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Ars Electronica 2004 „Ich werfe den verdammten Rückspiegel aus dem verdammten Fenster, weil ich nicht wissen will, woher ich komme, sondern wohin ich fahre“, soll der amerikanische Architekt Frank Lloyd Wright einmal in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts gesagt und dabei tatsächlich den Rückspiegel des Autos abgebrochen und beim Fenster rausgeworfen haben – was für eine fantastische Anekdote. Aber das war noch vor dem Holocaust, vor Hiroshima, vor Vietnam, vor dem ersten Mondflug, vor Tschernobyl, vor 9/11 und dem Irakkrieg, vor der Entdeckung der DNA-Doppelhelix, vor Dolly, dem geklonten Schaf, vor der Entschlüsselung und Patentierung ganzer Genome, vor der Entwicklung des Transistors, vor dem Zeitalter der digitalen Simulationen, vor dem Aufbau des Internet und dem Siegeszug von Mobile Phones und Computergames … ziemlich viel an Zukunft, die mittlerweile in unserem Rückspiegel liegt – was liegt vor uns? 25 Jahre bereits begleitet Ars Electronica die digitale Revolution. Aus kritischen wie utopischen, aber auch aus künstlerischen und wissenschaftlichen Perspektiven wurden die gesellschaftlichen und kulturellen Auswirkungen der digitalen Medien- und Kommunikationstechnologien analysiert und weitergedacht. Diese 25 Jahre sind auch ein Zeitraum, in dem die Ars Electronica zum Logbuch der Entwicklung neuer Kunstformen, neuer künstlerischer Praktiken und damit einhergehender Grenzüberschreitungen wurde. Das gewaltige Archiv, das dabei entstand, ist ein aussagekräftiges Zeugnis für die vielfältigen Strömungen und Trends, die aus dem Spannungsfeld von Kunst und Technologie hervorgegangen sind, und dokumentiert die einzigartige Bandbreite der Diskursplattform Ars Electronica – als Schauplatz von Konfrontation und Dialog, von Provokation und Brückenschlag. Der Prix Ars Electronica, das Ars Electronica Center und das Ars Electronica Futurelab sind logische weitere Elemente, mit denen der Aktionsradius kontinuierlich ausgedehnt wurde. Mit diesem Kurs ist Ars Electronica 1979 aufgebrochen und hat die über die Welt verstreuten Communities der Cyberartists und Digerati mit an Bord genommen. Ein Expeditionsschiff, das jedes Jahr in neue, wenig erschlossene Territorien vordringt und auf seiner Reise durch die Zeit Proben und Artefakte aufsammelt – Meilensteine und Wegweiser ebenso wie kurzlebige Zeiterscheinungen und Experimente ungewissen Ausgangs. Zeitzeugenschaft und authentische Erfahrung wurden so zu verlässlichen Methoden für eine Kartografie unserer Medienkultur. Ars Electronica wurde aber auch zu einer gestaltenden Einflussgröße in dem Wandel, den die Stadt Linz kulturell wie ökonomisch vollzogen hat. Zu einem Symbol und Leitbild für eine Stadt, in der Zukunftsorientierung keine Frage der Wirtschaft und Industrie alleine ist, sondern vorrangig als kulturelle Aufgabe verstanden wird. Entstanden ist dadurch ein Beweis für die gesellschaftliche Relevanz künstlerischer Arbeit und ein prototypisches Modell für stadt- und kulturpolitische Entwicklungsoptionen jenseits von Traditionalismus und Tourismus. „TIMESHIFT – die Welt in 25 Jahren“ lautet der Titel des Festivals, und Schlüsselbegriffe wie Zeitenwandel, Umbruch und Zukunft werden sein Programm prägen. Ausgangspunkt ist die Analyse der bereits zurückgelegten 25 Jahre, Ziel sind die zukunftsweisenden Entwicklungen für die nächsten 25 Jahre in Kunst, Technologie und Gesellschaft. Woran werden sich die Protestpotenziale der nächsten Generation entzünden? Woraus werden die Kinder der Cybergeneration ihre Vorwärtsmobilität beziehen? Werden es Bürgerrevolten einer vernetzten Zivilgesellschaft gegen den Überwachungsstaat sein? Oder globale Communities gegen globale Wirtschaft? Klimaveränderung und Wasserstoffwirtschaft? Überalterung der Gesellschaft? Entgrenzung der Migration? Fundamentalismus und Terrorangst? Die Zentren der Informationstechnologie verlagern sich nach Indien und China. Doch eine Fülle neuer Entwicklungen wird den digitalen Sektor noch lange beleben, ökonomisch angetrieben von globalen Consumer-Märkten und natürlich auch von der Kriegs- und Sicherheitsindustrie. Blickt man auf die aktuellen Trends der Aktienmärkte, so wird schnell klar, dass die Nanotechnologie die wohl bedeutendste Querschnitts- und Schlüsseltechnologie überhaupt werden dürfte. In ihr konvergieren physikalische Gesetze mit chemischen Eigenschaften und biologischen Prinzipien; die Grenzen zwischen Mechanik, Informatik, Biologie und Chemie werden aufgehoben. TechNouveau, Reverse-Engineering der Natur: Völlig neue Materialklassen lassen eine „Neuerfindung der Natur“ erwarten, statt Silizium werden organische Moleküle das Herzstück der ultraschnellen Computer von morgen bilden. Molekularmedizin, Anti-Ageing, Tissue Culture, Genfood und Cloning sind weitere Stufen dieser Ermächtigung über die Natur … reichliche Gründe, den Rückspiegel nicht aus den Augen zu verlieren. In unterschiedlichen Formaten und an zahlreichen Orten wird sich dieses Themenfeld manifestieren – durch Symposien, Künstlergespräche, Diskussionsforen und Workshops, Ausstellungen, Installationen und Interventionen im Stadtraum ebenso wie durch Performances und Konzerte. Sonder- und Gastveranstaltungen werden in diesem Jahr das Festivalprogramm signifikant erweitern.
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