GOLDENE NICA
Munich Samba
Matt Heckert
"Munich Samba" von Matt Heckert kann automatisch betrieben werden, eher als eine Art bewegter, klangerzeugender Skulptur denn als Werk mit Exposition, Durchführung und Reprise, aber es kann auch "aufgeführt" werden, dann wird eben die Form neu strukturiert, mit Elementen relativer Statik und Aktivität, mit bewußt kalkulierten und eingesetzten Höhepunkten.
Nachdem ich schon acht Jahre damit zugebracht hatte, Maschinen für Performances und die zugehörigen Soundtracks zu entwickeln, begann ich 1986 mit der Idee zu experimentieren, die Maschinen selbst dazu zu verwenden, einen Teil des Klanges und später den gesamten zu erzeugen. 1988 begann ich dann, am "Mechanical Sound Orchestra" zu arbeiten. Die Kriterien für dieses Projekt waren: Maschinen zu erzeugen, die "spielbar" waren, d. h. die eine Vielzahl von Klangfarben oder Rhythmen erzeugen konnten; die Maschinen sollten über ein Computer-Interface fernsteuerbar sein; und die Klänge bei den Performances sollten ausschließlich aus den Maschinen kommen keine Samples, keine Bänder, keine anderen zusätzlichen Klangquelle sollte eingesetzt werden. Dies war sehr wichtig, da ich eine Situation schaffen wollte, in der nur die Bewegung den Klang erzeugt und in der jeder Klang zu seinem Ursprung zurückverfolgt werden kann. Ich wollte Live-Performances mit der Unmittelbarkeit einer musikalischen Improvisation. Wenn ein mechanisches Gerät eine ferngesteuerte repetitive Handlung ausführt, neigt meiner Erfahrung nach der Betrachter dazu anzunehmen, daß das Gerät irgendwie bemüht ist, eine eigenständige Emotion auszudrücken Frustration, Wunsch, was auch immer , und so die Mystik einer intelligenten oder fühlenden Maschine entsteht. Dies ist natürlich keine Frage des Klangs, hat aber dennoch eine Menge mit der Beziehung zwischen Hörer und Aufführendem und mit der Wahrnehmung des Publikums, daß hier irgendeine nicht-verbale Form der Kommunikation stattfindet, zu tun. Wenn die Maschine über einen Macintosh Computer und eine MIDI- Sequencer-Software gesteuert wird, so ist eine wesentlich feinere Ansteuerung möglich als über manuelle Schalter; dazu kann noch ein Timing verwendet werden, das jenseits der physischen Möglichkeiten liegt. Wenn ich einen Taktgeber mit 120 Schlägen pro Minute verwende, kann ich in einem einzigen Beat einen Servomotor viermal aus dem Stand zu voller Geschwindigkeit und wieder zurück zum Stillstand bringen. Und dies kann ganz exakt wiederholt werden, da ja der Computer die Schaltung vornimmt. Stufenlose Regler werden zur Einstellung der Motorgeschwindigkeiten verwendet, ãNotenereignisse" schalten die Transistoren, und diese Information wird dann von der Software aufgezeichnet. Ist sie einmal als Sequenz oder Sub-Sequenz gespeichert, kann jederzeit jede beliebige Serie von Steuerbefehlen abgerufen werden. Wird sie über die Tastatur aufgerufen, wird diese Steuerinformation sofort abgesandt und das System regiert darauf (fast) wie jedes andere MIDI-gesteuerte Instrument. Der große Unterschied liegt in der Anfangsträgheit, die merkbar wird, wenn eine Maschine aus ihrer Ruhe gerissen wird, und eben darin, daß der Klang live von den Maschinen gemacht wird. Die Trägheitsmomente variieren von Gerät zu Gerät und liegen zwischen einigen wenigen Millisekunden bei kleineren und zwischen einer und acht Sekunden, bis die größeren Maschinen anspringen. Dies gibt einem bei einer Live-Aufführung ein Gefühl des Hin- und Hergerissenwerdens, das fast mit der Arbeit mit einem menschenbetriebenen Orchester vergleichbar ist. Die anderen Klänge bieten das, was ich als sekundäre oder ãSub-Klänge" bezeichnen möchte. Dazu gehören die Summtöne der Motoren, das Klicken von Relais, das Knacken von Metall, Druckluftzischen und so weiter dies waren nicht Effekte, die ich bei der Entwicklung der diversen Apparate anstrebte, aber sie kamen beim Betrieb einfach dazu. Wie der Hornist, der zu nahe am Mikrophon Luft holt, oder der Geiger oder Gitarrist, der mit dem Finger auf der Saite rutscht meine Maschinen atmen und strecken sich auf ihre Weise. Diese Art von Steuer-Interface erlaubt mir, auf die unterschiedliche akustische Dynamik verschiedener Aufführungsorte ebenso einzugehen wie neue Kompositionen während der Aufführung zu improvisieren. Ich hoffe, dem Publikum ein stärkeres Gefühl von Unmittelbarkeit zu vermitteln, das Gefühl, im Inneren eines Systems oder Mechanimus zu sein. Dieses Gefühl wird durch die Art der Präsentation der Maschinen noch unterstrichen nicht außer Reichweite auf einer Bühne, sondern über den gesamten Aufführungsraum verteilt, so daß das Publikum ganz nahe bei den maschinellen Musikern sein kann. |