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Prix1995
Prix 1987 - 2007

 
 
Veranstalter:
ORF Oberösterreich
 


GOLDENE NICA
Tongues of Fire
Trevor Wishart


"Tongues of Fire" verwendet alle Signalbearbeitungstechniken, die am Computer für Kompositionen zur Verfügung stehen.

"Tongues of Fire" erkundet die Großartigkeit und das Pathos der menschlichen Lage durch das Medium der menschlichen Stimme. Das leicht ärgerliche, unzufriedene, komische Gemurmel, mit dem das Stück beginnt, ist die Quelle aller Klangarten im Stück: Klänge, die auf Trommeln, Wasser, metallischen Widerhall, Feuerwerk oder gänzlich imaginäre Materialien oder Geschehnisse hinweisen mögen. Diese vielen verschiedenen Arten der Klangverwandlung sind ein Schlüsselpunkt des Werkes.




Das Werk gliedert sich in drei Hauptteile. Der erste Teil dauert ungefähr zehn Minuten. Er beginnt mit zwei Motiven des Klangmaterials, aus dem das Gesamtwerk entwickelt wird, und beginnt sofort damit, dieses Klangmaterial schallmäßig zu entwickeln. Er endet mit einer sich langsam granulierenden Stimme, die sich allmählich in das Ticken einer Uhr verwandelt.



Nach einer kurzen Pause wird die Öffnungsphrase wiederholt, die zu einer rhythmischen Variation desselben Materials führt und die Grundlage des zweiten Teils bildet. Der zweite Teil erkundet (unter anderem) humorvolle Glissandoresonanzen und das Zerreißen des dichten Stimmenmaterials in eine wasserähnliche Grundschicht (13.20 bis 14.40 min Bandzeit). Nach einigen maschinenähnlichen Vorgängen wird das Stimmenmaterial schließlich extrem dicht, verwandelt sich in ausladende (gefilterte) Geräuschbänder, die den Übergangsteil zum Höhepunkt des Werkes bilden (ca. 18.00 min Bandzeit).



Hier wird das rhythmische Material stark angestimmt (da es durch eine Kombination von Filterbanken gefiltert wird) und leitet über zu den "Feuerwerk"- Verwandlungen, die den dritten Teil, die Coda des Werkes, beginnen, wobei Fragmente des vorhergehenden Materials vor der Wiederholung des Themas im letzten Moment des Stückes zusammengefaßt werden.



"Tongues of Fire" versucht, das große Angebot an Signalbearbeitungstechniken vorzuführen, die einem am Computer arbeitenden Komponisten zur Verfügung stehen. Deswegen wird fast jeder verfügbare Prozeß irgendwann in diesem Werk angewandt. Ich habe viele der Prozesse, die in diesem Werk verwendet werden, dafür neu erfunden, u. a. "Spectral Tracing" ­ ein Prozeß, in dem der Klang unter Anwendung eines Phase Vocoder nach einer Fourier-Analyse in ein Gitter übertragen wird; der Klang wird dann Gitter für Gitter unter ausschließlicher Verwendung von n-lautesten Komponenten neu aufgebaut, der Prozeß ist an sich zeitveränderlich. Bei "Wave Set Distortion" wird das Signal der Zeitsphäre bei jeder geraden Nullkreuzung in Elemente aufgeteilt, und diese Elemente werden dann unterschiedlich bearbeitet, z. B. wird jedes n-mal wiederholt, um eine ausgeprägte Form des "Time Stretching" zu produzieren, was bestimmte "Beat Streams" innerhalb des Klangs hervorruft; oder n Elemente werden mit einem aus ihrer Zahl ersetzt und gedehnt, um den gesamten Satz von n abzudecken. Die "Feuerwerk"-Verwandlung wird mit diesem Verfahren hergestellt.



Ein weiterer Prozeß, der verwendet wird, doch weniger radikal, ist "Sound Shredding", eine Technik, die sich auf Brassage bezieht. In diesem Prozeß wird eine bestimmte Länge des Klangs in beliebig lange Segmente aufgeschnitten, die nach Zufall neu geordnet werden, und dieser Prozeß wird dann vielfach wiederholt. Die progressive Anwendung dieses Prozesses hört man in der Verwandlung der Stimmen zu etwas Wasserähnlichem, vergleichbar dem Teil von 13.20 bis 14.40 min Bandzeit.