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Prix Ars Electronica
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Prix-Jury

 
 
Veranstalter
ORF Oberösterreich

Statement der Jury für Interaktive Kunst
Roger Malina


Die Preise und Anerkennungen wurden für Arbeiten vergeben, die auf recht unterschiedliche Weise interaktiv sind. In einigen Fällen handelt es sich um Interaktion der einfachsten Art - im wesentlichen um eine Art Schalter, der dem Betrachter erlaubt, sich innerhalb des vom Künstler gesammelten Materials zu bewegen. In anderen Fällen wiederum geht es um Echtzeitinteraktion mit dem Inhalt der Computersoftware, was sehr breit gefächerte Möglichkeiten der Gestaltung zuläßt. Bei allen interaktiven Kunstwerken jedoch geschieht nichts, bis sich der Betrachter oder Mitwirkende aktiv einbindet.

Die Goldene Nica für Interaktive Kunst wurde von der Jury der Gruppe Knowbotic Research aus Köln, Deutschland, für ihre im Bereich der "erweiterten Wirklichkeit" angesiedelte Simulation "Simulationsraum Mosaik mobiler Datenklänge" zugesprochen. Die Installation präsentiert ein Klangskulptur-Environment, das von den Besuchern durch ihre eigenen Bewegungen erforscht werden kann. Die Verleihung des Preises an ein Kunstwerk, das Techniken wie Virtual Realitv einsetzt, unterstreicht die Bedeutung, die von der Jury dieser Richtung in der interaktiven Kunst beigemessen wird.

Die Jury hat auch zwei Auszeichnungen vergeben. Eine davon geht an Stephen Wilson für seine Arbeit "Is Anyone There, Pay-Telephone-Event". Diese Arbeit untersucht soziale und kulturelle Fragen im Umfeld des Kontakts zwischen Mensch und Computer, das Werk selbst verwendet automatische Wähleinrichtungen in öffentlichen Telephonzellen und eine Datenbank, die die Anrufe aufzeichnet und die vom Benutzer später erforscht werden kann.

Eine weitere Auszeichnungen erhielt die australische Künstlerin Jill Scott für ihre Multi-Media-Installation "Paradise Tossed". Dabei handelt es sich um eine interaktive, animierte Untersuchung über die technologische Umwelt, über Idealismus und Design aus Blickwinkel einer Frau.

Darüber hinaus wurden von der Jury insgesamt 13 Anerkennungen an Künstler ausgesprochen, die auf dem weiten Feld verschiedener interaktiver Medien und künstlerischer Ansätze tätig sind. Die Bandbreite der Werke unterstreicht die Reichhaltigkeit der verschiedenen Tendenzen innerhalb der interaktiven Kunst. Die in dieser Gruppe vertretenen Künstler kommen aus Deutschland, Österreich, den USA, Australien, Großbritannien, Kanada und Frankreich.

Die Jury war dieses Jahr erfreut darüber, zahlreiche Werke zu sehen, die sich verschiedener Telekommunikationssysteme bedienen. In diese Gruppe fällt die preisgekrönte Arbeit von Wilson ebenso wie das mit einer Anerkennung bedachte „Chip Radio" von Mia Zabelka, Gerfried Stocker und Andres Bosshard, aber auch die "Piazza Virtuale" von Van Gogh TV.

Besondere Erwähnung gebührt der Anerkennung für Joseph Bates' Arbeit "Edges of Intention". In den Augen der Jury umfaßt dieses Werk neue technologische Entwicklungen, die große Bedeutung für zukünftige interaktive Kunstwerke erlangen können. Das Werk ist ein Versuch, Kunst auf der Basis der künstlichen Intelligenz zu schaffen.

Viele der heuer ausgezeichneten Künstler verwenden in ihren Arbeiten mehrere Medien, darunter auch Klang. Die Jury war über diese Entwicklung und über die Gleichwertigkeit von Klang und visuellen Konzepten in den Werken erfreut. Je eine Anerkennung wurde "Braindrops" von Werner Cee und Horst Prehn zuteil, das sogar EEG mit einbindet, sowie der interaktiven Klangskulptur "Der Klangsee" von Gerfried Stocker und Horst Hörtner.

Drei interaktive Installationen wurden mit Auszeichnungen bedacht, nämlich „Room of one's own" von Lynn Hershman, „Handsight" von Agnes Hegedüs und "The Desert Dreams a Mirage" von David Rokeby. Der britische Künstler Kevin Ruston erhielt eine Anerkennung für "Digital Rear Window", das es dem Betrachter ermöglicht, den gleichnamigen Hitchcock-Film nicht-linear zu erforschen. Eine weitere Anerkennung wurde Akke Wagenaar für ihre interaktive Installation "7 objects meet" zugesprochen. Schließlich erhielt die französische Künstlerin Catherine Ikam eine Anerkennung für ihr Werk „L'Autre".

Die Entscheidung des Prix Ars Electronica im Jahre 1990, die Kategorie „Interaktive Kunst" neu einzuführen, erscheint jedenfalls durch die anhaltende Qualität der Einreichungen und die neuen Entwicklungen im interaktiven Kunstschaffen völlig gerechtfertigt. Es könnte für die nächsten Jahre nützlich sein, die Schaffung neuer Kategorien innerhalb der interaktiven Kunst zu erwägen. Besonders die Entwicklung im Bereich der interaktiven Erzählung, d.h. von Kunstformen mit narrativen Strukturen wie interaktive Romane, interaktives Kino und interaktive Poesie, führt zur Entstehung vieler neuer Werke, solche waren jedoch heuer unter den Einreichungen zum Wettbewerb nicht gut repräsentiert.


 
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