"Futaie" von Régis Renouard Larivière - ein Werk für Lautsprecherensemble - stellt die herkömmlichen Vorstellungen vom Ablauf musikalischer Zeit in Frage und lenkt die Aufmerksamkeit auf die besondere zeitliche Dramaturgie.

Die Art und Weise, wie sich das Stück "Futaie" - auf deutsch "Hochwald" - über einen Zeitraum erstreckt wie ein langer, langsamer, auf seine Zeichensetzung zusammengestrichener Satz, hat mehr mit der Zeitfolge einer Beschreibung zu tun als mit der Beschreibung eines bestimmten Gegenstandes. Man wird dort kaum bildliche Darstellungen von Baumgruppen, Häschen oder Ähnlichem vorfinden ... Gleichmäßige Farbtöne stehen sich in bewegungsloser Anhäufung einerseits, in sinn- und zwecklosem Blitzen andererseits, gegenüber.

"Futaie" ist ein erweiterter, ausgedehnter Augenblick und versucht, durch das der Musik inhärente Mittel der Zeitfolge ein Gefühl der Simultaneität zu erzeugen, ein Gefühl "gemeinsamer Gegenwart" ("Commune presence" - R. Char) der Dinge. Jene erscheinen sowohl in ihren individuellen als auch in den ihnen gemeinsamen Zeitfolgen, so wie die einzelnen Bäume miteinander einen Hochwald bilden. Es ist wie ein aufgesplitterter Augenblick, dessen Einzelteile nacheinander vorgestellt werden.

"Futaie" kann auch wie Zeremonialmusik gehört werden; es geht um eine kultlose Zeremonie, gleich einer langsamen ausgedehnten Tonschleife. Meine Hauptsorge in diesem wie auch in meinem vorigen Stück, "Bromios", gilt der die Musik umgebenden und sie durchlaufenden Stille, jener Stille, welche die Musik sowohl bedroht als auch hervorruft. Hier wie dort ist mein Hauptanliegen das plötzliche Auftauchen und die Stille. Möglicherweise kommt die elektroakustische Musik diesem Anliegen besonders nahe, da in ihr die Klangtöne von ihrer Ursache losgelöst und von ihrer Herkunft befreit erarbeitet werden.

"Futaie" wurde in den Tonstudios der Groupe de Recherches Musicals (GRM) nach einer langen Vorbereitungszeit innerhalb einiger Wochen, zwischen Juli 1995 und Januar 1996, komponiert.