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Prix1997
Prix 1987 - 2007

 
 
Veranstalter:
ORF Oberösterreich
 


AUSZEICHNUNG
Unsound Objects



Eines der Hauptkriterien in Pierre Schaeffers Definition des "Klangobjekts" ist, daß der Hörer durch einen Prozeß des "reduzierten Hörens" das Klangmaterial ausschließlich als Klang aufnehmen soll, ohne irgendeine Assoziation mit dessen physischen Ursprung ­ mit anderen Worten: Was an einem aufgezeichneten Violinton von Bedeutung ist, ist der besondere Klang, seine Einzigartigkeit und nicht seine "Violinhaftigkeit". Trotz dieser Idealvorstellung wurde seit den 50er Jahren ein reiches Repertoire an Werken geschaffen, das genau auf jene Unschärfe abzielt, die entsteht, wenn die Erkennung und Kontextualisierung von Klangmaterial sich an stärker abstrahierten (und abstrakteren) Klangstrukturen reibt. Aber da ja auch diese Strukturen selbst wiederum organisch aus den in ihnen enthaltenen individuellen Klangobjekten erwachsen, wird Vieldeutigkeit erzeugt: Querverbindungen und multiple Bedeutungsebenen entstehen. Das Bekannte wird fremd und das Unbekannte vertraut, in einem Kontinuum aus Realität, Irrealität und Surrealität, in dem die Grenzen verschwimmen und nur die ständig erneuerten Definitionen konstant sind.

In "Unsound Objects" stammen alle verwendeten Klänge aus der "realen Welt" ­ Aufnahmen von tatsächlichen Klangereignissen, die unterschiedlichen Graden der Bearbeitung mittels Computer unterworfen wurden. Das Werk operiert auf drei Ebenen. Die erste spricht das an, was Denis Smalley die "Spektro-Morphologie" genannt hat, eine der oben angeführten Schaefferschen Definition sehr verwandte Ansicht, die noch am ehesten das beschreibt, was in der westlichen Kultur als "Musik" verstanden wird. Die zweite Ebene bezieht sich auf den Begriff "Soundscape" ­ Klanglandschaft ­, also auf erkennbare Klangumgebungen, die wir alle schon erlebt haben. Die dritte Diskursebene umfaßt genau jene Verbindungs- (oder Kollisions-, Reibungs-, Aufschlags-, Durchdringungs-?)-Punkte dieser scheinbar gegensätzlichen Welten, sie beschäftigt sich mit der Re-Kontextualisierung erkennbarer Klänge und mit den "Bedeutungen", die von diesen ausgelöst werden, besonders mit dem Schock, der entsteht, wenn unerwartet etwas Vertrautes auftaucht, oder umgekehrt, beim Eindringen des Ungewohnten in einen ansonsten gut bekannten Klangraum. Wenn das Klangmaterial in "Unsound Objects" im wahrsten Sinne des Wortes "elementar" ist, so dient dies zur Verstärkung des Eindrucks, den Klänge hervorrufen, die allgemein erkennbar sind ­ Wasser (Fluß, Meer, Regen), Wald, Feuer, Vögel, Wind, Kinder, Donner und die durch das Geräusch von Schritten implizierte menschliche Präsenz.

Besonders letzteres ist ein gutes Beispiel für das gerade in der Klangkunst enorme Potential, die Grenzen zwischen Realität, Irrealität und Surrealität zu verwischen ­ nur dem Klang "glauben" wir die gleichzeitige Präsenz von Schritten auf so unterschiedlichen Oberflächen wie Schnee, Kies und vertrocknetem Farn (wie es bei etwa 5'40 von "Unsound Objects" geschieht). Eben weil wir jede Situation als solche gesondert erkennen, können wir auch das glauben, wovon wir selbst im Moment des Hörens schon wissen, daß es physisch unmöglich ist.