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Prix Ars Electronica
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Prix-Jury

 
 
Veranstalter
Ars Electronica Linz & ORF Oberösterreich

Tracks and Traces

Sirikit Amann, Gerlinde Lang, Christopher Lindinger, Günther Nimmerfall, Rainer Zendron

Signifikant für die 2007 in der Kategorie u19 – freestyle computing eingereichten Arbeiten war, dass sie sich an den Themen und Arbeitsmethoden des letzten Jahres orientieren: Die letztjährige Goldene Nica (Abenteuer Arbeitsweg von Krmpf Krmpf Studios) scheint einen Boom in Richtung Animation und hier speziell in Richtung Stop-Motion ausgelöst bzw. verstärkt zu haben. So sahen wir Invasionen von Sternenkriegern, Raumschiffen, die die Weiten des Universums ausloten, U-Boote, die dem vermuteten Leben im Marianengraben nachspüren, Stofftiere, die Hochzeit halten, und andere schräge Einblicke in den Gestaltungswillen junger – meist unter zwölf Jahre alter – Menschen.

Ein weiterer Trend, der sich bereits in den letzten Jahren anbahnte, wurde 2007 noch deutlicher: Die Einreicher-Innen bei u19 werden immer jünger. 73 Prozent der EinreicherInnen sind unter 14. Einerseits ist diese Entwicklung sehr erfreulich, auch wenn sie absehbar gewesen ist: Der Einzug der Computer in die Volksschule und damit in den Schulalltag ließ die Hoffnung zu, dass die Kinder sich auch tatsächlich der Tools bemächtigen würden, um ihre Ideen umzusetzen. Und dies ist eingetreten. Die Vertiefung im Umgang mit dem Computer wird in der Sekundarstufe fortgesetzt, sodass eine Generation heranwächst, die vom Kindergarten aufwärts eine kontinuierliche Entwicklung mit den neuen Medien mitmacht.

Andererseits stellt diese Entwicklung die Jury auch vor neue Herausforderungen:

Was ist originär und was durch Eltern und PädagogInnen befruchtet?

Bewertet man die Leistung der gesamten Klasse oder das Produkt jedes Einzelnen?

Ist es der recht souveräne Umgang mit Tools, der die Unter-10-Jährigen besonders macht, oder sind es die noch nicht zu Ende gedachten Einfälle?

Wie verhält sich die Überzahl der Einreichungen der Unter-14-Jährigen zu den Einreichungen der Über-14-Jährigen? Ist hier ein Vergleich noch zulässig, oder hat sich die Kategorie u19 in zwei Stränge geteilt, die parallel zueinander laufen?

Was ist für das jeweilige Alter an Fertigkeiten im Umgang mit den Neuen Medien erwartbar und wo beginnt das „Freestyle Computing“?

Wie geht die Jury jetzt damit um? Strukturell wird uns die Arbeit und die Entscheidung dadurch erleichtert, dass durch die sich in den letzten Jahren bereits abzeichnende Tendenz in Richtung Senkung des Einreichalters zwei zusätzliche Sachpreise für exemplarische Arbeiten der Unter-10-Jährigen und der 11- bis 14-Jährigen eingerichtet wurden.

Trotzdem diskutiert die Jury unterschiedliche Herangehensweisen. Wollen wir Trends aufgreifen und verstärken, auch unter der potenziellen „Gefahr“, dass nächstes Jahr viele junge Menschen diesem Richtungshinweis der Jury folgen? Oder suchen wir die Spitze des Eisbergs, kleine Nerds, deren Arbeiten so herausragend sind, dass möglicherweise zukünftige u19-Teilnehmer ihre Beteiligung überlegen, weil sie den Eindruck haben, „so was kann ich nie“ und die Ermutigung zum Querdenken nicht annehmen und mit Nichtteilnahme reagieren? Diese Schere ist die große Herausforderung, die wir auch heuer wieder gemeistert haben. Wir haben die kleinen Nerds gefunden, die einen zum Staunen bringen und trotzdem anderen Mut machen, es selbst zu probieren.

Der Sachpreis für die Unter-10-Jährigen geht an Alexander Grasser, Leonhard Hauptfeld und Chen Wang für ihr Python Tutorial. Gemeinsam haben die drei verschiedene Tutorials für das Softwareprogrammierungsprogramm Python erstellt. In Form mehrerer Kurzvideos, die mit Hilfe der Software Screencast erstellt wurden, zeigt Chen, wie man Python zur Rurple-Erstellung verwenden kann, Lexi nutzt Python mit Easygui und Leo verrät mehr über die Hilfefunktion im Bezug auf eine Buttonbox. Alles zusammen eine perfekte eLearning-Lehrstunde.

