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Prix Ars Electronica
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Prix-Jury

 
 
Veranstalter
ORF Oberösterreich

Statement der Jury für Computermusik

Charles Amirkhanian


235 Stücke von Komponisten aus 26 Ländern wurden eingereicht. Bei einer großen Anzahl kamen Humor und Satire zum Ausdruck, einige waren von Rock- und Popmusik beeinflußt, und bei vielen wurden gesampelte Naturgeräusche verwendet - vom Schrei eines -Neugeborenen bis zu Baustellengeräuschen.

Andere, neue Tendenzen beinhalteten die Verwendung computercontrollierter Hyperinstrumente , das Zitieren vieler musikalischer Stilrichtungen der Vergangenheit und die Verwendung von Instrumenten aus aller Welt im Kontext mit digitaler Technologie.

Der erste Preis, eine Goldene Nica, dotiert mit öS 150.000,- (US$ 13.200,-), wurde dem namhaften französischen Komponisten Bernard Parmegiani für sein Werk "Entre Temps" zuerkannt, das sich sowohl durch ästhetische Eleganz als auch durch unvergleichliche technische Meisterschaft auszeichnet. Ein Leitmotiv der Arbeit ist eine Prozession natürlicher Geräusche, vom Ticken einer Uhr bis zum Rascheln von Seiten beim Umblättern, die sich nahtlos in eine Vielfalt synthetisierter Klänge einfügt. Die Jury hat damit anerkannt, daß Bernard Parmegiani es verstanden hat, sein überragendes Talent mit Hilfe neuester technischer Errungenschaften auf eine neue, höhere künstlerische Ebene zu stellen.

Eine Auszeichnung wurde dem mexikanischen Komponisten Javier Alvarez für sein hinreißendes Werk "Mannam" zuerkannt, ein Auftragswerk der "Groupe de Musique Experimentale de Bourges", instrumentiert mit einer koreanischen Super-Zither, dem Kavagum, und einem Tonband mit digital abgemischten Tönen dieses Saiteninstruments. Dieses gespenstische, meditative Werk in modaler koreanischer Stimmung vereint sowohl asiatisches als auch lateinamerikanisches Musikverständnis und Kulturempfinden in einer faszinierenden und unberechenbaren Mischung.

Die zweite Auszeichnung wurde dem aus Birmingham stammenden englischen
Komponisten Jonty Harrison für seine Komposition "... et ainsi de siute ..." zuerkannt. In diesem konzentrierten Werk wird eine ganze Welt großartiger Klangvielfalt aus einer einzigen Klangquelle hervorgebracht. Komponiert in der Art einer Suite von Variationen, entstehen durch die elektronische "Vergrößerung" des Kollisionsgeräuschs besonders
klangvoller Weinkelche kraftvolle räumliche Gesten sowie ein "Satori" schwebender Resonanzen, das sowohl zu ästhetischem wie emotionalem Genuß anregt.

Ein Überblick:

Noch nie seit Bestehen des Prix Ars Electronica war die Vielfalt der Stile so deutlich wie in diesem Jahr. Fast scheint es, als hätte die Klangsynthese nicht mehr jene pioniergleiche Bedeutung für die Komponisten wie vordem. Die Sicht der Funktion von Computermusik hat sich offensichtlich gewandelt. Es ist, als suche der Komponist nicht mehr nur nach neuen Klängen, sondern nach formalen Lösungen innerhalb seiner Musik, die letztlich
eine neue Ästhetik formulieren könnten.

Das heißt: Computermusik scheint nicht mehr das Endergebnis einer Klangrecherche zu sein, sondern die Recherche wird zum Hilfsmittel musikalischer Gestaltung.

Mit den drei Preisträgern hat die Jury fast ausschließlich Stücke für Band ausgewählt, was scheinbar ein Widerspruch zur Gesamtsituation der Computermusik ist. Scheinbar, weil reine Bandmusik sicherlich auch weiterhin eine mögliche Gestaltungsform innerhalb des Bereiches des Komponierens mit Computern bleiben wird, doch die Schwerpunkte werden
sich aber doch auf MixedMedia-Formen verlegen werden.

Die Komponisten von Computermusik reagieren damit vermehrt auf den Umstand, daß
der Computer erstmals ein gemeinsames Instrument aller Künste ist und nicht nur, wie das Klavier zum Beispiel, nur der Musik. Wenn aber der bildende Künstler dasselbe Instrument verwenden kann wie der Musiker, wie der Literat, ja sogar wie der Wissenschafter, dann muß es auch zu neuen Formen und zu einem Wertewandel der Kunst kommen.

 
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