THE BIG PICTURE – Weltbilder für die Zukunft, Langversion

THE BIG PICTURE ist das Thema der Ars Electronica 2012, die von 30. August bis 3. September in Linz stattfinden wird. Im Mittelpunkt steht die Frage nach zukunftsfähigen Weltbildern, die der fortschreitenden Globalisierung und Vernetzung unserer Welt mitsamt ihren Widersprüchen und Brüchen, genau wie ihrem zunehmenden Zusammenwachsen Rechnung tragen. Anhand inspirierender Best-Practice-Beispiele aus Kunst und Wissenschaft fordert das Festival einen neuen, einen offenen Blick für die Entwicklung einer tragfähigen Vision für unsere Zukunft ein und fragt danach, wie so ein „Big Picture“ beschaffen sein und auf welche Weise es umgesetzt werden könnte.

An der Schwelle zu einer neuen Epoche?

Mitten im Strudel der aktuellen Krisen ist klar, dass unsere Welt künftig eine andere sein wird. Politisch, weil sich der Westen seine Führungsrolle nicht länger leisten wird können und neue Mächte wie China und Indien gerade erst damit beginnen, ihre Rollen auf der Bühne der Weltpolitik auszugestalten. Ökonomisch, weil die Finanzwirtschaft als Wachstumsförderer ausgedient hat und die erdölbasierte Industrie insgesamt ein Auslaufmodell ist. Und nicht zuletzt ökologisch, weil die Klimaerwärmung immer schneller voranschreitet und ihre Auswirkungen auf das globale Ökosystem von Tag zu Tag massiver werden. Wenngleich wir das alles wissen und uns bewusst ist, dass wir die notwendigen Veränderungen angehen müssen, verharren wir in unschlüssigem Zögern und hängen der Vorstellung nach, das alles würde schon wieder gut werden, wobei wir mit „gut“ „so wie früher“ meinen. Dass genau das nicht eintreten wird, wollen die allerwenigsten wahrhaben. Im Beharren darauf, unsere gewohnten Wege weiter zu gehen, ignorieren wir die Chancen, die wir gerade in krisengebeutelten Zeiten eigentlich hätten.

Durch wen und wo könnte ein zukunftsfähiges Big Picture entstehen?

Ernsthafte Lösungsansätze können also kein Wiederherstellen eines Status Quo zum Ziel haben, sondern müssen einer globalen Vision von unserer Zukunft folgen. Wohin aber soll es gehen? Und wer kann die Richtung, wer das Tempo vorgeben? Klar ist, dass es kein Machtzentrum mehr gibt, das dem Rest der Welt sagt, was zu tun ist. Stattdessen wird vielmehr an mehreren Orten und von unterschiedlichen Protagonisten an unserer Zukunft gebastelt. Protagonisten, die jeweils für sich in Anspruch nehmen, ihre eigenen Prioritäten zu setzen. Über Erfolg oder Misserfolg entscheidet dennoch die Qualität der Zusammenarbeit mit allen anderen, weil in unserer globalisierten, vernetzten Welt jeder jeden braucht und rein gar nichts mehr alleine geht. Gleichzeitig wird die Art und Weise, wie wir über die Welt und unseren Platz darin denken, immer weniger von Politik oder Religion, dafür aber immer mehr von (natur-)wissenschaftlichen Erkenntnissen bestimmt. Und weil wir fühlen, ahnen oder wissen, dass alles um uns herum immer komplexer und komplizierter wird, stellt sich eine Renaissance des „wissenschaftlichen Experten“ ein, der nicht länger Fachidiot oder Universalgenie, sondern ein Teamplayer ist.

Bildgebende Verfahren liefern die Ikonen unserer Zeit …

Wesentliche Bedeutung kommt in diesem Prozess auch neuen bildgebenden Verfahren zu, die es oft erst möglich machen, wissenschaftliche Erkenntnisse eindrucksvoll darzustellen und mitunter wahre Ikonen hervorzubringen. Wie etwa das erste Satellitenbild des blauen Planeten, das so eindringlich wie kein anderes Bild vor Augen führt, dass wir alle im selben Boot sitzen. Oder Animationen unseres Gehirns und seines gigantischen Netzwerks von Synapsen sowie Visualisierungen unserer DNA und damit der Bausteine des Lebens selbst.

… und soziale Netzwerke verbreiten sie rund um den Globus

Ihre Verbreitung erfahren solch sensationelle News und Bilder indes nicht mehr nur über klassische Medien, sondern vor allem über soziale Netzwerke, in denen sie binnen kürzester Zeit hunderte Millionen Menschen erreichen und über nationale, sprachliche, kulturelle und religiöse Barrieren hinweg Begeisterung oder Entsetzen auslösen. Dieses noch nie dagewesene Zirkulieren von Information trägt wiederum seinen Teil dazu bei, traditionelle Machtstrukturen und Meinungsführerschaften weiter zu untergraben und völlig neue Gemeinschaften und Hierarchien auszubilden.

Best-Practice aus Kunst und Wissenschaft

Dennoch fügen sich all diese via Internet herumgereichten Sensationen noch zu keinem neuen Weltbild. Sie alle sind nur Puzzleteilchen, die von der Fragmentierung, Vielschichtigkeit und Komplexität unserer Wirklichkeit zeugen. Um sie zu einem großen Ganzen zusammenzufügen, müssten wir uns erst einmal einen Überblick verschaffen. Voraussetzung dafür wäre allerdings ein breiter, offener Blickwinkel, wie er bislang nur in Kunst und Wissenschaft erfolgreich erprobt ist. Erst ein solcher Blickwinkel würde es uns erlauben, über die Tellerränder unserer Kulturen, Ideologien, Fachdisziplinen und Gewohnheiten hinauszuschauen, auf das gigantische Patchwork unserer globalisierten Welt. Genau hier setzt die Ars Electronica 2012 an und versammelt Vorbilder und Best-Practice-Beispiele aus Wissenschaft und Kunst, die ihrer interdisziplinären Herangehensweise wegen geeignete Rollenbilder liefern können. Davon ausgehend soll schließlich diskutiert werden, wie ein „Big Picture“ unserer Zeit beschaffen sein müsste und mit welchen Strategien wir es realisieren könnten.

Pressekonferenz THE BIG PICTURE – Weltbilder für die Zukunft