Der Sachpreis für die Elf- bis 14-Jährigen geht heuer an ein Jump’n’Run-Game mit dem Titel Rolling Stone. Der 13 Jahre alte Maik Groß programmierte mit Toonshading Umgebungswelten im Comicstil, die wenig mit handelsüblichen Modellen und Charakteren zu tun haben und eine selbstständige Handschrift erkennen lassen. Ein weiterer Grund für diese Auszeichnung ist, dass Computerspiele zwar ein wichtiger Bestandteil der Medienkultur sind und gerade von vielen jungen Menschen gespielt werden, sei es übers Internet, mit einer Spielkonsole oder über das Mobiltelefon, sich aber nur die wenigsten ein eigenes Spiel ausdenken und es dann auch umsetzen.

Es sind oft der spielerische Zugang und die scheinbare unbegrenzte Phantasie der Einreicher, die einen in Staunen versetzen. Und trotzdem steht hinter den Spielereien eine ernstzunehmende Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Facetten der neuen Medien. Experimentieren die jüngeren EinreicherInnen noch stark mit unterschiedlichen Tools, z. B. mit Kombinationen aus Grafikprogrammen und Präsentationssoftware, mit Webapplikationen, die für die eigenen Bedürfnisse adaptiert werden, mit Flashanimationen oder Robotikanwendungen, so lassen sich die Einreichungen der Über-14-Jährigen vor allem mit zwei Schlagworten charakterisieren: Web 2.0 und Social Software. Gerade Entwicklungen wie Wiki, Blogs, YouTube, flickr und andere Tauschbörsen sind aus den Websites der Unter-19-Jährigen nicht mehr wegzudenken.

Die Goldene Nica 2007 vereint einiges davon in Idee und Umsetzung. Die Schülergruppe der HTL Mössingerstraße in Klagenfurt entwickelte ein System, das die Open-Source-VoIP-(Voice over Internet Protocol)-Anlage über das Asterisk-Gateway-Interface (AGI) mit einem Wiki-System verknüpft. Der Nutzen für den User liegt darin, dass er so über VoIP zu statischen und dynamischen Informationen (z. B.: Wetterinformationen) eines Wiki-Systems gelangen kann. Die Interaktion mit dem System erfolgt per Sprachausgabe und Tasteneingabe über eine Telefonverbindung. Die Information, welche in Text verfügbar ist, wird von einem Sprachsyntheseprogramm in Sprache umgewandelt. Die Inhalte werden in einem definierten Format gespeichert, wodurch sichergestellt wird, dass die Informationen so ausgegeben werden, wie es sich der Benutzer, der die Informationen geliefert hat, vorgestellt hat. Die Informationen können auch über ein Web-Interface vom Benutzer hinzugefügt, bearbeitet, gelesen oder auch gelöscht werden. Bei dieser Anwendung werden nicht nur zeitgemäße Technologien verwendet, sondern sie ist in Zusammenarbeit mit dem Kärntner Blindenverband entstanden, dessen Mitglieder ein einfaches, mobiles Interface brauchen, um schnell zu diversen Informationen zu kommen. Hier faszinierte auch das Zusammenspiel unterschiedlicher Bedürfnisse und fachlicher Kenntnisse, und die Tatsache, dass das Projekt schlussendlich nicht in der Schublade landete, sondern in Betrieb genommen wurde.

Die beiden Auszeichnungen der Kategorie u19 – freestyle computing bewegen sich im Bereich der Programmierung einer komplexen Spielengine bzw. der 3D-Animation.

Die eine Auszeichnung geht an den 18-jährigen Manuel Eder für die Animation incline – Neigung nach Existenz. Sie zeigt die Stationen der 3D-Figur Kaya, die durch das reale Salzburg geht und blitzlichtartig Eindrücke eines realen Lebens aufnimmt. Kaya wurde mit einigen menschlichen Verhaltensmustern ausgestattet, um ihr kurzes Dasein laut ihrem Auftrag so schön wie möglich zu gestalten. Alle Hintergründe wurden real gefilmt und die 3D-Figur nachträglich eingefügt, animiert und gerendert. Gefilmte Daten wie die Höhe der Kamera und Brennweite musste mit den Werten der „digitalen Kamera“ übereinstimmen, damit ein sauberes Compositing und der dazu passende Schattenwurf möglich wurden.

Die zweite Auszeichnung geht an Flying Bytes der beiden Programmierer Christof Sirk und Josef Koller aus der HTL Kaindorf / Sulm. Dieses 3D-Echtzeitspiel aus der Kategorie „Fliegerspiele“ basiert auf der selbst programmierten Open-Source-3D-Spieleengine Corner-Stone und wurde in C# entwickelt. Dabei handelt es sich um eine Klassenbibliothek von ca. 140 Klassen und 90.000 Codezeilen. Zusätzlich beinhaltet die Engine eine Dokumentation und Tutorials inklusive Demos für die einzelnen Themenbereiche. Und ganz nebenbei birgt Flying Bytes Suchtpotenzial und macht richtig Spaß!

