind hell ausgeleuchtet. Die Projektionsfläche wird mit einem schönen Blauton angestrahlt. Auf jedem Klavier ist eine Schwarz-Weiß-Videokamera montiert, die die Bewegungen der Finger und Tasten aufnimmt. Diese Kameras projizieren vergrößerte Abbildungen der Tastaturen auf Projektionsflächen beiderseits der Klaviere. Mehrere Computer sind auf einem schmalen, langen Tisch auf der rechten Seite der Bühne aufgestellt.

Der Inhalt der Performance
1) Am Anfang erscheint Sakamoto nicht auf der Bühne. In der Stille beginnt das Klavier von selbst, ohne Pianisten, zu spielen. Ein Bild des klavierspielenden Sakamoto erscheint langsam auf der Projektionsfläche seitlich des Klaviers und verschwindet wieder, wenn die Musik endet.

2) Sakamoto tritt auf der linken Seite der Bühne auf. Er spielt dort ein kleines Keyboard, und währenddessen beginnt auch das Klavier zu spielen. Ein schwaches Leuchten geht vom Klavier aus. An einem bestimmten Punkt hört Sakamoto zu spielen auf. Dennoch wird die letzte musikalische Phrase vom Flügel automatisch weitergespielt, bis sie langsam ausblendet.

3) Sakamoto spielt nun direkt auf dem Flügel. Lichtpunkte, die die einzelnen gespielten Note darstellen, steigen aus dem Inneren des Klaviers auf. Das Bild der Note gibt nicht nur ihr Timing wieder, sondern jeden Aspekt der Musik, die Länge des Tons, den Anschlag. Die Darstellung erfolgt so, daß sie für das Auge nachvollziehbar ist.

4) Während Sakamotos Spiel verändert Iwai nach und nach das Bild. Die Lichter, die jeweils einer Note des Stücks entsprechen, werden im Lauf der Zeit auf unterschiedliche Weise verwandelt. Sie steigen auch nicht mehr nur aus dem Klavier auf, sondern verbreiten sich aus der Mitte der Leinwand in alle Richtungen, sie drehen sich in einem Wirbel, um schließlich in einem Strudel zu verschwinden. Die Metamorphose der projizierten Bilder beeinflußt Sakamotos Spiel, der die verschiedenen Transformationen beobachtet.

5) Bildobjekte, bestehend aus 88 Elementen ­ ebensovielen, wie ein Klavier Tasten hat ­, erscheinen in der Mitte der Projektionsfläche. Jedes Element entspricht einer Taste, und die Objekte verändern ihre Form je nach Sakamotos Spiel.

6) Mit einem Mausklick positioniert Iwai Lichtpunkte auf die Projektionswand. Wann immer solche Lichtpunkte auf die Tastatur fallen, spielt der Flügel. Dann springen die Lichtpunkte in ihre Ausgangsposition zurück, von wo sie in fixen Intervallen neuerlich auf die Tastatur "purzeln". Je nachdem, wo die Lichtpunkte postiert sind, ändern sich die Höhe des angeschlagenen Tons und das repetitive Muster. Die Anzahl der Lichtpunkte wird vergrößert, die zurückspringenden Punkte werden nach links und rechts verschoben. Je nachdem wie die Lichtpunkte bewegt werden, verändert sich auch die gesamte musikalische Skala. Aus den Lichtpunkten werden Strahlen und später Polygone.

7) Die Videokamera filmt Sakamotos ganzen Körper. Der Computer setzt das Bild in Echtzeit um, die Silhouette wird in Pixel umgerechnet und auf die Leinwand über dem Klavier projiziert. Wenn Sakamoto sich bewegt und das Abbild seines Körpers sich mit dem Klavier überlappt, beginnt das Klavier zu spielen. Wenn sich Sakamoto zur Kamera hin oder von ihr weg bewegt oder wenn eine Nahaufnahme seiner Hand projiziert wird, ändert sich die Dynamik des Klangs: Das Abbild von Sakamoto und seinen Händen spielt jene Maschine, die man Klavier nennt. Iwai bringt weitere Veränderungen ein, indem er Sakamotots Bild auf der Projektionsfläche dreht, hineinzoomt usw. Mit der Veränderung des Abbilds ändert sich auch der Klang. Sakamoto beobachtet die Veränderungen und bewegt sich weiter vor der Kamera.

8) Ein schachbrettähnliches Muster erscheint auf der Projektionsfläche und beginnt sich zu drehen. Sakamoto und Iwai setzen abwechselnd Lichtpunkte auf dieses Gitter, worauf sich ein kurzes musikalisches Muster ständig wiederholt. Während aus dieser Zusammenarbeit eine Musik entsteht, transponiert Iwai das musikalische Muster, indem er die Oktav wechselt und sowohl Klänge als auch Bilder verändert. Sakamoto seinerseits erzeugt weiter neue Muster. Wenn schließlich genug Klangmaterial als Hintergrund vorhanden ist, improvisiert Sakamoto auf dem Klavier, während Iwai weiter die Hintergrundmusik verändert.

9) Die von Sakamoto gespielte Musik wird in ein Bild umgesetzt, das vom ersten Flügel wegspringt und in einer Parabel auf den zweiten niederfällt. Der zweite Flügel spielt je nachdem, wie dieses Bild auf ihm aufkommt. Das Bild von Sakamoto, der den ersten Flügel spielt, wird mit derselben Zeitverzögerung neben das zweite Klavier projiziert, die durch den Flug der "Ton-Bilder" entsteht. Es sieht so aus, als würden zwei Sakamotos jetzt die zwei Klaviere spielen.

10) Die von Sakamoto gespielte kurze musikalische Phrase und Sakamotos Bild kreisen zwischen den beiden Klavieren hin und her und wiederholen ihre Musik. Sakamoto fügt dieser Schleife immer neue Klänge hinzu. Die sich wiederholenden Bilder und Klänge, die wie ein Wasserfall zwischen den beiden Klavieren hin- und herfließen, überlagern sich langsam und gewinnen so an Komplexität.