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Prix Ars Electronica
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Prix-Jury

 
 
Veranstalter
ORF Oberösterreich

Statement der Jury

Thomas Kessler


Als wichtigstes Ereignis beim diesjährigen Wettbewerb des Prix Ars Electronica in Linz kann sicher vermerkt werden, daß nach einer kurzen, einjährigen Unterbrechung die Einreichungen für die Kategorie Musik wieder aufgenommen werden konnten. ComputerMusik ist vielleicht nicht nur die älteste der Computerkünste, sie ist vor allem auch die Kunst, in der der Künstler auf die Maschine und deren Ergebnisse gewartet hat und nicht die Maschine auf den Menschen: Auf dem geistigen Boden der seriellen Musik der 50er Jahre hat mancher Komponist nach einem geeigneten Arbeitsinstrument zur Berechnung und Hörbarmachung noch nie gehörter Form- und Klangstrukturen gesucht, oft lange bevor dieses erfunden wurde.

Der einjährigen Pause ist es vielleicht zuzuschreiben, daß in diesem Jahr die Einreichungen besonders zahlreich waren. Rund 350 Werke forderten die Konzentration der fünfköpfigen Jury auf ein Höchstmaß heraus; sie bittet um Verständnis, wenn in den drei zur Verfügung stehenden Tagen nicht jedem Werk solch fachkundige Auseinandersetzung gewidmet werden konnte, wie man sie zur gerechten Beurteilung gerne hätte.

Für das kommende Jahr wurden deshalb auch schon verschiedene organisatorische Änderungen vorgeschlagen. Auffallend war die Zunahme von Werken von Komponistinnen. Frauen scheinen zur experimentellen Elektronik leichter Zugang zu finden als zur Unterhaltungselektronik, die fast ausschließlich der Männerwelt vorbehalten ist. Gewachsen ist auch der Anteil an Einsendungen aus sogenannten Dritte-Welt-Ländern: überraschend etwa die verhältnismäßig große Zahl aus Brasilien (im Vergleich dazu die Schweiz ... ).

Schließlich konnte sich die Jury, zusammengesetzt aus äußerst unterschiedlichen Persönlichkeiten verschiedener Herkunft, nach intensiven Beratungen doch mit großer Übereinstimmung auf die Vergebung der Preise einigen.

Die Jury freut sich, die Goldene Nica dem in London lebenden argentinischen Komponisten Alejandro Vinao zuzusprechen, dessen Komposition " Chant d`Ailleurs" eine einzigartige Verbindung von künstlerischer und technischer Brillanz darstellt. Dieses Werk von offensichtlicher Schönheit enthält eine menschliche Sopranstimme, die mit mongolischen und barocken europäischen Vibrato-Techniken singt, und ihr gegenübergestellt computergenerierte vokal-ähnliche Klänge, die auf subtile Weise mit dem menschlichen Original interagieren.

Die Jury hat auch zwei Auszeichnungen vergeben. Francis Dhomont, ein Doyen der elektroakustischen Musik, geboren in Paris, wohnhaft in Montreal, wurde für sein " Chiaroscuro" ausgezeichnet, in dem Alltagsklänge mit musikalischen Effekten zu einer beeindruckenden nicht-Iinearen Erzählung verschmelzen.

Der österreichische Improvisator Wolfgang Mitterer wurde für seine sensationelle improvisierte Arbeit " Reluctant Games" ausgezeichnet, in der freier Improvisationsmodus und die energischsten Aspekte der Computermusik-Abstraktion verschmelzen. Manches interessante Werk konnte jedoch nicht berücksichtigt werden, und eigentlich müßten alle die Komponistinnen und Komponisten noch erwähnt werden, deren Musik dazu beigetragen hat, daß auch die Qualität des Wettbewerbs gesamthaft deutlich gestiegen ist. Man darf gespannt sein auf das nächste Jahr.

 
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