Die zehn Anerkennungen spiegeln heuer die Bandbreite der Einreichungen wider. Auf den ersten Blick fällt auf, dass einerseits das Thema Natur eine wichtige Rolle spielt und andererseits viele Einreicher dasWeb als Präsentationsplattform sehen, die Inhalte sind längst ein Megamix unterschiedlicher Techniken. E-Learning, kreative Enviroments, userorientierte Anwendungen mit entsprechender Hard- und Software, witzige Animationen oder schräge Features finden sich unter den Anerkennungen. Trotz der Begeisterung für die Vielzahl der Ideen bleibt auch heuer wieder die Frage: Warum wird das Mobiltelefon nicht als Werkzeug für neue Enviroments verwendet? Wird nur telefoniert, für die obligaten Partyseiten geSMSt und geMMSt, aber darüber hinaus nichts mit diesen Geräten gemacht? Werden keine Spiele entworfen? Keine Filme gedreht, die dann aneinander geschnitten werden? Oder, oder, oder …? Vielleicht nächstes Jahr?!

Die zehn Anerkennungen

Schon in zwei Händen Erde tummeln sich mehr Lebewesen, als es Menschen auf unserem Planeten gibt. Diesen Teil unserer Umwelt – den „Tatort Boden“ – haben sich die Mädchen und Burschen der Hauptschule 3, Spittal / Drau, zum Thema gemacht und dafür eine Homepage mit Content-Management-System gebaut. Unter unseren Füßen enthält eine Menge an Informationen und Mit-Mach-Aktivitäten.

Sounds of Water ist ein Kooperationsprojekt des Georg-von-Peuerbach-Gymnasiums mit verschiedenen Institutionen in Linz. Dabei wurde hauptsächlich mit Wasserklängen und -geräuschen gearbeitet, die die Schülerinnen und Schüler der 1C-Klasse selbst aufnahmen und anschließend digital bearbeiteten, wobei das kreative, eigenverantwortliche Arbeiten im Mittelpunkt stand. Die WikiMap Linz dient dem Projekt als Online-Dokumentations-, Präsentations- und Kommunikationsplattform.

Mit der Plakatserie we talk about nature bewirbt die HAK Lambach die Fächer Biologie, Physik und Chemie, um zu zeigen, dass auch naturwissenschaftliche Fächer so unterrichtet werden, dass sie Spaß machen. Deshalb sind die Sujets für die jeweiligen Fächer mit Augenzwinkern und einer großen Portion Experimentierfreude erstellt worden.

GPS-Ortungssystem Cowfinder ist das Maturaprojekt von Alexander Kastler, Josef Meingassner, Christoph Bichler und Michael Wilhelm an der HTL Braunau. Ausgangspunkt war, dass Bergbauern, die ihre Kühe im Herbst von den Almflächen wieder ins Tal treiben wollen, oftmals vor dem Problem stehen, die Kühe erst einmal finden zu müssen. Hier galt es mit Hilfe eines GPSOrtungsstystems und einer eigenen Client-Applikation Abhilfe zu schaffen.

Der 12-jährige Julius Lugmayr baute sich eine Maschine, mit der er Glücksmomente in Licht verwandeln kann: Fog Painting heißt diese Erfindung. Ein Lichtstrahl, selbst aufgenommene Glücksmovies und ein System aus Spiegeln erzeugen gemeinsam eine räumliche Lichtmalerei in einer Säule, die mit Rauch gefüllt ist. Je nach Art der Movies ändert sich auch die Farbe und Form der Lichtbilder und somit auch die Stimmung.

CreARTive Flash Experiments – kurz CFE – von Stephan Hamberger ist eine Website, welche Kunst- und Technikinteressierte miteinander verbindet. Verschiedene Experimente ermöglichen es dem User mittels Bildern, Texten und Webcam kleine Kunstwerke zu produzieren. Die aus den eigenen Bildern und Texten entstandenen neuen Werke ermöglichen es einem anderen User, daraus ein weiteres Bild zu generieren. Durch diesen spielerischen Zugang wird eine neue Form der Community geschaffen.

Das Kurzvideo Jedi Training, eine Gemeinschaftproduktion der Brüder Lorenz (18) und Max Hammel (16), zeigt auf skurrile Weise Fertigkeiten, die ein Jedi beherrschen sollte.

Ein vierköpfiges Team an der HAK Steyr erstellte im Rahmen eines Maturaprojektes KLAC-KS Kinder lernen am Computer – Das Kindergartenspiel ein Computerlernprogramm für Kindergartenkinder kurz vor dem Schulantritt.

Bei Lighttracker von Lukas Huber, Patrick Schubert und Yasad Rabady werden über den „Umweg“ einer Audioanalyse Bilderkennungsmerkmale sichtbar gemacht und in Signale umgewandelt. Die Stärke des Projekts liegt im ungewöhnlichen Zugang, eine Bilderkennungsaufgabe zu lösen.

Mein Kleiner Grüner Kaktus ist eine Teamarbeit von Victoria Hohensinner, Tobias Mattner, Irene Szankowsky, Nela Pichl aus Wien. Witzig und gut animiert erzählt dieser Kurzfilm die Geschichte eines verlorenen Hundes und eines verschenkten Kaktus.


 
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